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Philippe Klaus leitet seit rund zehn Jahren die Personenassistance des TCS. Bild: TN

«In unserem Job kann man sich starken Emotionen nicht verschliessen»

Reto Suter

Philippe Klaus, Leiter der Personenassistance beim TCS, erzählt im Gespräch mit Travelnews, wo er im Ausland selbst schon auf Unterstützung angewiesen war und welchen neuen Service die TCS-Mitglieder ab sofort nützen können.

Es ist der Alptraum jedes Reisenden: ein Unfall oder eine schwere Krankheit im Ausland, weit weg von zu Hause. In solchen Fällen leistet die Personenassistance des TCS Unterstützung. 630'000 Personen besitzen den ETI-Schutzbrief, der einen umfassenden Reiseschutz bietet. Im vergangenen Jahr half der TCS in 55'000 Fällen und führte rund 1000 Repatriierungen durch. Philippe Klaus ist seit zehn Jahren Leiter der Personenassistance des TCS. Travelnews hat ihn am TCS-Sitz in Ostermundigen BE zum Gespräch getroffen.

Philippe Klaus, eines Ihrer Hobbys ist Reisen. Sind Sie im Ausland auch schon mal in Not geraten?
Philippe Klaus: Ja, ich war auch schon sehr froh um Unterstützung. Nicht in meiner Zeit beim TCS, aber als Teenager. Auf Teneriffa waren wir 1991 mit unserer Familie in einen Autounfall verwickelt. Meine Mutter wurde schwer verletzt. Dabei erlebte ich hautnah mit, wie es ist, in einer solchen Ausnahmesituation, inklusive Sprachbarriere, mit den Menschen am Ferienort zu kommunizieren. Diese Eindrücke sind auch über 30 Jahre später nach wie vor sehr präsent. Ich habe immer noch vor Augen, wie damals der Rega-Jet mit dem Schweizer Kreuz auf der Heckflosse am Flughafen von Teneriffa gelandet ist – im Wissen: «Jetzt kommt alles gut.»

War dieses Erlebnis möglicherweise mit ein Grund für den Weg, den Sie beruflich eingeschlagen haben?
Das kann sehr gut sein. Die Bilder unmittelbar nach dem Unfall und dann auch im Spital haben mich zweifellos geprägt. Gleichwohl ist es mir ganz wichtig zu erwähnen: Eine gute Reisevorbereitung ist zentral, das Risiko einer Panne oder eines Unfalls soll bei der Reiseplanung nicht ständig im Hinterkopf sein. Es ist wichtig, dass man sich bei der Abreise auf die Ferien freuen kann und sich nicht dauernd damit beschäftigt, was alles schief gehen könnte.

«Unsere Mitarbeitenden sollen weltoffen und vor allem empathisch sein»

Seit bald zehn Jahren leiten Sie die Personenassistance beim TCS. Welches war für Sie das ereignisreichste Jahr bisher?
Ganz entscheidend ist, losgelöst von Zahlen: Bei jedem einzelnen Fall geht es um die Schicksale von Menschen – zum Teil auch um ganz tragische, die einen immer in irgendeiner Form berühren. Genau das ist auch der Antrieb für unser Team, den TCS-Mitgliedern mit Elan zur Seite zu stehen. Wenn ich ein Ereignis herausspicken muss, das uns speziell gefordert hat, war es sicherlich die Corona-Pandemie. Wir mussten 2020 innerhalb von zwei Monaten fast 70 Prozent des Auftragsvolumens abwickeln, das sich bei uns sonst über ein ganzes Jahr verteilt. Zusätzlich erschwert hat die Situation, dass wir diese Ausnahmesituation im Homeoffice bewältigen mussten, mit einer entsprechend hohen Belastung für alle Mitarbeitenden und auch für die technischen Systeme.

Sie haben die menschlichen Schicksale angesprochen. Wie geht Ihr Team damit um, ständig mit negativen Erlebnissen konfrontiert zu werden?
Wir suchen unsere Mitarbeitenden nach klaren Kriterien aus. Sie sollen weltoffen und vor allem empathisch sein. Gleichzeitig ist es zentral, dass sie gut kommunizieren können und stets den absoluten Willen haben, unsere Mitglieder aus einer schwierigen Lage herauszuholen. Parallel dazu werden unsere Mitarbeitenden zu Case Managern mit CAS ausgebildet. In Situationen, die nicht gut ausgehen, Menschen womöglich sogar sterben, werden sie mental stark beansprucht. Für solche Fälle stehen ihnen Psychologen zur Verfügung, die Unterstützung leisten. Klar ist: In unserem Job kann man sich den starken Emotionen nicht verschliessen. Entscheidend ist, wie man damit umgeht.

