Tourismuswelt

Die Klimadebatte wird das Luftfahrtgeschäft in den kommenden Jahren massgeblich beeinflussen. Die Frage ist nur, wie. Bild: Mariusz Slonski

Kommentar Werbeverbote für Flugreisen sind ein völlig falscher Ansatz

Jean-Claude Raemy

Politische Gruppierungen wollen Werbeverbote für umweltschädliche Transportmittel durchsetzen. Das bringt nichts, und doch scheinen solche Vorhaben in immer weiteren Kreisen Sympathien zu gewinnen. Dabei wäre es an der Zeit, die Klima-Debatte rund um die Luftfahrt nüchtern und zielorientiert zu führen.

Für immer mehr Menschen gelten Flugreisen als Inbegriff des umweltschädlichen Transports. Der Begriff «Flugscham» hat längst die Runde gemacht und inzwischen gehört es schon fast zum guten Ton, sich mit dem Verzicht auf Flugreisen zu brüsten. Für IATA-Chef Alexandre de Juniac ist die Klimadebatte längst «die grösste Herausforderung für die globale Luftfahrt», wobei er davon ausgeht, dass das Phänomen der «Flugscham» noch viele bisher noch davon nicht tangierte Märkte treffen wird.

Ein Hinweis, dass sich die Diskussion um die zukünftige Luftfahrt auch in der Schweiz radikalisiert, kam gerade neulich wieder aus Bern. Die Partei «Junge Alternative» hat dort eine Motion eingereicht, wonach Werbeplakate für Flugreisen und Autos auf Stadtberner Boden verboten werden sollen. Werbung – auch für Ferien in fernen Ländern - sei mit einem Warnhinweis zu versehen, wonach Fliegen der Umwelt und damit auch der Gesundheit dieser und künftiger Generationen schweren Schaden zufüge. Fliegen wird somit quasi in einen Topf mit Rauchen geworfen.

Was dies, mit solch einem limitierten regionalen Wirkungsrayon, bringen soll, ist fraglich. Erstaunlich ist aber nicht die Motion an sich, sondern die Antwort des Berner Gemeinderats: Dieser zeigt in einer Stellungnahme «Sympathien für dieses Anliegen», wie die «Berner Zeitung» schreibt. Allerdings will der Gemeinderat den Vorstoss nur in der unverbindlichen Form des Postulats entgegennehmen und sich für den Prüfungsbericht Zeit bis Ende 2026 nehmen. Zur Begründung schreibt er, die zurzeit geltenden Plakatierungskonzessionen liefen erst 2027 aus.

Die Junge Alternative hat übrigens kein Novum geschaffen. Bereits im März 2019 hatte die Grüne Lisa Mazzone eine Motion im Nationalrat eingereicht, welche für Hinweise auf Werbung für Flugreisen im Stile von «Achtung, dieses Produkt ist klimaschädlich» plädierte – auch hier wieder eine Parallele zum Handling von Raucherwaren. Der Bundesrat antwortete: «Eine sektorübergreifende Thematik wie die Klimaerwärmung sollte grundsätzlich durch sektorübergreifende Massnahmen und preisliche Anreize angegangen werden. Eine Vielzahl an branchenspezifischen Einzelregulierungen wie die Warnhinweise für Luftverkehrswerbung führt zu Überlappungen und hohen Vollzugskosten.» Allerdings hält der Bundesrat auch fest: «Die Umweltbelastung durch den Luftverkehr lässt sich nicht von der Hand weisen. Das gilt ebenso für das Problem von falschen Anreizen aufgrund von günstigen Ticketpreisen, die die externen Kosten nicht berücksichtigen.»

Die Politik muss jetzt Nägel mit Köpfen machen

Die beiden Beispiele zeigen: Das Klima-Problem der Luftfahrt ist nun definitiv auf der Agenda der Classe Politique, doch die bislang diskutierten Massnahmen sind kaum praktikabel oder ausgereift. Natürlich drängt die Zeit. Die grosse Frage lautet: Was ist sinnvoll, was ist zu radikal? Geht es nur mit radikalen Initiativen? Oder vergeht die «Klima-Hysterie» gar wieder?

Es reicht nicht, den Leuten ins Gewissen zu reden: Muss ich mich für meine Flüge wirklich schämen? Muss ich europaweit wirklich auf die Bahn umsteigen? Grundsätzlich wäre das vielleicht tatsächlich zu begrüssen – nur ist das «Flight-Shaming» der komplett falsche Ansatz. Darüber hinaus ist es sicher nicht hilfreich, wenn etwa der britische Prinz Harry als Poster-Boy für Travalyst auftritt – eine Initiative für umweltbewussteres Reisen, hinter welcher Reiseunternehmen wie Booking.com, CTrip, Skyscanner oder Tripadvisor stehen – und danach innert 11 Tagen vier Mal per Privatjet an Events reist.

Es braucht weder Weltuntergangs-Emotionalität noch Fake-Aktivismus, und ebenso wenig komplette Negierung von erhärteten Fakten zum Klimawandel oder «Whataboutism»: Es braucht Fakten, die an der Basis von prioritär behandelten Debatten liegen, eine aufrichtige Bereitschaft von Anbietern sowie von Konsumenten, den Status Quo aufzubrechen, und vor allem braucht es preislich vertretbare, im Alltag praktikable alternative Angebote.

Fliegen ist eine moderne Notwendigkeit und trägt wesentlich zum Wohlstand bei. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass es in der aktuellen Form nicht einfach weitergehen kann. Zurzeit sind 18 Prozent des Schweizer Anteils am Klimawandel auf den Flugverkehr zurückzuführen. In der Schweiz fliegt man doppelt so viel wie in den Nachbarländern, wobei mehr als 80 Prozent der Flugziele in Europa liegen. Werbeverbote sind aber eindeutig der falsche Ansatz, auch CO2-Abgaben (als Ticket-Gebühr oder erzwungene Kompensation), Nutzungszwang für synthetische Treibstoffe und dergleichen muss vielleicht diskutiert werden, sind jedoch allesamt keine positiven Anreize. Der Ball liegt eindeutig bei der Politik, welche nicht zum Spielball von radikalen Aktivisten oder Airline-Lobbys werden darf, sondern sich auf Fakten stützt und endlich eine Vision entwickelt, wohin die Reise gehen soll.