Tourismuswelt

André Lüthi während einer Afrikareise in diesem Sommer – hier bei einer Begegnung mit Kindern am Fusse des Kilimanjaro. Bild: HO

Einwurf Predige ich Wasser und trinke Wein?

André Lüthi

Globetrotter Group CEO André Lüthi äussert sich zur Problematik Overtourism und setzt hinter Kurzreisen ein Fragezeichen.

In letzter Zeit äussere ich mich immer öfter kritisch zur Problematik, dass touristische Anziehungspunkte wie der Taj Mahal, Venedig, Luzern, Dubrovnik, der Machu Picchu und wie sie alle heissen an ihre Grenzen der Belastbarkeit kommen – weil immer mehr Menschen die Möglichkeit und das Glück haben, zu reisen.

Eigentlich etwas Wunderbares; und alle, ob Schweizer oder Chinese, haben das Recht zu reisen. Das erkennen dieser Problematik – verbunden mit einer gewissen Überforderung – ist das eine. Doch andererseits lebe ich vom Reisen und reise persönlich viel, geschäftlich wie privat. Predige ich Wasser und trinke Wein? Ja.

Doch es gibt nicht nur Wasser oder Wein. Warum? Es ist einerseits eine Tatsache, dass das Reisen ökologisch wie soziokulturell viele Negativeinflüsse mit sich bringt. Und ich trage meinen ganz persönlichen Teil dazu bei. Andererseits bin ich überzeugt, dass das Reisen sehr viel zur Völkerverständigung, zur Toleranz und zu gegenseitigem Respekt beiträgt. Dazu kommt, dass der Tourismus unzählige Arbeitsplätze auf unserem Planeten generiert und damit vielen Menschen eine Lebensgrundlage ermöglicht. Mit schlechtem Gewissen zu reisen, bringt nichts – da bleibt man besser daheim. Es spielt auch keine Rolle, ob man pauschal oder individuell reist, beides sind Formen des Tourismus mit ihren Sonnen- und Schattenseiten.

«Die Frage ist nicht ob, sondern wie wir reisen»

Aber wie können wir der Problematik Overtourism begegnen? Einfach nicht mehr zu reisen, wäre die Antwort. Was ein paar wenige umsetzen. Doch die Mehrheit der Menschen wird das Reisen weiterhin als wichtigen Lebens-Ausgleich sehen und immer noch reisen. Was dann? Ein grundlegender Ansatz ist, dass die Reiseveranstalter wie auch die Reisenden sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Und hier wäre doch ein kleiner erster Schritt, dass wir weniger, dafür längere Reisen unternehmen – anstelle vieler privater Kurztrips, nur weil das Fliegen gerade so günstig ist. Längere Reisen würden aber auch bedeuten, dass die Arbeitgeber auch mal vier Wochen Ferien am Stück gewähren oder zusätzlich unbezahlte Ferien ermöglichen. Hier müssen noch einige Arbeitgeber umdenken.

Denn eine längere Reise ist eine der besten Lebensschulen überhaupt – wenn man sich auf ein Land vorbereitet, sich auf die Kultur einlässt und sich eben auch Zeit dafür nimmt. Ich lernte am meisten auf Reisen – über mich, über den Umgang mit Menschen, über den Mut, auf Bauch und Herz zu hören, über die Fähigkeit, Steine, die auf unserem Weg liegen, als Chance zu nutzen und über die Einsicht, dass man immer wieder Fehler macht. Das Reisen und das Entdecken, es ist Teil von uns Menschen; die Frage ist nicht ob, sondern wie wir reisen. Vielleicht zukünftig etwas bewusster und anders. Weniger Wein wäre wohl die richtige Predigt.