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Die erste Jahreshälfte, ein Auf und Ab
Januar
Wie schon die beiden von Corona geprägten Vorjahre stand auch der Anfang des Jahres im Bann der weltweiten Pandemie. Vielerorts wurden die Einreisehürden beibehalten. Die Wiederaufnahme von Kreuzfahrten etwa wurde durch die Corona-Variante Omikron wieder jäh gestoppt.
Auch aus dem beliebten Winterziel Thailand gab es Bad News. Die zuvor eingeführte «Test & Go»-Regel, die eine - wenn auch mühsame - Einreise wieder ermöglichte, wurde vorerst wieder sistiert.
Hört das denn nie auf? Reisewillige wie Reisebüros hatten keinen einfachen Start ins dritte Pandemiejahr. Am 19. Januar gab es dann immerhin eine Erleichterung bei der Rückreise in die Schweiz, die Testpflicht fiel. Der Schweizer Reise-Verband (SRV) hatte sich zuvor in Bundesbern stark für die Abschaffung dieses Testregimes eingesetzt.
Darauf hin häuften sich Ende Januar auch wieder die Buchungen. «Die Buchungszahlen der letzten Tage nehmen sukzessive zu», meldete Hotelplan Suisse am 25. Januar.
Februar
So zeichnete sich langsam wieder Besserung ab, etliche Reiseländer lockerten ihre Einreisebestimmungen, darunter, Italien, Südafrika und Thailand. Bald schon folgten Australien, Neuseeland und Vietnam mit Lockerungsankündigungen.
Das Gebot der Stunde lautete bei den Reiseveranstaltern: bucht jetzt, mit maximaler Flexibilität! Keine Bange, sollte doch noch was dazwischen kommen. TUI-Flex-Tarif, kulante Umbuchungsbedingungen bei Kuoni, Maxi-Flex-Angebot bei Hotelplan Suisse, Flexplus-Tarif bei FTI der FlexSorglos-Option bei Bentour hiessen und heissen weiterhin die flexiblen Buchungsmöglichkeiten.
Und waren mittlerweile eigentlich viele Reisebüros verschwunden? Nein. Dank Härtefallhilfe und Kurzarbeitsgeldern haben viele Reiseunternehmen die Kurve gekriegt. Wie eine STAR-Umfrage zeigte, erhielten von 88 Reisebüros, die sich bei der Mitglieder-Umfrage beteiligten, total 64 Härtefallunterstützung, nur 4 Anfragen wurden abgelehnt, 15 Büros hatten keinen Antrag eingereicht.
Doch schon am 8. Februar mussten wir melden: Ukraine – eine Krise, die sich der Tourismus nicht leisten kann. Gut zwei Wochen später war der Krieg in Europa Tatsache. Der russische Überfall auf die Ukraine erfolgte am 24. Februar 2022. Mit schlimmsten Auswirkungen auf das Land, wie wir heute wissen. Und die Sorgenfalten in der Tourismusindustrie waren Ende Februar wieder da – bei der Frage, welche Auswirkungen der Ukraine-Krieg auf die globale Tourismusnachfrage haben wird.
März
Nachdem die Reisebüros seit Mitte Januar wieder viele Buchungen verzeichnen konnten, war eine Woche nach Beginn der Ukraine-Krise der Aufschwung in den Reisebüros wieder in Frage gestellt. «Wir merken die Auswirkungen deutlich», sagte Daniela Seiler von Bernhard Reisen, «es gingen schon vier Absagen auf Offerten ein.» Andy Hertig von Hertig Reisen stellte fest: «Wir mussten eben eine Annullation eines grossen Malediven-Dossiers entgegennehmen».
Zum dritten Mal in Folge fiel die physische ITB Berlin aus. Erneut folgte eine digitale Austragung. Bemerkenswert an der digitalen ITB war unter anderem ein viertelstündiger Auftritt des deutschen Vizekanzlers Robert Habeck (im Video ab 2'10''). Er bezeichnet den Tourismus als bestes Gegenstück zu Krieg und äussert sich zu vielen weiteren Tourismusthemen wie Nachhaltigkeit und Fachkräftemangel.
Wer sich die Normalität des Jahres 2019 zurückwünschte, musste zum Leidwesen feststellen: Corona und Ukraine-Krieg nicht genug, jetzt schiessen auch noch die Treibstoffpreise durch die Decke. Bald war klar: Ferien werden teurer, insbesondere das Fliegen, und die Ferienbudgets kleiner wegen den höheren Energiekosten. Und Travelnews fragte sich: Schlägt jetzt die Stunde der Nachtzüge?
Mittlerweile zeigte sich, die Kriegsfolgen in der Reisewelt sind erheblich: Gestrandete russische Touristen in Thailand und Bali, fehlende ukrainische und russische Touristen in Sri Lanka und der Türkei und Zürcher Hotels nahmen Flüchtlinge auf.
