Tourismuswelt

Hohe Preise für gute Qualität: Klar doch. Aber wenn dann noch das Gläsli Wasser hinzugerechnet wird, ist das nur noch kleinlich und peinlich. Bild: Ana Sabeth

Einwurf Wasser und andere Kleinlichkeiten

Vanessa Bay

Nerven auch Sie sich darüber, im Restaurant für Hahnenwasser bezahlen zu müssen?

Wie gerne wäre ich kürzlich mal wieder in ein Restaurant gegangen, das fast alles hat, was es braucht, um auf meiner Favoritenliste gaaanz weit oben zu stehen: speziell schönes Ambiente, exzellente Küche, vorzügliche Weine und top Service. Das Preisniveau ist angemessen – Qualität darf kosten.

Wenn da nur nicht die Sache mit dem Wasser wäre. Mit dem Hahnenwasser, um genau zu sein. Gerade als ich reservieren wollte, erinnerte ich mich daran, dass man mir in dem Lokal beim letzten Mal dafür zwei Franken fünfzig verrechnet hat. Das hatte mir nicht nur den Abend verdorben, sondern hat mich diesmal gleich woanders reservieren lassen.

Ich bin nicht gerade für Knausrigkeit bekannt, wenn ich das ganz unbescheiden von mir sagen darf. Ich gebe weit mehr Geld für viel Dümmeres aus. Aber wenn aus einer Kleinigkeit eine Kleinlichkeit wird, dann ist meine Laune dahin.

Ja, liebe Betreiber meines Beinahe-Lieblingsrestaurants: Glaubt ihr im Ernst, in ein Restaurant Eurer (Preis-) Klasse käme irgendjemand, weil man da gratis Wasser trinken könne wie ein Kamel? Glaubt ihr im Ernst, dass das heute überhaupt noch jemand tut in einem Land mit unserem Wohlstand? Was ihr mir aber glauben dürft: Auch ausser mir gibt es einige mir bekannte Menschen, die nicht mehr zu Euch kommen, weil sie sich kleinlich behandelt fühlen, sobald einem das Hahnenwasser verrechnet wird. Das gilt zum Beispiel für die ersten fünf Personen, denen ich nach meiner Nichtreservierung von euch erzählt habe.

«Nicht umsonst sind die Zeiten vorbei, wo man für jedes Stück Brot zehn Rappen extra bezahlen musste.»

Umgekehrt weiss ich aus eigener Erfahrung und aus der Schilderung anderer, dass ein Restaurant auf der Sympathieskala sprunghaft nach oben rutscht, wenn einen die Bedienung, nachdem man ein «Mineralwasser ohne» bestellt hat, fragt, ob Hahnenwasser auch recht wäre. Gratis, natürlich.

Ich weiss, ich weiss, die Margen in Restaurantbetrieben sind echt kritisch. Aber man verbessert sie nicht dadurch, dass man jeden einzelnen Handgriff und jeden Krümel auf dem Teller einzeln profitabel macht, sondern dadurch, dass man das Insgesamt zum Stimmen bringt. Auf dass die Gäste begeistert gehen und erwartungsfroh wiederkommen. Und bereit sind, etwas teurere Preise zu bezahlen.

Nicht umsonst sind die Zeiten vorbei, wo man für jedes Stück Brot zehn Rappen extra bezahlen musste. So sei es vor Jahrzehnten im «Bluetige Duume» in Zürich gewesen, erzählte mir ein älterer Freund. Man hat damit ihn und andere Hungermäuler mit dünnstem Portemonnaie davon abgehalten, sich vom Brot des Hauses zu ernähren. Aber das gilt doch nicht für ein Restaurant eurer Preisklasse und eures Angebots!

An ihren Früchten sollt ihr sie messen! Es reicht ein einziger Beweis von Kleinlichkeit, und schon hält man jemanden für kleinlich. Und umgekehrt: Kleine Zeichen der Grosszügigkeit überstrahlen manch anderes und geben dem Gast das Gefühl, von einem rundum grosszügigen Gastgeber bewirtet worden zu sein. Da kommt man immer wieder gerne.

Also gäu, liebe Fast-Lieblingsbeiz, mein Versprechen gilt: Du offerierst das Hahnenwasser künftig ganz selbstverständlich gratis, ich bestelle dann auch den etwas teureren Wein und runde beim Trinkgeld sowieso auf. Und vor allem – ich komme wieder. Und ich empfehle Dich weiter, da du dich absolut nicht kleinlich zeigst.