Destinationen

Ein Birdie zwischen den Birken

Litauen ist ein Geheimtipp unter den europäischen Golf-Destinationen. Es gibt nur wenige, aber dafür ausgezeichnete Kurse.

Aus dem Flugzeug bietet sich zumeist der beste Überblick über Länder, die man bereist: Aus sicherer Distanz lässt sich von oben gut ein erster Eindruck gewinnen. Und Golfplätze sehen aus der Luft ohnehin immer erstklassig aus. Das ist auch beim Anflug auf die litauische Hauptstadt Vilnius nicht anders – drei Golfkurse kann man von oben ausmachen. Man sieht von oben aber vor allem auch noch etwas ganz anderes, man sieht: Birkenwälder.

Litauen ist ein Land voller Birkenwälder. Sie ummanteln die Hauptstadt des kleinen baltischen Staates wie ein schützender Schal. Wer nach Vilnius möchte und nicht aus der Luft anreist, muss Dutzende – wenn nicht gar Hunderte – Kilometer Birkenwälder durchqueren. Für Golfer ist das eine entscheidende Information, denn es bedeutet: Wenn sie abschlagen, spielen sie durch – Birkenwälder.

Wasser und Bäume

Golf in Litauen ist tatsächlich fast immer ein Spiel zwischen den vielen weissberindeten Bäumen. Doch das hat seinen Reiz, denn es macht die insgesamt 54 Spielbahnen auf den drei Kursen, die es um die Hauptstadt Vilnius gibt, ausgesprochen schön – und gleichzeitig ausgesprochen schwierig. Der prominenteste und vermutlich auch am besten designte Kurs des Landes – insgesamt verfügt Litauen derzeit über lediglich sieben 18-Loch-Golfplätze – ist jener des „V-Club“. Dieser gehört zum Vilnius Grand Resort des russisch-israelischen Oligarchen Ben Brahms, von dem später noch die Rede sein soll, weil er eine durchaus illustre Persönlichkeit darstellt.

Der Kurs des V-Club wurde vom Amerikaner Bob Hunt nach Vorgaben der USPGA angelegt. Die 18 Löcher (Par 72) mit einer Länge von 6312 Metern (schwarze Abschläge) bis 5175 Metern (rote Abschläge) stellen durchwegs eine Herausforderung dar, denn so gut wie immer spielt Wasser eine Rolle und droht an den Rändern der Spielbahnen sowie abseits der gängigen Landezonen. Und wie gesagt: Immer warten rund um die Fairways auch dichte Birkenwäldchen, die ebenfalls ballfressende Monster sein können. Man sollte sicherstellen, dass man die Runde mit einem ausreichenden Vorrat an Bällen beginnt, um nicht mittendrin plötzlich mit leeren Händen am Abschlag zu stehen.

Das Vilnius Grand Resort verfügt mit dem Schweden Karl Grundin über den einzigen PGA-Pro Litauens. Das liegt daran, dass Geld hier – anders als bei den anderen Golfclubs des Landes – keine besonders grosse Rolle spielt. Denn es ist einfach vorhanden. Das wiederum liegt am Oligarchen Ben Brahms, der vor einigen Jahren hierher kam, das gesamte Resort von einer verstorbenen Verwandten übernahm und kräftig investierte.

Der Cousin von Abramovich

Ben Brahms also. Es handelt sich dabei um einen Künstlernamen – der richtige, eigentlich russische Familienname klingt in etwa wie „Abramovich“. Ja, Sie haben richtig gelesen – wie der Name des berühmten Besitzers der Londoner Fussballmannschaft von Chelsea. Denn Ben Brahms ist tatsächlich ein Cousin von Roman Abramovich, und man ahnt bereits, warum Geld im Vilnius Grand Resort keine dominierende Rolle spielt. Derzeit lässt Brahms, der höchst öffentlichkeitsscheu ist und sich im Dachgeschoss des Hotels eine weitläufige Penthouse-Suite einbauen liess, ein grosszügiges neues Clubhaus errichten. Es wird demnächst fertig gestellt und wirklich alles bieten, was eine moderne Club-Zentrale heutzutage können muss. Donald Trump kann das auf den 16 weltweit in seinem Besitz stehenden Golfplätzen auch nicht besser.

Fotografieren lassen möchte Brahms sich nicht. Doch die Resort-Gäste bekommen ihn ab und an beim Frühstück oder Abendessen zu Gesicht, das Brahms oft in einem der Hotel-Restaurants einnimmt. Mit viel Glück erwischt man den reichen Russen, der auch noch über Wohnsitze in Israel und England sowie über die litauische Staatsbürgerschaft verfügt, in grosszügiger Stimmung. Dann kann es schon geschehen, dass er für Begünstigte „Ben´s Bar“ im Hotelkeller öffnen lässt, die sonst verschlossen bleibt. Es handelt sich dabei um ein Etablissement, das man am besten als wundervolle Mischung aus Plüsch, Kitsch, Prunk und Pracht bezeichnet.

