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Kommentar Da haben die Migros-Chefs jegliches Gespür vermissen lassen
Reto SuterVier Tage im Jahr stehen die Angestellten der Hotelplan-Gruppe im Scheinwerferlicht wie sonst nie: An der Fespo, der grössten Ferienmesse der Schweiz, präsentieren sie ihre Angebotspalette im direkten Kontakt den Besucherinnen und Besuchern.
Die Fespo bedeutet; lange Arbeitstage, künstliches Licht, schlechte Luft und kaum Zeit, um in Ruhe etwas zu essen. Umso wichtiger ist es für alle Ausstellenden, den Kopf frei zu haben. Nur so können sie an diesen stressigen Tagen Höchstleistungen abrufen und – direkt am Stand oder in den kommenden Wochen – einträgliche Buchungen über die Bühne bringen.
Und dann das: Am Freitagmorgen, zweieinhalb Stunden vor Eröffnung des zweiten Messetags, verkünden die Migros-Chefs, dass sie die Hotelplan-Gruppe loswerden wollen. Es ist ein Paukenschlag, der die Reisebranche in Aufruhr versetzt und die Hotelplan-Mitarbeitenden in eine ungewisse Zukunft stürzt.
Auch wenn die Verkaufsankündigung nicht mit einer Massenentlassung gleichzusetzen ist: Die Angst vor einem Jobverlust dürfte bei vielen Angestellten der Migros-Reisesparte real sein. Ein geflügeltes Wort besagt, dass es für eine Kündigung keinen guten Moment gebe. Das mag durchaus stimmen. Die Migros-Spitze hat sich für ihre Ankündigung aber nicht einen schlechten, sondern einen sehr schlechten Zeitpunkt ausgesucht.
Respektlos, unsensibel – und sogar geschäftsschädigend
Die Bombe des geplanten Verkaufs mitten in der Fespo platzen zu lassen, war höchst unsensibel und den Mitarbeitenden gegenüber respektlos. Natürlich könnte man jetzt entschuldigend anführen, dass nicht nur die Hotelplan-Gruppe von der Ankündigung betroffen war, sondern auch für die Kosmetik- und Hygienetochter Mibelle sowie für Melectronics und SportX neue Eigentümer gesucht werden. Alles Sparten, die nichts mit der Fespo zu tun haben.
Dennoch: Die Migros-Chefs haben mit ihrem Zeitplan das Klischee von wenig empathischen Managern bestätigt, die in erster Linie das Geschäftliche in den Fokus stellen – und bei denen die Mitarbeitenden höchstens die zweite Geige spielen. Vor allem, wenn ein Geschäft nicht so viel Gewinn abwirft wie erhofft.
Besonders irrwitzig ist in diesem Fall: Die Verkaufsabsichten Anfang Februar zu kommunizieren, ist nicht nur aus menschlicher, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht höchst fragwürdig. Führende Schweizer Reisemanager sind sich jedenfalls einig: Eine solche Ankündigung in den umsatzstärksten Wochen des Jahres zu machen, zeugt nicht von sehr viel Sachverstand und erinnert an den unsäglichen Zeitpunkt des Kuoni-Verkaufs von Mitte Januar 2015.
Reisende, die seit vielen Jahren bei den Hotelplan-Marken Ferien buchen, könnten ob der ungewissen Zukunft des Unternehmens verunsichert sein und zu einem anderen Anbieter abwandern – trotz starker Bemühungen der Hotelplan-Spitze, die Kundinnen und Kunden bei der Stange zu halten. Dann hätte die Migros-Chefetage gleich doppelt verloren: einerseits das Vertrauen der Angestellten und andererseits den guten Ruf bei Schweizer Reisenden.