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Ein aufreibendes Reisejahr geht mit einigem Optimismus, was die kommenden Monate betrifft, zu Ende. Bild: tourismthailand.ch

Erst Chaos und Knatsch, dann Aufbruch zum Jahresende

Wir lassen die letzten zwölf Monate nochmals Revue passieren. Das Reisejahr begann schlecht, wurde besser, blieb aber voller Ungemach. Heute: Juli bis Dezember 2022.

Gestern haben wir über das Auf und Ab in der ersten Jahreshälfte berichtet. Wie entwickelte sich die Reisewelt von Juli bis Dezember 2022? Streikdrohungen machten sich breit, ebenso Bedenken, ob die wieder erstarkte Reisenachfrage in der Hauptsaison auch abgewickelt werden kann. Hier kommt unser Rückblick auf die zweite Jahreshälfte 2022.

Juli

Wird die Reisewelt nach dem Abklingen der Pandemie eine bessere, eine nachhaltigere? Der Blick ins Travelnews-Postfach deutet darauf hin. Es türmen sich die Firmenmitteilungen über die Einführung nachhaltiger Produkte und einen CO2-reduzierten Tourismus. Doch etliche Verlautbarungen müssen leider als Greenwashing taxiert werden. Löbliche Nachhaltigkeitskonzepte gibt es aber durchaus, wir haben sie in einer Themenwoche vorgestellt. Und welche Vor- und Nachteile ein E-Auto-Trip mit sich bringt, testeten wir bei einer Italien-Reise.

Geprägt war der Juli von einem enormen Reise-Nachholeffekt, gepaart mit einem kurzfristigen Buchungsverhalten sowie einer angespannten Situation im Personalbereich. Viele Flüge wurden zudem kurzfristig gestrichen. An manchen Airports bildeten sich sehr lange Warteschlangen. Bei manchen Fluggesellschaften wie Ryanair, Easyjet, SAS oder British Airways drohten Streiks.

Dieser Mix liess die Ferienvorfreude trüben. Doch in der Realität sah die Ferienreise ab vielen Flughäfen dann aber durchaus entspannt aus. Die Empfehlung des Flughafens Zürich, an den Juli-Wochenende schon drei Stunden vor Abflug zu erscheinen, erwies sich als übertrieben. Und dass es europäische Flughäfen gibt, die ein sehr grosses Passagieraufkommen mit einem müden Lächeln bewältigen, zeigte unser Badeferien-Report und die Landung und der Abflug am Aeropuerto Son Sant Joan auf Mallorca. Total 204 Check-In-Schalter stehen im über die Jahre stetig weiter ausgebauten Flughafen für Flugpassagiere bereit.

Anders am Flughafen London-Heathrow, dieser schlug nämlich wegen dem grossen Passagieraufkommen Alarm und verlangte von Airlines eine temporäre Ticketverkaufs-Einstellung. Was Airlines wiederum in den Wahnsinn trieb: endlich waren die Buchungen da und nun durften sie nicht verkaufen. Emirates wehrte sich gegen die Heathrow-Obergrenze, vergeblich. Die Wut der Airlines war verständich, denn zu solch hohen Tarifen konnten sie schon lange nicht mehr verkaufen. Und wir fragten uns dabei: Was ist bloss mit diesen Flugtarifen los?

August

Mit Klartext begann der achte Monat des Jahres. Dieter Zümpel hatte genug. «Alle machen derzeit die anderen für die Situation verantwortlich. Fakt ist, dass viele Airlines, Flughäfen und Bodenabfertiger falsch geplant haben», wetterte der CEO von DER Touristik Suisse. Und über die Zusammenarbeit mit der Swiss sagte er, «das ist keine partnerschaftliche Beziehung, das empfinde ich als arrogant.» Für den Mehraufwand der Reisebüros forderte Zümpel 30 Franken Entschädigung pro annulliertem Flug und Passagier.

Davon wollte die Swiss zunächst nichts wissen und versprach bloss den Erlass der Umbuchungsgebühren (ADM).  Es sollte  dann noch ein weiterer Monat dauern, bis sich die Reisebranche mit der Swiss doch noch für auf eine Entschädigung einigen konnte. 10 Franken pro umgebuchtem Passagier, hiess die Lösung. Das war zwar nicht kostendeckend, aber immerhin eine schöne Dankesprämie für die Zusammenarbeit. Die Wogen glätteten sich wieder.

Haben sich geeinigt (v.l.): Walter Kunz (SRV), Andreas Gerber (Swiss), Philipp von Czapiewski (TUI Suisse), Tamur Goudarzi Pour (Swiss), Martin Wittwer (SRV), Roger Geissberger (Knecht Reisen), Marco Willa (Swiss), Laura Meyer (Hotelplan Group), Dieter Vranckx (Swiss) und André Lüthi (Globetrotter Group). Bild: SRV

September

Der neue Monat begann mit einer Hiobsbotschaft. Für den Tag darauf, den 2. September, war bei Lufthansa ein Pilotenstreik angesagt, 800 Flüge fielen aus, 130'000 Passagiere blieben am Boden.

Gaben 2019 noch 26 Prozent der befragen Schweizerinnen und Schweizer an, ihre Ferien im Reisebüro gebucht zu haben, fiel dieser Wert kontinuierlich auf 21, 20 und nun im laufenden Jahr auf 19 Prozent, wie aus einer SRV-Studie hervorging.

