Services

Ein Besuch der Ferienmesse ist auch eine Weltreise der Genüsse. Bild: Ferienmesse Bern

Kommentar Zu Hause bleiben ist keine Lösung

Gregor Waser

Der Reisehunger an der Ferienmesse Bern ist gross, zeigt der erste Messetag in der Bernexpo. Zögerliche Ausstellende, die in diesem Jahr fernbleiben, liegen falsch.

Ach, die Ferienmessen ... Da geht's doch bloss um Abziehbildli, Kugelschreiber und schöne Prospekte nach Hause zu nehmen. Das Klientel ist überaltert und die Form der Live-Messe in die Jahre gekommen. Nein. Nein. Nein. Dieses Vorurteil ist falsch.

Das hat der gestrige Besuch der Ferienmesse Bern gezeigt. Ja, das Klientel ist traditionell am Messe-Donnerstag eher höheren Alters, das ändert sich dann aufs Wochenende hin. Viele Reiseunternehmen wissen es aber mittlerweile: die Ü60-Klientel ist überaus reiseaffin und solvent. Die Travelnews-Umfrage bei den Ausstellenden in Bern am ersten Messetag zeigt: das konkrete Interesse ist gross, sogar etliche Buchungen erfolgen gleich nach Messestart und die sechs Vortragszelte sind auf den letzen Stuhl gefüllt.

Das Comeback der Ferienmesse Bern (12. bis 15. Januar 2023) ist geglückt, das dürfte auch die Fespo Zürich (2. bis 5. Februar 2023) freuen. Gute Besucherzahlen sind das wichtigste Argument, Ausstellende zu gewinnen. Die Messeorganisatoren hatten in den letzen Wochen arg zu kämpfen, um die Messehallen in diesem Jahr mit Ausstellern gut füllen zu können. Nur wenig mehr als die Hälfte der letzten Austragung 2020 sind es in Bern, auch die Fespo wird kleiner daherkommen.

Die Gründe der Abwesenden sind einerseits verständlich: das Reisejahr 2023 wurde nach drei Krisenjahren vorerst mal defensiv budgetiert. Eine viertägige Messe ist teuer, ein attraktiver Stand und die Personalkosten gehen locker in den fünfstelligen Bereich. Gleichzeitig kämpfen viele Reiseunternehmen weiterhin mit einem limitierten Personalbestand. Die eigenen Leute in den Messehallen zu haben, statt am Verkaufsschalter, tut wohl weh. Auch die generelle Frage steht im Raum: funktioniert das Konzept der Live-Ferienmesse überhaupt noch?

Die Abwesenden liegen falsch

Das Eintauchen in die Halle 3.0 der Bernexpo hat gezeigt: Ferienmessen funktionieren weiterhin sehr gut, nun auch nach der dreijährigen Pause. Klar haben viele Reiseinteressierte neue Kanäle kennengelernt, ob auf Youtube, Social Media, bei Online-Webinaren, per Zoom-Talk mit der Reiseexpertin, viele Wege führen an den Strand.

Doch fragen Sie mal die Ausstellenden der Ferienmesse Bern: die Besucherinnen und Besucher wollen vor Ort, persönlich und mit Augenkontakt zum Reiseexperten sich über ihre nächsten Reisepläne austauschen. Und diese Reisepläne können nun nach einer Phase der Reiseabstinenz durchaus üppig ausfallen.

Les absents ont tort, wer die Ferienmessen links liegen lässt, liegt falsch, der verzichtet zumindest auf etliche gute Geschäftsmöglichkeiten und eine vielversprechende Anbandelung mit künftiger Kundschaft.

Den nun abwesenden Austellern ein bisschen nachhelfen, hätten die Messeorganisatoren aber schon können. Denn das Pricing ist auch nach der grossen Reisekrise weiterhin hoch und nicht jeder Ausstellende hat einen fixfertigen Stand und Messemöbel im Keller stehen. Der Blick auf die Fespo-Nebenkosten lässt einen zögerlichen Ausstellenden leicht erbleichen: die kurzzeitige Miete einer Steckdose T12 kostet 215 Franken, ein Wandelement 574 Franken, ein runder Stehtisch 125 Franken. Krisenrabatt sieht anders aus.

Doch das Comeback der Ferienmessen, wenn auch noch nicht mit jener Anzahl Ausstellenden von 2020 und früher, ist geglückt. Das Format kommt auch in der Neuzeit an.