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So viel lässt sich in der Reisebranche verdienen
Reto SuterEs ist unbestritten: Der Lohn gehört in der Schweiz zu ganz grossen Tabu-Themen. Nur die wenigsten Menschen sprechen hierzulande offen und ehrlich über ihren Verdienst – nicht einmal im engsten Freundeskreis.
Das Lohnbuch Schweiz, das einmal jährlich erscheint, bietet zwar nicht die komplette Transparenz, was Verdienstmöglichkeiten betrifft. Es gewährt aber einen umfassenden Einblick zu Branchen-, Berufs- und Mindestlöhnen fast sämtlicher Branchen und Berufsgattungen.
Die über 9400 Lohnangaben stammen aus Gesamtarbeitsverträgen sowie Empfehlungen und Statistiken schweizerischer Berufs- und Arbeitgeberverbände. Was effektiv auf dem Arbeitsvertrag steht, ist dann wieder eine andere Frage – besonders, wenn der Arbeitgeber keinem Gesamtarbeitsvertrag verpflichtet ist.
Im Lohnbuch Schweiz 2024 hat auch die Reisebranche ihren Platz. Für verschiedene Berufe ist der so genannte Medianlohn gelistet. Dabei handelt es sich um jenen Lohn, der sich genau in der Mitte der Verteilung befindet. Das heisst, die Hälfte aller Arbeitnehmenden verdient weniger, die andere Hälfte mehr als den Medianlohn.
Am lukrativsten ist der Filialleiter-Job
Das Lohnbuch Schweiz unterscheidet in der Reisebranche zwischen vier Jobprofilen: dem Fachmitarbeitenden Reservations/Operations bei einem Reiseveranstalter, dem Sachbearbeitenden Product Management bei einem Reiseveranstalter, dem Fachmitarbeitenden Verkauf in einem Reisebüro und dem Reisebüro-Filialleiter.
Am meisten zu verdienen gibt es für die Filialleiter. Das Lohnbuch weist für sie einen mittleren Bruttolohn von 6450.45 Franken pro Monat aus. An zweiter Stelle folgen die Product Manager – mit einem Medianlohn von 5900 Franken.
Ein gutes Stück weniger verdienen die Verkäuferinnen und Verkäufer im Reisebüro. Ihr mittlerer Bruttolohn beträgt 5123.90 Franken pro Monat. Schlusslicht sind die Mitarbeitenden im Bereich Reservation/Operations. Bei ihnen liegt der Medianlohn bei 5060.50 Franken.
Soweit die Auflistung im Lohnbuch. Travelnews wollte wissen, wie nahe an der Realität die aufgeführten Löhne sind und hat deshalb in der Branche nachgefragt. Der Schweizer Reise-Verband (SRV) verfügt aktuell über keine eigene Lohnstudie. «Deshalb können wir dazu keine qualifizierte Aussage treffen», sagt Geschäftsführerin Andrea Beffa. «Tendenziell liegen die Löhne unterdessen aber eher etwas höher.»
Ausserdem werde den Mitarbeitenden im Verkauf beim Erreichen von Ertragszielen in einigen Unternehmen eine Erfolgsbeteiligung ausbezahlt, so Beffa. Auch betreffend Teuerungsausgleich sei die Branche nicht untätig geblieben. «Nach unserem Wissen gibt es viele Unternehmen, die die Löhne aufgrund der Teuerung angehoben oder eine Teuerungs-Prämie ausbezahlt haben», erklärt die SRV-Geschäftsführerin. Einen konkreten Anteil könne sie jedoch nicht nennen.
Christina Renevey ist seit 29 Jahren Inhaberin und Geschäftsführerin von Travel Job Market, der renommiertesten Personalberatung in der Schweizer Tourismusbranche. Sie hält die aufgeführten Saläre für realistisch. «Die Gehälter entsprechen mehrheitlich den Tatsachen», sagt sie. «Bei den Fachmitarbeitenden Verkauf im Reisebüro stellen wir allerdings sehr grosse Unterschiede fest.» Dort variieren die Löhne laut Renevey zwischen 4500 und 6500 Franken pro Monat.
Die Chefin von Travel Job Market würde es begrüssen, wenn die Saläre im Tourismus höher wären. «Oft scheitern die Anstellungen an den zu hohen Gehaltsvorstellungen der Talente», sagt sie. «Während der Pandemie mussten sich viele Reiseprofis ausserhalb der Branche neu orientieren. «Dort gebe es teilweise 500 bis 1000 Franken pro Monat mehr zu verdienen.
«Inzwischen vermissen jedoch viele Branchen-Talente die Reisebranche und möchten zurückkehren», erzählt Renevey. «Glücklicherweise sind einige von ihnen bereit, eine kleine Lohneinbusse in Kauf zu nehmen.»
Salär spielt eine Rolle – aber nicht nur
Mitarbeitenden aus der Banken- und Versicherungswelt wird oft nachgesagt, der Lohn sei bei ihrem Job die Hauptmotivation. In der Reisebranche soll das nicht so sein. Sie zeichnet von sich selbst gerne ein anderes Bild – nach dem Motto: Geld als Antriebsfeder? Nicht bei uns!
SRV-Geschäftsführerin Andrea Beffa sagt: «Das ist sicher nicht bei allen Arbeitnehmenden der Branche gleich. Wir spüren jedoch, dass bei vielen Kolleginnen und Kollegen die Leidenschaft fürs Reisen, das Erfüllen von Ferienträumen sowie das Arbeitsklima im Unternehmen und generell in der Branche wichtigere Kriterien sind als der Lohn.»
Zudem hätten sich die Arbeitsbedingungen in den vergangenen Jahren vielerorts verbessert. «Zahlreiche Unternehmen bieten mittlerweile auch sehr attraktive Arbeitsmodelle an – mit flexiblen Zeit-Modellen, Homeoffice-Möglichkeiten oder der Option, für eine gewisse Zeit vom Ausland aus zu arbeiten», erklärt Beffa. Diese Flexibilität sei bei vielen Arbeitnehmenden sehr beliebt und ein grosser Antrieb, um in der Reisebranche zu arbeiten.
Hohe Flexibilität sieht auch Christina Renevey als wichtiges Kriterium für Arbeitnehmende, die sich für die Reisebranche entscheiden. Sinnhaftigkeit, Gestaltungsspielraum, Wertschätzung und Teamspirit spielen laut der Chefin von Travel Job Market ebenfalls eine sehr grosse Rolle. Gleichwohl gibt Renevey zu bedenken: «Die Höhe des Salärs ist auch sehr relevant, da die hohen Lebenshaltungskosten gedeckt werden müssen.»
Bei allen anderen Faktoren, die sie für die Branche begeistern: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Reisebüros und Reiseveranstaltern hätten sicherlich nichts dagegen, wenn Ende des Monats jeweils etwas mehr Geld auf dem Lohnkonto landen würde.