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«Die ETI-Zentrale verzeichnete im letzten Jahr 17 Grossereignisse»
Herr Izquierdo, neulich konnten Sie in Dubai vielen Gästen aus der Patsche helfen. Kam der ETI Schutzbrief im letzten und in diesem Jahr noch bei weiteren grösseren Ereignissen zum Tragen?
Fabrice Izquierdo: Im Jahr 2023 verzeichneten wir in der ETI-Zentrale 17 Grossereignisse, die einen grossen Einfluss auf unsere reisenden Mitglieder hatten: Unwetter in Deutschland, Italien und Grossbritannien, Streiks in den wichtigsten europäischen Reiseländern, Brände in Kanada und Griechenland. Weiter waren wir vom Erdbeben in Marokko und dem Beginn des Nahostkonflikts betroffen. Bei diesen Krisen kamen wir mehr als 2000 Mitgliedern zu Hilfe. Grössere Ereignisse zu Beginn dieses Jahres waren politische Unruhen in Ecuador, die Überschwemmungen in Dubai, aber auch ein grösserer Schneesturm in Norwegen. Hier helfen, beraten und unterstützen wir jeweils.
Wie kommen Sie zu den Informationen über Grossereignisse?
In unserer Hilfszentrale erhalten wir über verschiedene Kanäle, darunter auch von unserem Partner für Risikomanagement, über 100 Informationen zu wichtigen Ereignissen und potenziellen Krisen auf der ganzen Welt. Über das Modul «Travel Safety» in unserer TCS App kann unsere Zentrale betroffene Mitglieder sofort informieren und erste Sicherheits- und Hilfsmassnahmen empfehlen.
Welches sind kleinere, typische Fälle, bei denen der ETI Schutzbrief als Schutz dient?
Tatsächlich bilden diese Fälle den Hauptteil unserer Arbeit. Während der Ferien passieren etwa Sportunfälle, sei es in den Bergen oder im Wasser. Dabei handelt es auch um orthopädische Themen wie Bein- oder Armbrüche, Zerrungen etc. Dann kann es zu Verletzungen nach Autounfällen auf der Ferienreise kommen. Übliche Sommerthemen sind Insektenstiche oder Sonnenstiche. Bei älteren Menschen sind es Kreislaufbeschwerden oder Herzinfarkte. Auch psychologische Probleme sind nicht selten. Meist müssen die Ferien dann abgebrochen werden, und hier kommen wir zu Hilfe. Aber der ETI-Schutzbrief kommt auch zum Einsatz, wenn man eine Reise aus triftigen – meist gesundheitlichen – Gründen erst gar nicht antreten kann.
Welche Prozesse kommen bei Ihnen in Gang wenn ein Mitglied in Not ist?
Wir haben vier Abteilungen. Das sogenannte Case Management nimmt den Fall entgegen. Wir arbeiten 24 Stunden und sieben Tage die Woche. Hier geht es um zuhören, verstehen, beraten und helfen. Wer in einer schlimmen oder schwierigen Situation ist, will mit einem Menschen sprechen. Dafür sind wir da. Dann haben wir Travel Agents, unser eigenes Ärzteteam sowie ein Back Office, um das Administrative zu regeln.
«Um zu vermeiden, dass Mitarbeitende mit dem Stress eines Dossiers nach Hause geht, haben wir auch eine VR-Brille.»
Der TCS hat ein eigenes Ärzteteam?
Ja, unsere Ärzte analysieren die medizinische Situation. Sie entscheiden, ob und wie eine Repatriierung möglich ist. Je nach Land, wo man sich befindet, ist es für eine Patientin oder einen Patenten sehr beruhigend mit einem Arzt in der Schweiz telefonieren zu können. Unsere Ärzte tauschen sich auch mit den Ärzten vor Ort aus. Dann reisen sie bei Bedarf dorthin und begleiten die Rückführung des Mitglieds in die Schweiz. Unsere eigenen Ambulanzen von TCS Swiss Ambulance Rescue kommen dann zum Einsatz, um Patienten vom Flughafen in das Spital des Wohnkantons zu transportieren. Wir arbeiten auf der ganzen Linie autonom. Das ist das Spezielle und das Plus beim TCS. Vor einer Reise wiederum können Mitglieder telefonisch die TCS Medline konsultieren, die wir zusammen mit der Klinik Hirslanden initiiert haben. Hier beantworten wir Gesundheitsfragen zu einer bevorstehenden Reise.
Wie geht man mit tragischen Ereignissen um?
Leider haben wir auch mit tragischen Ereignissen und Todesfällen zu tun. Das muss man verarbeiten können. Wir machen jeweils ein Debriefing der Fälle und sprechen darüber. Weiter haben wir einen externen Partner für Notfallpsychologie, den wir konsultieren können. Um zu vermeiden, dass Mitarbeitende mit dem Stress eines Dossiers nach Hause geht, haben wir auch eine VR-Brille. Hier taucht man für rund 20 Minuten in ein Universum ein. Damit kann man sich entspannen, an etwas Anderes denken und – wenn möglich – etwas aus einem Fall herauskommen.
Was bedeuten für Sie und Ihr Serviceteam die kommenden Sommerferien? Ist das die Zeit mit den meisten Ereignissen und Schadensfällen?
In der Tat werden jeden Sommer mehr als dreimal so viele Menschen in unserer Zentrale betreut wie im Rest des Jahres. Um diesen Anstieg zu bewältigen, stellen wir Hilfssachbearbeiter zur Unterstützung für den Sommer ein. Es handelt sich hauptsächlich um Studenten mit einem internationalen Studiengang, die nach einer dreiwöchigen Ausbildung in der Lage sind, unsere Mitglieder zu beraten und zu unterstützen, wobei sie stets von erfahrenen Case Managern gecoacht werden. Allerdings hat sich seit Covid das Reiseverhalten etwas verändert. Früher waren Juli und August unsere intensivsten Monate. Seit Covid zieht sich dies über vier Monate bis Oktober weiter. Im Juli und August sind Familien vornehmlich in Europa unterwegs. Paare und Seniorinnen und Senioren reisen eher im September und Oktober, dann auch weiter weg in Übersee oder auf Kreuzfahrten. Aber den ETI-Schutzbrief braucht man unter Umständen schon, wenn man nur Ferien in der Schweiz macht!