Tourismuswelt

Mit dem ersten vollständig LNG-betriebenen Kreuzfahrtschiff AIDAnova hat AIDA Cruises einen echten Coup gelandet, während andere Reedereien erst (zu) spät auf die Umweltthematik aufgesprungen sind. Bild: AIDA Cruises

Kommentar Fortschritt ist die beste Verteidigung

Effektiver Umweltschutz in der Tourismusindustrie ist vielfach noch von Ablenkungsmanövern, PR-Mühlen und Augenwischerei geprägt, gerade was Kreuzfahrten betrifft. Es ginge auch anders, wie einige Unternehmen beweisen.

Als Journalist mit Schwerpunkt Reisebranche hat man es dieser Tage nicht leicht. Man will ja eigentlich das Beste für jene Branche, die das eigene Medienprodukt nährt. Obwohl die Maxime «Don’t bite the hand that feeds you» im unabhängigen Journalismus sowieso problembehaftet ist, wird es erst recht schwierig, wenn ebendiese Hand Kritik von allen Seiten ausgesetzt ist. Und aktuell hagelt es Kritik im Bereich des Umweltmanagements und der Umweltauswirkungen der Tourismusbranche.

Eigentlich ist die Lösung ganz einfach: Man muss offen, ehrlich und faktenbasiert kommunizieren bzw. schreiben. Schwierig ist dies, weil natürlich nur schwierig an «ungemütliche Fakten» zu gelangen ist, insbesondere bei Grosskonzernen, und weil Heerscharen von PR-Agenturen dafür sorgen, dass stets nur die rosa Seite des Reisens in den Medien ist. Heerscharen von PR-Agenturen mit anderen Auftraggebern sorgen wiederum dafür, dass stets nur die negativen Seiten des Reisens in den Medien sind. Es gilt: Kühlen Kopf bewahren.

Wir haben schon im April dagegen angekämpft, dass der Tourismus aktuell im öffentlichen Diskurs so etwas wie der universale Sündenbock für alle möglichen Degenerierungen der modernen Gesellschaft – Umweltschutz, Tierquälerei, Oberflächlichkeit – hinhalten muss. Und doch schon damals auch darauf hingewiesen, dass sich der Tourismus selber, aus eigenem Antrieb, verbessern muss, sein Image aktiv pflegen und vor allem die Zeichen der Zeit erkennen muss: Es reicht nicht mehr, Umweltschutz als Feigenblatt zu nutzen, sich aussen grün zu geben ohne wirklich Prozesse anzupassen.

Echter Wandel bei den Cruise-Gesellschaften?

An vorderster Front kämpfen die Cruise-Gesellschaften gegen negatives Image. Klar, die 400+ Cruise-Schiffe machen gerade mal ein Prozent der globalen Schifffahrt aus. Aber nur darauf zu verweisen, dass andere Industrien noch schlimmere Umweltsünder sind bzw. dass man selber vergleichsweise nur für wenig Umweltverschmutzung verantwortlich ist, ist nur ein Ablenkungsmanöver. Ebenso wie alle diese Meldungen, wonach Reederei XY jetzt auch noch Plastikröhrchen verbietet. Mittlerweile haben dies wohl alle vermeldet. Ehre gebührt eigentlich nur der ersten, die dies aus eigenem Antrieb umgesetzt hat.

Die Cruise-Industrie treibt leider ohnehin oft gerne etwas Augenwischerei. Beispiel: Die «United Nations International Maritime Organization» erklärte schon vor zehn Jahren, dass man die Luftqualität dahingehend verbessern wolle, indem die Schwefelausstösse auf offener See per Gesetz reduziert werden. Deshalb soll der Schwefelgehalt im Schweröl von aktuell 3,5 auf 0,5 Prozent sinken. Einfachste Lösung: Schwefelarme Treibstoffe verwenden. Das Problem hierbei ist jedoch, dass dieser Treibstoff deutlich teurer ist als Schweröl, ein industrielles Abfallprodukt.

Die Lösung vieler Reedereien: Man installierte «Scrubber», also Partikelfilter, welche den Schwefel aus dem Abgas filtrieren. Dies liessen sich einige Reedereien einige Millionen kosten - was immer noch billiger als der Einsatz von schwefelarmem Treibstoff ist - und priesen dies als Anstrengungen im Umweltbereich an. Doch das heisst auch, dass das verpönte Schweröl weiterhin als Treibstoff eingesetzt wird. Im Falle einer Havarie ein Problem. Und was passiert mit den Abfall-Inhalten der Scrubber? Und vor allem: Wieso hat man nicht schon damals das viele Geld direkt in die Entwicklung emissionsarmer Technologien gesteckt?

Von den vier grössten Reedereien weltweit – Carnival, Royal Caribbean, Norwegian Cruise Line und MSC Cruises – nutzen fast alle eine Kombination aus Schwerölantrieb+Scrubber sowie einigen Schiffen mit schwefelarmem Treibstoff. Nur gerade bei Carnival findet sich auch emissionsarmer LNG-Antrieb - bei deren Tochtergesellschaft AIDA.

AIDA Cruises hat mit der AIDAnova im Dezember 2019 das erste rein LNG-betriebene Kreuzfahrtschiff in Betrieb genommen und wird bis 2023 mit zwei weiteren solchen Schiffen nachdoppeln. Auch diese Entwicklung hat zehn Jahre gedauert. Da hat also jemand die Zeichen der Zeit früh und richtig erkannt – und AIDA Cruises kann jetzt die Früchte ernten und mit stichhaltigen Argumenten, die gerade diese Woche in gesammelter Form nochmals durch die Weltpresse gingen, in Sachen Nachhaltigkeit im Cruise-Bereich klar punkten.

Es braucht immer noch externen Druck

To be fair: AIDA war erster, wird aber natürlich nicht die einzige Reederei mit etwas nachhaltigeren Prozessen und Ausstoss-armem Antrieb bleiben. Es sind rund 20 LNG-betriebene Schiffe in der Pipeline – Carnival, MSC, Disney, Royal Caribbean, TUI, Hurtigruten, Ponant, sie alle setzen jetzt auf die neue Technologie. Wäre das auch ohne öffentlichen Druck passiert? Wer weiss. AIDA hat jedenfalls früher als andere, als der öffentliche Druck noch deutlich kleiner war, in fortschrittliche Technologien investiert, statt in Methoden, um bestehende Zustände beizubehalten oder zu kaschieren.

Das kann man auf die gesamte Tourismusbranche extrapolieren. Die Unternehmen sollten sich weniger damit aufhalten, über Sinn und Unsinn der Forderungen der «Greta-Klimaaktivisten» zu wettern oder in der Defensive gegenüber – selbstverständlich oft auch haltlosen – Kritiken zu sein, sondern jetzt dafür sorgen, dass man wirklich etwas in Sachen Nachhaltigkeit bewegt, an unterschiedlichsten Fronten, und dies auch offensiv und glaubwürdig kommunizieren. Man kann nicht sofort alles richtig und besser machen, aber man kann daran arbeiten. Denn «Angriff», im Sinne von «etwas in Angriff nehmen», also Fortschritt zu schaffen, ist immer noch die beste Verteidigung.

(JCR)