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Die Schweiz und ihre konkurrierenden Hotelrankings
Artur K. VogelWer in einem Schweizer Hotel absteigt und sich als Journalist outet, wird gern in eine Diskussion über Hotelrankings verwickelt. Denn die Szene ist im Umbruch: Karl Wild publizierte seine Liste der 100, später 125 oder 150 besten Hotels erstmals 1997 in der «Bilanz». Ab 2002 arbeitete er als freier Mitarbeiter an einer jährlichen redaktionellen Beilage der «SonntagsZeitung» (SoZ) mit. Seit 2012 erscheint sein Hotel-Rating zusätzlich als Buch. In der «Bilanz» veröffentlicht Karl Wilds ehemaliger Mitarbeiter Claus Schweitzer weiterhin jedes Jahr seine Rangliste der 300 besten Hotels in der Schweiz und Europa.
Unlängst gab Karl Wild (77) sein Lebenswerk an den ausgebildeten Hotelier Andrin Willi weiter, als Gastro-Journalist, Buchautor und «Genussaktivist» bekannt. Es erscheint nun nicht mehr im redaktionellen Teil der SoZ, sondern als bezahlte Verlagsbeilage in der «NZZ am Sonntag». «Als Karl Wild uns mitteilte, dass er aufhören will, haben wir nach einem Ersatz gesucht», sagt der zuständige SoZ-Redaktor Dominic Geisseler. Man wurde mit Carsten Rath handelseinig, einem erfahrenen ehemaligen Hotelier im Fünfsterne-Segment, Buchautor, Keynote-Speaker und Managementberater.
Carsten Rath gibt zusammen mit seinem Sohn David «101 beste Hotels Deutschlands» heraus und präsentierte im Frühling 2025 in der SoZ und ihrem Schwesterblatt «Le Matin Dimanche» erstmals die «101 besten Hotels der Schweiz». Auch diese erscheinen zusätzlich als Buch. Die SoZ hat für die «101 Besten» einen Beirat gegründet, der prominent besetzt ist, u.a. mit dem Direktor von Schweiz Tourismus, Martin Nydegger, und dem neuen Direktor von HotellerieSuisse, Christian Hürlimann.
Umfragen und Tests
Das Andrin Willi Hotelrating stützt sich auf die Hotelleriesuisse-Klassifikation und Gästebewertungen auf Online-Plattformen, Investitionstätigkeit, Managementqualität, Lage und den Gesamteindruck bei Hotelbesuchen. «Ich leite eine Redaktion von neun Testpersonen», antwortete Andrin Willi auf entsprechende Fragen. «An unseren Redaktionskonferenzen besprechen wir die Beurteilungen und ordnen die Bewertungen zusammen ein.»
Claus Schweitzer basiert sein «Bilanz»-Ranking auf vier Säulen: rund 400 Testbesuche (hälftig Hotel-Einladungen und Inkognito-Tests), Umfrage unter Schweizer Hoteliers, Analysen von Publikationen und Portalen und die Einschätzungen von Kennern.
Das Ranking der «101 Besten» basiert zu je einem Drittel auf Gästebewertungen auf Online-Plattformen, Auszeichnungen etablierter Publikationen sowie Prüfergebnissen von unabhängigen Hotelexperten. Ausgewertet werden die Daten nicht von Einzelpersonen oder einer Redaktion, sondern an der IU Internationale Hochschule München.
Verdeckt oder angekündigt?
Durchgeführt werden die Tests für die «101 Besten» von der Firma HME Hospitality Marketing & Events GmbH. «Unsere Hoteltests erfolgen stets inkognito und streng vertraulich», sagt HME-Geschäftsführerin Johanna Seiler. Deshalb gebe man die Namen der Tester nicht bekannt. Laut Carsten Rath wird vertraglich ausgeschlossen, dass Tester in einer Geschäftsbeziehung zu den zu testenden Hotels stehen.
Die Liste der Tester für Willis Hotelrating hingegen wird veröffentlicht. Unter ihnen finden sich Andreas Schneider und Bernd Schmellenkamp. Schneider ist Inhaber der PR-Firma F+W Communications GmbH in Bern und betreut laut Webseite mehrere Hotel-Mandate. Schmellenkamp, Besitzer einer Kommunikationsfirma im Wallis, unterstützt laut seinen Angaben in Linkedin auch Hotels kommunikativ. Pikant: Er arbeitete einst kurz für «101 beste Hotels Deutschland», jedoch nie als Hoteltester, wie Carsten Rath betont, sondern im Bereich Social Media.
