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Wo die Riesen schwimmen lernen

Papenburg – das ist für viele die Meyer Werft, die Schmiede der Kreuzfahrtgiganten. Doch ein zweiter Blick lohnt sich: Das Ems-Städtchen zeigt verträumte Kanäle, echte Kerle und uralte Moorleichen.

"In Papenburg mögen wir keine Aufschneider. Hier fährst du zum Beispiel immer ein Auto oder ein Schiff kleiner, als du es dir leisten kannst", erzählt Hans-Wilhelm Mammes, der seine Gäste mit einem knackigen "Moin" empfängt. Längere Begrüssungsformeln gelten hier im deutschen Emsland, wenige Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt, als geschwätzig.

Hans-Wilhelm steuert die Gesine von Papenburg, eine Zwei-Mast-Brigg, die 1980 von Auszubildenden der Meyer Werft gebaut wurde. Den Chef dieser weltweit bekannten Schiffsschmiede, die mehr als 3000 Mitarbeiter beschäftigt, kennt Hans-Wilhelm gut. Der Werftboss schlendert nämlich gerne durch seinen 37'000 Einwohner zählenden Heimatort, trinkt ein Jever beim Hafenfest und schaut am Tag der offenen Tür bei der Gesine vorbei. Wenn die Gesine Probleme am Rumpf hat, dann schippert sie kurz rüber zur Meyer Werft und wird dort mit ihren 85 Tonnen Gewicht an den Kran gehängt. Hans-Wilhelm und seine Vereinskollegen können dann bequem an der Unterseite werkeln. "Das ist selbstverständlich", meint Hans-Wilhelm, "denn bei uns hilft man sich unter Nachbarn."

Durchs Zentrum des idyllischen Städtchens an der Ems plätschert der Hauptkanal, und wenn die Papenburger einen Schnack halten wollen, schallt ein kräftiges "Moin" übers Wasser. Wenns mehr zu besprechen gibt, trifft man sich auf einer der weiss gestrichenen Holzbrücken oder trinkt gemeinsam einen Bünting Tee in einem der vielen kleinen Cafés an der Kanalpromenade. Serviert wird gerne in feinstem Porzellan, Dekor "Ostfriesenrose" – eine Herausforderung für die groben, an Arbeit gewohnten Hände der Fischer und Bootsleute. Doch die Papenburger Teeliebhaber stört das nicht, denn beim Krabben pulen lernt man Feingefühl.

Global-Player des Schiffsbaus

Nicht immer war Papenburg ein solch idyllischer Ort. Vor rund vierhundert Jahren lebten hier die Torfstecher in fensterlosen Hütten aus Reisig und Heideplaggen. Die heutigen Papenburger verdanken ihren Torfstechern ihre Tradition - und ihre Kanäle. Jeder der damals ein Stück Moorland erhielt, musste am Kopfende seiner "Plaatze" ein Stück Kanal graben, so dass ein Netz von mehr als 45 Kilometern entstanden ist.

Heute spielt der Torf in Papenburg kaum noch eine Rolle. Der Motor der Stadt ist die Meyer Werft, ein Familienunternehmen seit sieben Generationen. Vieles dreht sich um diesen Global-Player des Schiffsbaus, der neue Arbeitskräfte, einen prosperierenden Dienstleistungssektor und ein reges Kulturleben in die Stadt brachte. Einheimische und Touristen finden nicht nur ein breites Angebot an Freizeit-Aktivitäten, sondern können auch komfortabel nächtigen.

Besonders stilecht bettet es sich im Hotel Alte Werft, das die ehemaligen Produktionsanlagen der Meyer Werft am Hafen in der Innenstadt nutzt. In der alten Maschinenbauhalle, in der noch heute die Laufkräne mit mächtigen Haken unter der Decke hängen, ist das schicke Restaurant Schnürboden untergebracht, in dem die Hotelgäste morgens ihr Frühstück geniessen und sich so auf einen spannenden Tag in Papenburg einstimmen können.

(JLE)