Tourismuswelt

Was wollen Millennials wirklich? Das diskutierten (v.l.) John Strickland (JLS Air Transport Consultancy), Sheldon Hee (Singapore Airlines) und Hamish McPharlin (BBC) gemeinsam mit Moderatorin Christa Larwood. Bild: NKR

«Nicht nur der Preis ist entscheidend»

Nicole Krättli

Was erwarten Millennials von der Tourismusindustrie? Am WTM in London wurde dieser Frage im Rahmen einer Panel-Diskussion nachgegangen. Im paradoxen Verhalten der Millennials sehen Experten eine Chance für die Reiseindustrie.

Das Verhalten der Millennials ist paradox. Einerseits behaupten fast 80 Prozent, sich stark für die Umwelt einzusetzen, andererseits gaben bei einer Befragung Dreiviertel von ihnen an, in den vergangenen zwölf Monaten eine Ferienreise ins Ausland unternommen zu haben und ganze 85 Prozent erklärten, dass sie einen solchen Trip auch fürs nächste Jahr planen. Das ist kein Zufall, denn ein Grossteil von ihnen ist überzeugt, dass Reisen nicht nur dabei hilft, ein besseres Verständnis für andere Kulturen zu entwickeln, sondern den Menschen in den bereisten Destinationen Jobs und Wohlstand bringt.

«Genau dieses Paradoxon kann sich die Tourismusbranche zu Nutzen machen», erklärte Harmis McPharlin, Leiter Insight bei BBC Global News, während einer Diskussionsrunde zum Thema «Was kaufkräftige Millennials von internationalen Reisemarken wollen». Diese hat im Rahmen des World Travel Market (WTM) in London stattgefunden. Die Unterscheidung zwischen Millennials und kaufkräftigen Millennials ist entscheidend. Die 943 Millionen Personen, welche dieser Generation angehören, werden immer wieder über einen Kamm geschert. Die charakteristischen Merkmale der viel analysierten «Gen Y» treffen gemäss einer früheren BBC-Studie allerdings auf eine eher kleine Gruppe von kaufkräftigen Vertretern zu. Genau mit diesen beschäftigt sich die jüngste Studie des britischen Medienhauses, für welche 3200 Personen im Alter von 16 bis 34 Jahren aus acht Ländern befragt wurden.

Erlebnisse statt Erholung

Viel stärker als für andere Generationen repräsentieren Konsumgüter für kaufkräftige Millennials nicht primär Wohlstand, sondern eine Wertvorstellung. Sie suchen sich Marken aus, die ihre Haltung widerspiegelt. Auch bei der Definition von Ferien heben sie sich wesentlich von ihren Eltern ab. Während die Babyboomer es vorziehen, in einem bequemen Hotelbett zu nächtigen und sich auf einem Liegestuhl am Meer zu entspannen, wollen die Gen Ys in B&Bs, Airbnbs, Campervans, Yurten oder Eco-Lodges übernachten, Leute treffen, in die Kultur eintauchen, essen, sich austauschen. «Sie wollen mit individuellen Geschichten von Menschen zurückkehren, die sie in der Ferne getroffen haben», so der Studienautor.

Bei dem Entscheid für oder gegen eine Airline zeige sich zudem, dass der Preis mit 86 Prozent zwar immer noch das wichtigste Kriterium ist, aber auch flexible Konditionen von 84 Prozent der Befragten als wichtig angegeben wurde. Das überrascht John Strickland, Direktor der JLS Air Transport Consultancy, wenig. «Die Wow-Air-Pleite hat gezeigt, dass die Kunden heute mehr als nur billig wollen.» Was genau das sein könnte, darauf gibt die BBC-Studie ebenfalls einen Hinweis. So werden mit jeweils 83 Prozent auch Sicherheit und Kabinenqualität als relevant gewichtet. Bei Letzterem sind vor allem ein gutes Multimedia Angebot, Wifi und Live-Streaming an Bord entscheidend.

Die Studienergebnisse decken sich mit den Erfahrungen von Sheldon Hee, General Manager UK und Irland bei Singapore Airlines: «Diese Generation ist mit viel Technik gross geworden, die ihr das Leben erleichtert. Das erwartet sie auch von einer Airline. Und zwar vom Onboarding-Prozess bis hin zum Erlebnis in der Flugkabine.»

Inspiration, Innovation und Authentizität

Viele Marketingverantwortliche fürchten sich vor der Generation, die auf Social Media schonungslos ihren Unmut kundtut. «Tatsächlich gibt es keinen Grund zur Furcht, denn spricht man Millennials auf jene Art an, die ihnen zusagt, sind sie extrem loyale Kunden», so McPharlin von der BBC. Konkret bedeutet das: Inspiration, Innovation und Authentizität. «Diese Generation will authentische Geschichten sehen, die Persönlichkeit einer Firma spüren», erklärt McPharlin weiter. Vor allem aber soll ehrlich mit kritischen Themen umgegangen werden.

Ein gutes Beispiel für eine gelungene Kampagne sei in diesem Zusammenhang jene von KLM, findet John Strickland. Darin zeigt die Fluggesellschaft nicht nur auf, was sie selber tut, um CO2-Emissionen zu verringern, sondern fordert auch ihre Kunden auf, alternative Reiseoptionen zu prüfen und fragt beispielsweise «Wusstest du, dass ein Flug von Amsterdam nach Brüssel länger dauert als eine Zugreise?». Genau das kommt bei den Millennials an, ist sich Strickland sicher, «denn Ehrlichkeit schätzt diese Generation mehr als jede andere.»