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Die Wagenburg-Mentalität der Airlines
Gregor WaserWährend die internationalen Airlines mit 800 oder 900 km/h um den Planet düsen, hält sich ihr Tempo bei der Bearbeitung von Beschwerden und Reklamationen in Grenzen. Wer sich schon einmal um verlorengegangenes Gepäck oder um eine Rückerstattung kümmern musste, kann ein Lied davon singen. Die Antwortzeiten sind in der Regel sehr lange. Und das wird sich künftig nicht ändern.
Seit dem 1. Juni 2024 leitet Walter Kunz die Ombudsstelle der Schweizer Reisebranche. Nachdem er die Beschwerdestelle neuerdings auch für Reklamationen aus der Schweizer Hotellerie betreibt – und von der Hotellerie und Parahotellerie mitfinanziert wird –, suchte Kunz auch das Gespräch mit dem B.A.R., dem Board of Airline Representatives in der Schweiz und machte diesem eine Offerte.
Schliesslich treffen eine Vielzahl an Airline-Fällen bei der von der Reisebranche finanzierten Ombudsstelle ein. Im «Travel News Talk» vom 13. September 2024 hielt Kunz dann aber fest, dass die Airline-Vereinigung und deren Mitglieder nicht gewillt seien, die Dienste der Ombudsstelle zu nutzen und diese finanziell mitzutragen, obwohl der jährliche Beitrag pro Airline kaum 1000 Franken betragen hätte.
So werden künftig also nur noch jene Airline-Kunden von der Ombudsstelle der Schweizer Reisebranche betreut, die ihre Flugbuchung über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter getätigt haben, nicht aber Direktbuchende – was auch bald auf der Webseite der Ombudstelle explizit ausgewiesen wird.
Die Antwort des B.A.R.
Travelnews wollte vom B.A.R. wissen, wieso es nicht zur Zusammenarbeit mit der Ombudstelle kommt. «Die bestehenden Beschwerde- und Klagemöglichkeiten bieten bewährte und wirkungsvolle Instrumente zur Durchsetzung der Passagierrechte», sagt Ricardo Aresu, Executive Officer B.A.R. Switzerland. «Eine zusätzliche Behandlung durch den Ombudsmann der Reisebranche ist für Airline-Passagiere weder gesetzlich noch regulatorisch vorgesehen.» Den Entscheid der B.A.R.-Mitglieder, auf die Offerte des Ombudsmans nicht einzugehen, kommentiert er nicht.
Zum benötigten Vorgehen von Airline-Passagieren sagt Aresu: «Wir bitten unsere Fluggäste, sich im Falle von Problemen immer zuerst an den Kundendienst der jeweiligen Airline zu wenden. Aufgrund der hohen Nachfrage, insbesondere während saisonaler Spitzenzeiten, kann die Bearbeitung von Anfragen jedoch mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Sollte das Ergebnis des Kundendienstes nicht zufriedenstellend sein, steht es den Passagieren frei, sich an das BAZL als zuständige Durchsetzungsstelle für Passagierrechte in der Schweiz zu wenden oder den Weg über die Zivilgerichte zu beschreiten.»
Das sagt der Ombudsman
Zur B.A.R.-Antwort, die Beschwerde- und Klagemöglichkeiten böten bewährte und wirkungsvolle Instrumente, sagt Walter Kunz: «Die Erfahrung zeigt: wer wegen Verspätungen, Flugausfall oder verlorenem Gepäck bei einer Airline vorstellig wird, beisst meistens auf Granit. Viele Fälle landen dann bei uns. Sieben der zehn letzten Fälle der vergangenen Tage sind Beschwerden, die sich um Airlines drehen.»
Er sei über den Entscheid der Airlines weder überrascht noch enttäuscht. Enttäuscht sei er vielmehr über das Verhalten der Airlines, wie sie mit ihren eigenen Kunden umgehen. Er gehe davon aus, dass die Airlines es darauf anlegen, dass Passagiere aufgrund langer Wartezeiten beim BAZL einen Fall gar nicht erst weiterziehen. Dazu sagt Kunz, dass sich das BAZL nur um Fälle kümmere, bei denen es um die Passagierrechte geht: «Diese betragen allerdings gerade mal 50% der eingereichten Dossiers. Fälle wie Gepäckverlust, Zahlungsprobleme etc. nimmt das BAZL nicht entgegen.»
Airline-Kunden können sich künftig also nicht mehr an die Ombudsstelle wenden, wenn sie nicht über ein Reisebüro gebucht haben – was im Umkehrschluss für Reisebüros aber heisst: Sie können bei einer Airline-Buchung den Mehrwert ausweisen, eine Hilfestellung via Ombudsstelle anbieten zu können, sollte es zu Problemen kommen.
Fazit: alles in allem ist es schade, dass es künftig keine einheitliche Anlauf- und Schlichtungsstelle für Reisende in der Schweiz gibt, die mit einer Airline, einem Hotel oder einem Reiseanbieter im Clinch stehen. Denn die Erfahrung zeigt: die Ombudsstelle der Schweizer Reisebranche findet in vielen Streitfällen einen guten Kompromiss, mit dem beide Seiten gut leben können. Und die Ombudsstelle hätte für Airlines eine willkommen Puffer-Funktion einnehmen können. Nur wollen die Airlines aber davon nichts wissen, was einer Wagenburg-Mentalität gleichkommt.