Wobei mittlerweile auch klar ist: jene Leute, die noch ins Reisebüro kommen, geben durchschnittlich mehr aus als früher, weil das günstige Badeferien-Päckli oder der Städtetrip vermehrt online gebucht wird. In unserer Analyse hielten wir zduem fest: viele Reisebüros erhalten selber Online-Buchungen. In der Gunst der Endkunden dürften Reisebüros durch die Hilfeleistungen während der Pandemie insgesamt wieder Punkte gewonnen haben.

Doch was war eigentlich mit Corona? Meist kamen zu diesem Thema in jenen Tagen News über den Ticker, die für das Comeback des Reisens förderlich waren: Kanada, Thailand und Brasilien liessen die Impfpflicht fallen, Japan kündigte für den Folgemonat die Öffnung an, Costa und MSC Cruises verlangten bald keine Covid-Tests mehr.

Oktober

Nach wochenlangem Tauziehen zwischen Swiss und Aeropers zeichnete sich Mitte Oktober ein Pilotenstreik ab. Eine Woche lang lag grosse Ungewissheit in der Luft, bis es am 24. Oktober dann doch noch zu einer Einigung kam (alle Artikel dazu in unserem Themen-Cluster). Das Duell endete mit einem Unentschieden. Aeropers konnte seinen 1300 Piloten 2,3 Prozent mehr Lohn und 2 Prozent Teuerungsausgleich präsentieren sowie ein Plus bei der Planung: die Pilotinnen und Piloten erhalten nun schon am 18. und nicht erst am 25. Tag des Monats den Arbeitsplan für den Folgemonat.

Die Swiss wiederum konnte noch höhere Lohnforderungen abwenden und sie hat im GAV, der am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, für sich eine Flexibilität einbauen lassen, die sich noch lohnen dürfte: an Nachfragespitzen kann sie auf pensionierte Swiss- und Edelweiss-Kapitäne als Freelancer zurückgreifen. Noch wichtiger: der Swiss steht weiterhin der Zugang zu Wetlease-Partnern wie der Helvetic Airways und Air Baltic offen, was bisher bei der Pilotengewerkschaft für viel Argwohn sorgte.

Irgendwann hatten die Travelnews-Lesenden wohl auch genug von den Streitereien, wie der Blick in die Statistik der meistgelesenen Artikel im Monat Oktober zeigt: an erster Stelle figurieren nämlich die zehn gängigsten Travel Hacks, gefolgt von den 20 unterschätzten Städten Europas.

November

Der elfte Monat des Reisejahres stand traditionell im Zeichen der Generalversammlung des Schweizer Reise-Verbands, wenn sich wie in diesem Jahr 170 Reiseprofis vier Tag lang treffen – in diesem Jahr gings nach Sevilla. SRV-Präsident Martin Wittwer stellte dabei die neue Geschäftsführerin Andrea Beffa vor wie auch die neue Verbandsausrichtung mit einem Vorstandsmitglied mehr und dem Anspruch, als «One Voice» alle Verbände zu vertreten. Die andalusische Stadt Sevilla konnte sich bei bestem Spätsommer-Wetter präsentieren. Am 2. Februar 2023 wird bekannt, wo die nächste SRV-GV stattfindet.

Die restlichen sechs Wochen des Jahres standen im Zeichen des Aufbruchs. Edelweiss erhöhte die Anzahl Flüge Richtung Kanarischer Inseln, bei TUI Suisse nahmen die Buchungen deutlich zu, Thailand sei so attraktiv wie nie, fand Tourasia. Die Swiss kündigte 1500 neue Stellen an, Helvetic Airways fünf Prozent mehr Lohn und Chair zeigte auf, wie ein Arbeitplan auch aussehen kann – als kleiner Seitenhieb an Swiss.

Universal präsentierte einen neuen Look, Caribbean Tours expandierte nach Mexiko und auch die Südamerika-Buchungen waren zurück. Auf der Fernstrecke zeichnete sich also Normalität ab. Und auch die Travelnews-Reporterinnen und -Reporter waren wieder in der ganzen Welt unterwegs, ob in Thailand, Costa Rica oder Kuba.

Dezember

Alles Eitel Freude? Nun zum Jahresende hin sind Reiseveranstalter und Reisebüros uneins darüber, wie erfolgreich das Jahr 2023 wohl wird. Noch schwirren zahlreiche Unsicherheitfaktoren herum: mögliches Corona-Comeback, Fachkräftemangel, neue Drohungen von Putin, Inflation, hohe Energiepreise, ein möglicherweise verpuffter Nachholeffekt. Tatsache ist: nach den guten Winterbuchungen auf der Langstrecke läuft auf der Kurzstrecke noch wenig. Das Sommergeschäft anzuheizen, lautet die Devise zur Stunde.

Was Helvetic Tours zu Beginn des Jahres eingeführt hat, gilt jetzt auch bei zahlreichen Kuoni Pauschalreisen: Eine Flex-Alternative zur herkömmlichen Buchung erlaubt Kundinnen und Kunden den kostenlose Reiserücktritt bis acht Tage vor der Abreise. Auch TUI Suisse wirbt mit Frühbucherrabatten, 99-Franken-Kinderfestpreisen und Flex-Tarifen für die frühe Buchung, die einem Reiseveranstalter die Jahresplanung sehr erleichtern würde.

Das Interesse der Kunden sei da, hört man aus den Reisebüros, nur die Buchungen noch nicht. Die CEO’s der fünf führenden Reiseveranstalter zeigen sich aber optimistisch, dass die Buchungen für Ferien im Frühling und Sommer 2023 schon noch eingehen werden, wenn auch kurzfristiger als früher.

Ein Jahr mit einigem Ungemach, mit viel Auf und Ab und einem Finish, der optimistisch stimmt, geht nun zu Ende. Auf ein reisefreudiges Jahr 2023!

(GWA)