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Sylt: Golfen im Aufwind

Auf den vier Golfplätzen der deutschen Ferieninsel Sylt braucht es gute Nerven — nicht weil sie überlaufen sind, sondern wegen der fast stetig wehenden Brise.

„Händ Sie noh Bäll?“, fragt mich ein Schweizer gleich im Anschluss an die Runde auf dem Budersand-Platz im Süden von Sylt. Bei Regen und Windstärke vier und mehr hatte ich einfach aufgehört zu zählen, wie viele Bälle im hohen Gras verschwunden sind. Der schwierige Links-Platz und die für uns ungewohnten Winde haben ihren Tribut gezollt. Ein spezielles Erlebnis ist der jüngste Platz auf der Ferieninsel Sylt aber allemal. Wo früher die Bundeswehr stationiert war, entstand ein klassischer Links-Course und obwohl das ganze Gelände neu gestaltet wurde, sieht die Umgebung aus, als wäre sie schon immer hier gewesen.

Dabei war enorm viel Vorarbeit nötig: Unter anderem mussten 28 Militärgebäude abgerissen und Fundamente eines überwucherten Seefliegerhorstes entfernt werden. „Wir fanden zugeschüttete Kellergewölbe, in denen sogar alte Autos verrosteten“, erzählt mir der Golfplatzarchitekt Rolf-Stephan Hansen. Das gesamte Erdreich musste abgetragen und per Schiff von der Insel geschafft werden. Der riesige Aufwand hat sich gelohnt: Neben praktisch allen Fairways liegen kleine Hügelketten und der sandige, harte Boden ergibt ein ganz eigenes Spiel. Typisch für Links sind auch die 95 Topfbunker, doch angesichts des heftigen Windes waren wir auch schon froh, den Ball überhaupt im Bunker zu finden

Die Sylter sind einiges gewohnt

„Sturm haben wir hier erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben“, so Golfplatzmanager Harald Holle. Zum Glück ändert sich das Wetter auf der Insel jeweils sehr schnell und in der Sonne glänzt der Platz mit den üppigen Heideflächen und dem schönen Ausblick auf das Wattenmeer. Speziell etwa das Loch 15: Das kurze Par 3 liegt direkt an der See. In weiter Ferne sind die Inseln Föhr und Amrum zu sehen. Dazwischen liegt der endlose Sandstrand. 

Golferisch bleibt der Platz bei jedem Wetter anspruchsvoll, das zeigt das Slope-Rating von hohen 139. Dafür stehen gleich sechs verschiedene Abschlagboxen zur Verfügung. Offiziell wird ein Handicap 36 verlangt, doch die Gäste des gleichnamigen Boutique-Hotels Budersand dürfen auch mit Platzreife auf den Course. „Diesen Golfern empfehlen wir dann, ganz weit vorne abzuschlagen, sonst macht es keinen Spass“, sagt der Hoteldirektor Rolf Brönnimann, der selber noch am Anfang seiner Golferkarriere steht. Der Schweizer war unter anderem im Edelresort Terre Blanche in der Provence tätig und hat mit seiner Swiss Hospitality Group auch das Konzept des sehr geschmackvoll designten Fünf-Sterne-Superior-Hotels Budersand entwickelt.

Insgesamt gut 50 Millionen Euro investierte die Wella-Erbin Claudia Ebert in Hotel und Golfplatz. Entstanden ist ein echtes Juwel und der klar beste Course auf der Edelinsel. Mit dem wöchentlichen Direktflug von airberlin von Zürich nach Sylt dürfte der Anteil der Schweizer Gäste deutlich steigen, erhofft sich Brönnimann. Früher sei die Lieblingsinsel der Deutschen ein „Selbstläufer“ gewesen, doch gerade bei den Fünf-Sterne-Hotels ist die Konkurrenz mittlerweile gross und gleich sieben Restaurants mit einem Michelin-Stern kämpfen um die Kundschaft.