Dass Brahms über den nötigen finanziellen Rückhalt verfügt, tut dem weitläufigen Fünf-Sterne-Resort jedenfalls sehr gut. Es gibt zwei Badeseen mit Wassersport-Anlagen, ein ins Wasser gebautes Grillrestaurant namens Bora-Bora, ein Hallenbad sowie die üblichen Spa-Facilities. Die 18 Golf-Spielbahnen sind erstklassig gepflegt und halten in Sachen Design und Zustand mühelos mit den besten mitteleuropäischen Kursen mit. Aber wie gesagt: Sie sind ausgesprochen herausfordernd.

Offener im Capital Golf Club

Ein wenig leichter ist das Spiel da schon im Capital Golf Club, der sich rund 50 Kilometer von Vilnius entfernt über sanfte Hügel zieht. Birkenwälder umrahmen diesen Kurs nur zum Teil, man spielt zumeist über offenes Land. Der Platz (ebenfalls Par 72) besitzt an einigen Stellen durchaus ein wenig vom Flair britischer Linksgolfplätze, zumindest gilt das für die zweiten neun Spielbahnen. Hier kann man den Driver exzessiv zur Hand nehmen. Erstklassig auch hier: die Pflege. Das Clubrestaurant, ein etwas überdimensional ausgefallener Blockhüttenbau, verdient ebenfalls seine Meriten. Das Essen ist ausgezeichnet, und auf der riesigen Terrasse zu sitzen, sollten alle Golf-Gäste aus dem Westen Europas als Empfehlung verstehen. Ausserdem getestet: ein Gläschen Birkensaft zur Stärkung nach den ersten neun Bahnen. Geschmack: ausgezeichnet.

Direkt vor den Toren Litauens liegt der European Centre Golf Club, dessen Eigentümer von sich behaupten, auf ihrem Gelände über jenen geografischen Punkt zu verfügen, der als Mittelpunkt Europas anzusehen sei. Sie haben dort auch ein Monument errichtet, über dessen Geschmack man durchaus streiten mag – aber der Gedanke, sich nun am Mittelpunkt des Kontinents zu befinden, beflügelt das golferische Momentum durchaus ein wenig. Das ist auch gut so, denn wie im V-Club sind auch hier die Birkenwälder ein ständiger Begleiter. Der Platz (Par 72) ist ebenfalls anspruchsvoll, wenn auch insgesamt ein wenig bescheidener angelegt als die anderen beiden Kurse rund um Vilnius.

Günstige Golfferien

Golf in Litauen ist – wie auch der Aufenthalt – eine immer noch sehr günstige Angelegenheit. Die Greenfees in allen drei Hauptstadt-Clubs variieren zwischen 40 und maximal 50 Euro. E-Carts, Leihausrüstung und Trolleys sind ebenfalls preiswert. Der Service in den Clubs entspricht zumeist mitteleuropäischen Standards. Was unbedingt nötig ist: ein Leihauto, ohne das man in Litauen nicht besonders weit kommt. Ideale Basis für einen Golfurlaub ist das Vilnius Grand Resort an der Autobahn Richtung Westen des Landes, von dem aus man sowohl den Capital-Kurs wie auch den European-Centre-Kurs leicht erreichen kann. Auch die Hauptstadt Vilnius ist nur wenige Kilometer entfernt.

Stichwort Vilnius: Die Stadt ist sehenswert. Die alten Viertel und das Zentrum wurden mittlerweile mit EU-Geldern grösstenteils restauriert, hier pulsiert das Leben. Vilnius ist eine sehr junge Stadt mit unzähligen Strassencafés und Restaurants. Zwischen Mai und September lässt das Klima ein Leben draussen auf der Strasse zu, dementsprechend belebt sind die Fussgängerzonen der Innenstadt. Empfehlung für abendliches Dinieren: das Restaurant „Zoe´s“ direkt am zentralen Platz. Es gibt dort ausgezeichnete internationale wie auch litauische Küche, eine Tischreservierung ist allerdings ratsam.

Flüge von Zürich nach Vilnius: Germania Schweiz fliegt zweimal wöchentlich nonstop von Zürich nach Vilnius, am Donnerstag und Montag, www.germania.ch. Sowohl die Air Baltic wie auch die Lufthansa oder die polnische LOT, die Swiss sowie Austrian bieten Vilnius Flüge an – mit Zwischenstopps in Riga, Frankfurt, Amsterdam, Wien oder Warschau.

Die drei Golfplätze um Vilnius:
The V Golf Club
Capitals Golf Club
European Centre Golf Club

Sehenswürdigkeiten in und um Vilnius:

Trakai Castle: Die mittelalterliche Wasserburg befindet sich auf einer Insel zwischen dem Galvesee, dem Lukasee und dem Totoriskessee und war einst Machtzentrum der drei baltischen Staaten. Sie wurde vor einigen Jahren völlig neu aufgebaut.

Altstadt: Die denkmalgeschützte und fast komplett renaturierte Altstadt lädt mit zahlreichen historischen Bauten, romantischen Plätzen und Strassencafés zum Flanieren ein.

Holzhaus-Viertel: Ein besonderes Viertel von Vilnius ist jener Stadtteil, der ausschliesslich aus alten Holzhäusern besteht, von denen sich einige noch im Urzustand inmitten verwilderter alter Gärten befinden.

KGB-Museum: Ein Teil der jüngeren Geschichte Litauens; vor allem die heutige Generation besucht das Gebäude mit sehr gemischten Gefühlen. Touristen bietet es einen interessanten Einblick in die frühere russische Repression.

(SW)