Das Call Center der Personenassistance umfasst rund 35 Vollzeitstellen. Bild: TN

Wie erleben Sie das Jahr 2023? Ist die Anzahl Mitglieder in Not, die rückbegleitet werden, schon wieder gleich gross wie im Jahr 2019 vor der Pandemie?
Im zweiten Halbjahr 2022 sind die Fallzahlen wieder gewachsen. Dieser Trend hat sich im laufenden Jahr fortgesetzt. Wir liegen per Ende Juni rund 20 Prozent über den Werten des ersten Halbjahrs 2019. Das zeigt klar, dass beim Reisen ein Nachholbedarf besteht. Die Menschen wollen ihr Fernweh stillen und wieder mit guten Gefühlen die Welt entdecken.

«Die Pandemie hat die Menschen stark für Gesundheitsfragen sensibilisiert»

Hat sich die Art der Unfälle und Krankheiten über die Jahre verändert?
Grundsätzlich stellen wir über die vergangenen zehn Jahre keine grösseren Veränderungen fest. Und dennoch: Die Corona-Pandemie hat die Menschen geprägt. Sie wollen sich bei Gesundheitsfragen absichern und haben ein deutlich grösseres Informationsbedürfnis rund um Krankheiten, als das vor der Pandemie der Fall war. Das belegen auch die Zahlen der Covid-Help-Line, die wir in Zusammenarbeit mit der Hirslanden-Klinik betrieben haben. Während zwei Jahren führten wir über 23'000 Beratungen durch.

Das heisst, die TCS-Mitglieder sind sensibler geworden, was mögliche Risiken auf Reisen betrifft?
Die Pandemie hat alle Menschen stark für Gesundheitsfragen sensibilisiert. Das heisst auch: Man wägt bewusster ab, welche Risiken man unterwegs in Kauf nehmen möchte und welche nicht.

Der ETI-Schutzbrief umfasst bereits zahlreiche Leistungen. Welche möglichen neuen Angebote wären denkbar?
Der ETI-Schutzbrief ist ein erfolgreiches Produkt mit einer umfassenden Deckung. Insofern besteht aktuell kein Bedarf, das Leistungspaket grundlegend anzupassen. Wir entwickeln unseren Ganzjahres-Reiseschutz punktuell weiter, anhand der Bedürfnisse unserer Mitglieder und der stetig neuen Herausforderungen in der Reisebranche.

Viele Unternehmen setzen auf Digitalisierung, um effizienter zu werden, Kosten zu sparen und den Kundinnen und Kunden dennoch einen guten Service zu bieten. Gibt es auch bei Ihnen solche Pläne?
Hier muss man klar unterscheiden, wo Digitalisierung Sinn macht und wo nicht. Wir kommen in der Regel dann zum Einsatz, wenn Menschen in Not sind. Bei einem solchen Ereignis bleibt der persönliche Kontakt zentral. Wir wollen niemandem zumuten, in einer derartigen Stresssituation eine App runterzuladen und womöglich noch ein Passwort eingeben zu müssen. Aber: Die Digitalisierung eröffnet uns natürlich auch neue Möglichkeiten. Eines unserer Angebote ist die Gesundheitsplattform «TCS MyMed», auf der über 230 medizinische Experten Gesundheitsfragen beantworten. Dazu bieten wir rund um Sicherheitsfragen die «Travel Safety»-App an. Mit dieser können sich Reisende im Ausland tracken lassen und bei ausserordentlichen Ereignissen Push-Nachrichten empfangen.

Ganz neu lanciert hat der TCS die «Travel & Health Info-Line». Was bekommen die TCS-Mitglieder hier geboten?
Die «Travel & Health Info-Line» hat drei Themenbereiche im Fokus: Sie klärt Fragen rund ums Impfen, hält Informationen zu Einreisebestimmungen und generellen Gesundheitsfragen bereit und wägt das konkrete Reiserisiko für Menschen mit einem chronischen Leiden ab. Sie ist aus der Covid-Help-Line heraus entstanden, die wir während der Corona-Krise betrieben haben.