Destinationen

Reif für die Insel

Artur K. Vogel

Wer der Kälte entfliehen möchte, findet auf der Insel Mauritius im Westen des Indischen Ozeans alles, was Bade- und Erlebnisferien ausmacht.

Reine Badeferien, ein, zwei Wochen in einem Resort, aus dem man sich nie wegbewegt – das war einmal. Meint jedenfalls Jenyfer Suntoo von der Mauritius Tourism Promotion Authority. «Immer mehr Leute begnügen sich nicht mit Badeferien, sondern wollen etwas erleben.» Das gelte vor allem auch für die Schweizer, sagt sie. Deren Zahl ist in den letzten Jahren konstant gestiegen, und sie sind in Mauritius hoch willkommen: Schweizer, sagt die Tourismusfrau, seien an Natur, Land und Leuten interessiert und gäben überdurchschnittlich viel Geld aus.

Natürlich ist Mauritius vor allem für seine luxuriösen Resorts bekannt. Drei Beispiele: Das Trou aux Biches, versteckt in einem Palmenhain, mit einem Sandstrand bis zum Horizont, verkauft sich als «romantischstes Hotel auf Mauritius» und hat eine treue Schweizer Kundschaft. 2010 ist es völlig neu gebaut worden. Das kleine, feine Constance le Prince Maurice, von vielen als exklusivste Destination in Mauritius betrachtet und von der Constance-Gruppe als «Flaggschiff» bezeichnet, liegt in einer Lagune im Osten der Insel und vermietet unter anderem Villen, die auf Stelzen im Wasser stehen. Abends kann man, sanft schaukelnd, in einem Restaurant auf fünf Pontons unter weissen Segeln speisen. Das Shanti Maurice schliesslich, im Süden der Insel, war früher ein reines Ayurveda-Hotel. Die Therapien im Spa-Bereich - es soll der grösste im westlichen Indischen Ozean sein - spielen immer noch eine wichtige Rolle. Man kann im Shanti aber auch normale Ferien verbringen, am Strand, an den Pools, in den Bars.

Doch die Insel nicht zu erkunden, wäre eine Unterlassungssünde. Ein Ausflug etwa, den man nicht verpassen sollte, führt nach Chamarel in den Bergen im Südosten. Dort gibt es ein einmaliges Naturphänomen zu besichtigen, die «Terres des sept couleurs» (siebenfarbige Erden), eine völlig vegetationslose Hügellandschaft mit einem farbigen Streifenmuster, das von oxidierten Metallen wie Eisen und Aluminium stammt.

Wenn man schon in dieser lieblichen Gegend ist, sollte man die Rhumerie de Chamarel besuchen, eine moderne, architektonisch reizvolle Rumdestillerie, wo seit 2008 Zuckerrohrschnäpse hergestellt werden, die schon diverse internationale Preise eingeheimst haben. Wer von Dienstag bis Freitag kommt, kann den Arbeitsprozess vom Auspressen der Zuckerrohre bis zur Destillierung mitverfolgen. Die Brennerei dient gleichzeitig als Museum, und am Schluss der Führung wird man zur Degustation der Schnäpse geladen, die überraschende Duftnoten entfalten und von unterschiedlicher Farbe sind. So gestärkt, lässt man sich gern zurückfahren ins Resort, um dort, am feinen Sandstrand unter strohgedecktem Sonnenschutz, den hochprozentigen Alkohol wieder auszuschwitzen.

Aufregende Vielfalt

Mauritius ist mit rund 2000 Quadratkilometern etwa gleich gross wie der Kanton St. Gallen und mit 1,2 Millionen Menschen folglich sehr dicht besiedelt. Das merkt man spätestens, wenn man irgendwo rund um die Hauptstadt Port Louis (160‘000 Einwohner) im Verkehrsstau stecken bleibt. Dafür ist das Leben auf Mauritius - das einst französische, dann britische Kolonie war - von aufregender Vielfalt. Schon nur die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung: Rund zwei Drittel der Mauritier stammen vom indischen Subkontinent; ihre Vorfahren wurden einst von den Briten als Kulis und Hausangestellte ins Land gebracht, während auf den Zuckerrohrplantagen Sklaven aus Afrika schufteten. Heute wird auf Mauritius Kreolisch geredet; Englisch und Französisch sind sehr weit verbreitet.

Hindu-Tempel finden sich über die ganze Insel verstreut, der grösste von ihnen an einem See namens Le Grand Bassin. Er ist Shiva und seiner Familie geweiht, deren Mitglieder in zahlreichen, farbenfrohen Statuen repräsentiert sind. Gläubige legen Blumen nieder, stecken Kerzen an und trinken Wasser aus dem See. Die ethnischen Inder diktieren auch das politische Leben und spielen in der Wirtschaft eine überproportionale Rolle. Die Kreolen hingegen, afrikanisch-europäische Mischlinge, die ein knappes Drittel der Bevölkerung ausmachen, sind untervertreten.

Mitten in den Zuckerrohrfeldern von Beau Plan, in der Gemeinde Pamplemousse, befindet sich ein spektakuläres Museum, L’Aventure du Sucre. Es erzählt die Entwicklung der Zuckerproduktion, einst das wichtigste Exportgut von Mauritius. Auch die ganze, wechselvolle Vergangenheit seit der ersten holländischen Besiedlung 1598 wird dargestellt: die Ankunft der Franzosen 1715, welche Mauritius «Île de France» nannten, und deren Vertreibung durch die Briten 1810. Zudem widmet sich das Museum der Tragödie der Sklaven und wird damit zu einem wichtigen Zeugen einer düsteren Geschichte.

Ganz neue Geschichte lässt sich im Vallée de Ferney im Südosten der Insel erleben. Hier soll ein Wald in seinen ursprünglichen Zustand versetzt, das heisst: im Lauf der nächsten Jahrzehnte von allen invasiven Pflanzen befreit werden. Dass dieser Naturpark überhaupt noch existiert, ist zivilem Widerstand zu verdanken, «vielleicht der ersten mauritischen Bürgerinitiative überhaupt», wie unser Führer erzählt. Mitten durch das lauschige Tal mit ungestörter Meersicht wollte eine frühere Regierung eine Autobahn bauen. «Dann wären die Gäste vom Flughafen aus eine halbe Stunde früher in ihren Hotels im Osten gewesen», sagt der Führer - und dafür wäre eine der letzten intakten Kulturlandschaften auf Mauritius zerstört worden.

Die Proteste hatten Erfolg: Kurz vor Baubeginn gab es Wahlen, und die Regierung, die den Strassenbau gegen den Willen der Bevölkerung hatte durchpeitschen wollen, wurde abgewählt.