Andrin Willi beteuert die Unvoreingenommenheit seiner Tester: «Hotels, die sie in irgendeiner Form beraten oder für die sie tätig sind, testen sie nicht. Wir haben einen Code of Conduct und Spielregeln, die unser Verhalten für beide Seiten (also auch für die Hoteliers) klarstellen sollen. Wir sind journalistisch tätig und verhalten uns wie normale Gäste.»
Tester und Biograf
Zu Zeiten Karl Wilds wurden die verschiedenen Interessen nicht immer so sauber getrennt. So traf der Autor dieses Artikels den Kollegen Wild vor ein paar Jahren im Hotel Vereina in Klosters. Wild hatte sich dort installiert, um eine Biografie des Besitzers Stefan Götz zu schreiben, eines ziemlich umstrittenen Immobilienunternehmers aus Zürich. Die Biografie erschien 2021 unter dem Titel «Ich kam aus dem Nichts – Erinnerungen von Immobilienkönig Stefan Götz». Gleichzeitig tauchte das Hotel Vereina in Karl Wilds Ranking der besten Winterhotels auf.
«Wie im Reisejournalismus üblich, sind wir eingeladen und weisen das auch deutlich aus», führt Andrin Willi aus. Laut ihm «spielt es überhaupt keine Rolle, ob wir den Hotels im Nachgang eine Rechnung für unseren sogenannten Mystery-Check senden würden oder ob wir uns im Vorab anmelden (…). Wir sind erfahren genug, uns nicht blenden zu lassen.»
Falls Willis Seitenhieb auf die Konkurrenz der «101 Besten» abzielen sollte, reagiert Carsten Rath vehement: «Der Vorwurf, dass wir nachträglich oder überhaupt eine Rechnung für einen Mystery-Check stellen, ist schlichtweg falsch. Es handelt sich um eine Behauptung, die übler Nachrede gleichkommt.» Die prämierten Hotels erhalten zwar die Möglichkeit, zusätzliche Auftritte und Leistungen zu erwerben. Aber dies erst nach Bekanntgabe der Rangierung, in keinem Fall als deren Voraussetzung, wie Rath und Geisseler betonen.
Ähnliche Resultate
Erstaunlich ist, dass die drei Rankings unterschiedlich vorgehen, die Resultate sich jedoch ähneln: Hotel des Jahres 2025/26 ist bei Andrin Willi das Bergwelt Grindelwald Alpine Design Resort, zum Hotelier des Jahres wurde Kurt Baumgartner vom Hotel Belvedere in Scuol (GR) gekürt, zum Koch des Jahres Franz W. Faeh vom Gstaad Palace.
In der «Bilanz» schwingt das Gstaad Palace als bestes Ferienhotel obenaus. Das Beau-Rivage Palace in Lausanne gewinnt bei den Stadthotels, vor dem The Dolder Grand in Zürich. Zuoberst auf der Rangliste 2025 der «101 Besten» in der SoZ finden sich The Dolder Grand als Business Hotel, The Alpina Gstaad als Ferienhotel und Bergwelt Grindelwald als Entdeckung.
Neben den drei Hotelrankings gibt es eine Reihe weiterer Auszeichnungen. So kürt der Guide Gault Millau ein «Hotel des Jahres»: Soeben erhielt das Badrutt’s Palace in St. Moritz diese Auszeichnung. Am Hospitality Summit in Zürich wurde bisher der Award «Hotelier des Jahres» vergeben, dieses Jahr an Michael Smithuis, Direktor des Fairmont Le Montreux Palace. Smithuis, der auch Präsident der Swiss Deluxe Hotels ist, hat punkto Hotelrankings eine klare Präferenz geäussert: «Die Marke ‘Die 101 besten Hotels’ hat mit ihrem transparenten und unabhängigen Ranking eine originäre Benchmark zur Orientierung für Gäste und Hoteliers geschaffen, die bis dato nicht existent war. Das Ranking war, jenseits von persönlichen Eindrücken und Einzelmeinungen, seit Langem überfällig.»