April
Gäbe es eine solche Ausmarchung, das Tourismuswort 2022 würde wohl «resilient» heissen, widerstandsfähig, anpassungsfähig. Denn trotz der unglaublichen Häufung an Krisen seit 2020, die Reiselust zeigte sich im Frühling 2022 ungebrochen und die Widerstandskraft der Reiseunternehmen als sehr gross.
Doch der Fachkräftemangel zehrte an den Kräften. Viele Leute mussten gehen oder gingen von sich aus in den letzten drei Jahren. So lag nun die wieder haufenweise vorhandene Arbeit auf viel weniger Schultern als noch 2019. Das Thema Fachkräftemangel zog sich über die ganze Tourismusindustrie bis zum Jahresende hinweg.
Gleichzeitig zeichnete sich im April ein Buchungsboom Richtung Sommerferien ab. Auch der neue SRV-Präsident Martin Wittwer sprach von der deutlich angezogenen Nachfrage und bezifferte die Jahreserwartungen auf 80 Prozent gemessen am Jahr 2019.
Doch wer sollte das alles stemmen und abwickeln? In den Reisebüros? An den Flughäfen? In den Flugzeugkabinen? Auch die Destinationen schlugen Alarm. 50'000 Stellen im Tourismussektor seien unbesetzt, lautete der Hilferuf aus Griechenland.
Endlich war also die Nachfrage zurück. Doch für viele kam sie nun doch zu schnell und heftig zurück, jedenfalls gemessen am verfügbaren Personal.
Mai
Nach zweieinhalbjähriger Pandemiepause fanden endlich wieder Tourismus-Messen und Branchentreffen statt. Nach dem Switzerland Travel Mart einige Tage zuvor, ging Mitte Mai dann auch der Germany Travel Mart über die Bühne. Travelnews rückte mit der Kamera aus und besuchte in Südbayern, in Oberammergau das Touristikertreffen und sprach mit den Reiseprofis vor Ort.
Nicht alle traditionellen Branchen-Anlässe fanden wieder statt. Der etablierte Milestone etwa, die alljährliche Vergabe des Innovationspreises im Schweizer Tourismus, wurde überraschend eingestellt. Ein Tourismus-Revival feierte indes Österreich mit der ATB, den Tourismustagen und dem Innvationscampus in Wien.
Eine Travelnews-Umfrage zeigte, der Buchungsboom für das Sommergeschäft war im Mai in vollem Gang. Auch die Prognosen für den Geschäftstourismus verbesserten sich zusehends. An einem Podiumsgespräch äusserten sich dazu Dieter Zümpel (DER Touristik Suisse), Renya Heinrich (Zug Tourismus), Barbra Albrecht (Schweiz Tourismus) und Markus Conzelmann (Radisson Blu).
Juni
Da waren sie also wieder in trockenen Tücher, die vielen Buchungen. Erste Reisebüro-Chefs lehnten sich im Sessel zurück, rieben sich erstmals nach drei Jahren wieder die Hände. Doch auch diese Freude war nicht von langer Dauer.
Kurz vor den Sommerferien musste die Swiss diverse Frequenzen reduzieren und gar Destinationen komplett streichen. Schuld war der Personalmangel. Das wiederaufgeschiente, ehrgezeige Flugprogramm konnte doch nicht gestemmt werden. Da half die Amadeus-Studie wenig, die besagte, dass die Flugsuche sich wieder auf dem Niveau von 2019 befand.
Denn nicht nur die Swiss musste Streichungen vornehmen, an vielen europäischen Flughäfen brach das Chaos aus, ob in Düsseldorf, Amsterdam oder Manchester. Bilder anstehender Passagiere rund um das Flughafengebäude herum schmälerten die Vorfreude auf die Sommerferien oder liessen zumindest Zweifel aufkommen an einem reibungslosen Ablauf.
Und wir stellten die Frage: Habe ich wegen langer Schlangen Anspruch auf Entschädigung? Der Ombudsman der Schweizer Reisebranche lieferte die Antwort.
Dann machte auch noch die Flugsicherung schlapp. Wegen einer technischen Störung musste Skyguide den Luftraum für einige Stunden sperren. 77 Flüge wurden am Flughafen Zürich gestrichen, 15 landeten anderswo.
Aber hey, resiliente Reisebranche haben wir gesagt. Denn für Touristiker ist nicht erst seit diesem Jahr klar: die nächste Krise kommt bestimmt. So zeichneten sich ab Mitte Juni erste Streiks in der Flugindustrie ab, Vorboten, die im Lauf des Jahres auch die Schweiz erreichen sollten…
Lesen Sie morgen: das geschah im zweiten Halbjahr von Juli bis Dezember 2022.