Blick aufs Wattenmeer

Für golfende Gourmets gibt es neben Budersand noch drei weitere Plätze, die auf der kleinen Insel alle schnell zu erreichen sind. Speziell ist etwa der Golfplatz Morsum, der bereits 1964 von Verleger Axel Springer initiiert wurde und heute noch als eigentlicher Privatclub geführt wird. Niemand weiss, wie viel die Mitglieder bezahlen, und „logischerweise“ haben die Members den Vortritt vor den Gästen. Auch wenn diese eine Abschlagzeit reserviert haben.

Clubmanagerin Sabine Nielsen weiss „ziemlich genau, wer von unseren Mitgliedern im Moment gerade auf der Insel ist“, und so kann sie bei den jährlich gut 3000 Greenfee-Spielern etwas vor- und nachgeben. Für 85 Euro bekommen die Gäste eine Runde auf dem sehr natürlich und schön angelegten Platz im Osten der Insel. Auch hier sieht man öfters aufs Wattenmeer und seit vier Jahren stehen neun zusätzliche Löcher mit mehreren Seen zur Verfügung.

Insgesamt dominieren aber Heidelandschaften und viele Wiesen. Nur wer die Fairways trifft, hat überhaupt eine Chance, die Bälle zu finden. Insgesamt ist der Platz aber deutlich weniger anspruchsvoll als etwa Budersand und vor allem sind die Grüns deutlich langsamer. Dies sei der Wunsch der Mitglieder, erläutert die Clubmanagerin – schliesslich seien die allermeisten schon etwas älter und nähmen das Spiel eher gemütlich. Trotzdem sind vor allem die Par 3 recht anspruchsvoll. So sind beispielsweise die Bahnen 5 und 13 ab Gelb je rund 180 Meter lang und gelten trotzdem als leichte Löcher

Sportliche Marine

Speziell ist auch der Marine-Golf-Club Sylt gleich nebendem Flugplatz von Westerland. Wo vor vielen Jahren die britische Luftwaffe einen kleinen Sechs-Loch-Platz errichtet hatte, steht nun ein ausgewachsener 18-Loch-Course und der Club ist als einziger in Deutschland als Genossenschaft organisiert. Auch hier dominieren die kleinen Dünen und entsprechend „verkauft“ sich der Platz als „Links-Course“. Allerdings ist die Küste weit weg und das Meer kaum zu sehen. Mit schnellen und stark ondulierten Greens macht der Marine-Platz dieses Manko wieder wett und auch der nahe Flughafen stört kaum.

Auch (fast) ohne künstliche Wasserhindernisse bleibt der Platz genügend anspruchsvoll und ab Weiss erstreckt er sich über 6300 Meter. Mit 555 Metern ist die Bahn 14 das deutlich längste Par 5 und gleich danach entschädigt das wunderbar in die Dünen gelegte Green Nummer 15 für die etwas weniger schöne Aussicht auf ein paar Industriehallen.

Zurück im Clubhaus warten die typischen Strandkörbe und auch wenn es ausnahmsweise einmal nicht windet, sind die Zweierbänke äusserst gemütlich. Wie überall auf der Insel war auch hier der Service bei unserem Besuch ausgesprochen freundlich und zuvorkommend.

Praktisch in der Nachbarschaft zum Marine-Golf-Club liegt der vierte Platz der kleinen Insel: Der Golf-Club Sylt ist relativ einfach zu spielen und besticht vorab durch den speziellen Blick auf den grossen Leuchtturm „Rotes Kliff“. Von den Spielbahnen 3 und 4 sieht man zudem auf das Wattenmeer, bis zum Morsum-Kliff. Die ersten neun Bahnen sind relativ nahe beieinander und so liegen verzogene Bälle meist spielbar auf einem anderen Fairway. Der Platz wird vom Naturschutzgebiet Braderuper Heide begrenzt und bietet selber Biotope, etwa für Arnika und Strandheide.

Neben dem 18-Loch-Platz bietet der Golf-Club Sylt auch noch einen Sechs-Loch-Übungsparcours, und einen Besuch wert ist sicher das Clubhaus mit dem für Sylt typischen Reetdach.

(SW)