Tourismuswelt

An der Luxperience vom 12. bis 15. Oktober 2019 in Sydney wurden die Trends des Luxusreisens aufgezeigt. Bild: Instagram / Luxperience

So sehen Luxusreisen morgen aus

Urs Wälterlin, Sydney

Eine schöne Hotelsuite reicht nicht mehr. Auf Luxus spezialisierte Reiseunternehmen müssen sich dem Wunsch der Kunden nach einzigartigen, lebensverändernden Erlebnissen anpassen. Ein Besuch an der Luxustourismusmesse Luxperience in Sydney.

Im Bankettraum des Shangri La in Sydney biegen sich die Tische. Empfang für die Teilnehmer der Luxustourismusmesse Luxperience. Die Hongkonger Hotelkette will beeindrucken. Zwischen literweise Bollinger, edlem Aufschnitt aus Wagyu-Rind, seltenen rosaroten Karotten und einem im Verlauf des Abends zu Sashimi verarbeiteten Thunfisch – komplett mit Kopf – kommt es zu einer sonderbaren Erkenntnis. «Luxus – das ist für mich der Geschmack einer Banane in der Sowjetunion», erinnert sich Carolyn Childs von MyTravelResearch. Die Tourismus-Trendexpertin, die Unternehmen rund um den Globus sagt, wie sich die Industrie entwickeln wird, hat Luxus in erste Linie mit etwas zu tun: Seltenheit, Exklusivität, aber durchaus auch Einfachheit. Wie die gelbe Frucht in der roten Diktatur. «Als ich in den achtziger Jahren länger in Moskau war und plötzlich eine in der Hand hatte, war die Banane für mich das wertvollste, was ich mir vorstellen konnte», so Childs gegenüber travelnews.ch. «Kaviar konnte ich löffelweise haben. Aber eine Banane? Ich erinnere mich bis heute an ihren Geschmack».

Viele der Teilnehmer der Fachmesse bestätigen Childs‘ Analyse: Luxus im Tourismus hat sich von der physischen Darstellung von Wohlstand entfernt. Statt dem reinen Konsum von Gütern und Dienstleistungen werde in lebensverändernde Erfahrungen investiert. «Luxusreisende sind nicht mehr einfach zufrieden, wenn sie eine schöne Hotelsuite haben», sagt Michelle Papas, Direktorin von Luxperience. «Wir haben erkannt, dass die Destination selbst oftmals nicht der ausschlaggebende Faktor ist, weshalb jemand an einen bestimmten Ort reist. Es sind die Erfahrungen, die Luxusreisemarkt antreiben. Der Luxusreisende von heute will sich in eine Destination versenken und Erfahrungen machen, die nirgendwo sonst gefunden werden können».

Vorangetrieben wird der Trend von den Millenials

Laut Euromonitor wuchs der Markt des sogenannten «experimentellen Luxus‘» zwischen 2013 und 2018 mehr als doppelt so schnell wie die traditionelle Form des Konsums von Luxusgütern. Vorangetrieben werde der Trend von den sogenannten «Millenials» – den etwa zwischen 1980 und 2000 geborenen. Ein Bericht des Reiseforschungsinstituts Skift bestätigt diese Entwicklung. Danach suchten Reisende heute «ultra-lokale», einzigartige und transformative Erlebnisse, die ihren Blick auf die Welt veränderten. Kern dieses Begehrens sei der Wunsch, sich nicht als «Tourist» zu fühlen, sondern in der Destination eine echte, authentische Erfahrung zu haben.

Traditionelle Konsum-Luxusmarken sind auf den Trend aufgesprungen. Im Frühjahr übernahm LVMH, das grösste Luxusmarken-Konglomerat der Welt, für über drei Milliarden US Dollar den Reiseanbieter Belmont. Künftig wird die Gruppe also nicht nur Christian Dior-Kleider, Bulgari-Geruchsnoten und Moët & Chandon verkaufen, sondern einzigartige Reiseerlebnisse wie den Venedig-Simplon-Orient Express. Laut Milton Pedraza, Gründer und Chef des auf den gehobenen Konsumsektor spezialisierten amerikanischen Luxury Institute, habe der Luxusgüter-Sektor den Trend aber spät erkannt. «Wenn die Industrie langfristig bestehen will, muss sie in experimentelle Marken investieren».

Auch für die im Luxussektor tätige Reiseindustrie ist die Herausforderung klar: sie muss eine echte Erfahrung erarbeiten, und zwar für jeden Kunden einzeln. Die Tourismus-Zukunftsforscherin Carolyn Childs sieht eine der grössten Chancen im Familienmarkt. «Immer mehr wohlhabende Familien gönnen sich ein ganzes Jahr Auszeit, in dem sie mit den Kindern gemeinsam einzigartige Erlebnisse geniessen wollen». Auch sogenannter Philantro-Tourismus sei am Wachsen: reisen und gleichzeitig Gutes tun. Etwa bei einem Aufforstungsprojekt in Sumatra helfen, oder bei der Pflege von verwaisten Gorillas in Ruanda, «oder gar beim Assistieren lebensverändernder Operationen im Dschungel», so Childs. «Lernen und erfahren» sei für Luxus-Reisende immer wichtiger. Geradezu enormes Potenzial aber werde dem Sektor bieten, was bisher eher ein Nischenmarkt war: die wachsende Zahl weiblicher Einzelreisenden. Childs: «Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit haben wir eine Situation, in der Millionen von Frauen eigenes Geld haben und damit machen können, was sie wollen.»