Tourismuswelt

Sieht fertig aus die AIDAmira, ist derzeit aber mit Handwerkern auf hoher See unterwegs. Bild: AIDA

Kommentar «Verschieben können wir ja dann immer noch»

Gregor Waser

Die Auslieferung verzögert sich, der Eröffnungstermin kann nicht eingehalten werden, die Premierenfahrt findet später statt. Die forsche Ankündigungskommunikation der Reiseindustrie ist ein Schuss ins Knie.

Im Monatsrhythmus treffen sie bei uns ein, die Meldungen über verspätete Eröffnungen, Auslieferungen und Inbetriebnahmen. Die Tourismusbranche ist offensiv und forsch, was Ankündigungen betrifft, die anvisierten Eröffnungsdaten können oft aber nicht eingehalten werden. Ein Unding.

Die Liste ist endlos: ob Flughafen Heraklion, AIDAmira, Costa Smeralda, Boeing 737-Max, Boeing 777X, Hanseatic Nature, die MSC-Karibikinsel Ocean Cay, Scenic Eclipse, Center Parcs Allgäu – alle mussten sie jüngst ihre anvisierten Eröffnungstermine oder Launching-Daten verschieben auf einen späteren Zeitpunkt. Aus Gründen der Ermüdung verzichten wir an dieser Stelle auf die Erwähnung eines deutschen Hauptstadt-Flughafens.

Klar, Touristiker sind Euphoriker. Sie versprechen die schönsten Tage des Jahres, den unverstellten Blick hinaus aufs Meer, preisen Wohlfühloasen an, in denen es an nichts fehlt. Touristiker leben davon, immer neue Hot Spots, Annehmlichkeiten und Reiseerlebnisse zu präsentieren. Das ist tief in der DNA verankert und Teil des Reisegeschäfts, schliesslich wollen die Reisenden selber stets Neues präsentiert erhalten und erleben.

Keine Katastrophe, frühzeitig fertig zu sein

Dass diese von Marketingabteilungen getriebene Offensivstrategie immer öfter nicht korrespondiert mit der effektiven Umsetzung und Fertigstellung der Projekte, ist auffallend und ärgerlich – und offensichtlich davon angetrieben, stets von Neuem Good News und Innovationsgeist verbreiten zu müssen, um in der Öffentlichkeit und in Medien gut dazustehen – Asche auf unser Haupt, dass wir stets nach Neuem fragen.

Unter dem Strich ist diese Ankündigungskommunikation aber ein Schuss ins Knie, wie der jüngste Fall der AIDAmira zeigt. Unmittelbar nach der Taufe in Palma musste die Premierenfahrt abgesagt werden, obwohl die Gäste bereits an Bord waren. Die Defizite bei Schiffselektrik, Klimatechnik und Wasserentsorgung waren zu gross. Nun hat sich AIDA eine Armada von Handwerkern an Bord geholt, um die Überfahrt nach Kapstadt zu nutzen, das Schiff doch noch auf Vordermann zu bringen.

Eine defensivere Kommunikation und weniger ehrgeizige Eröffnungstermine würden der Reiseindustrie jedenfalls gut anstehen und den Reedereien, der Hotellerie oder Airlineindustrie aufs Konto Glaubwürdigkeit einzahlen. «Verschieben können wir dann ja immer noch», ist beim Setzen der Eröffnungstermine eine präventive Ausflucht, die sich nicht bewährt. Es wäre jedenfalls keine Katastrophe, schon drei, vier Wochen vor dem kommunizierten Eröffnungstermin das Schiff ins Wasser zu lassen oder die Hoteltüren zu öffnen. Bei kurzfristigen Spontanaktionen würde es der Reiseindustrie nicht an Ideen fehlen, um schon vor dem besagten Termin Betten zu füllen – um in aller Ruhe dem Objekt den letzten Schliff zu geben, anstatt als Baustelle die Premierenfahrt anzutreten.