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Grosse Freiheit. Kleines Gepäck: Domi Magnusson auf dem Te Araroa Trail. Bilder: Dominique Magnusson

«Wer braucht denn schon eine ganze Zahnbürste?»

Andreas Güntert

Auf Reisen möglichst wenig Gepäck mitnehmen: Das möchten viele. Dominique Magnusson hat daraus eine wahre Leidenschaft gemacht. Von der begeisterten Fernwanderin lernst du, wie dir ultraleichtes Reisegepäck brutal Kilos einspart. Reduce to the Min.

Wo andere die Abkürzung suchen, wählt Dominique «Domi» Magnusson den langen Weg. Die Zürcher Werberin hat eine Leidenschaft für «Long Distance Hiking», für Fernwanderwege abseits der Zivilisation.

«Weit Wandern», sagt Domi, «bringt mich an Orte hin, wo sonst keiner ist. Man lernt Land und Leute intensiver kennen – und sich selber auch. Freiheit!»

Für Normalverbraucher mag schon eine drei- oder viertägige Wanderung ein langer Marsch sein – für Domi wäre das wohl erst das lockere Einlaufen. Fünf Monate auf dem Pacific Crest Trail (4200 Kilometer) in den USA oder vier Monate auf dem Te Araroa Trail (3030 Kilometer) in Neuseeland – das ist Domis Welt.

Okay, es geht zur Not auch mal kürzer. 16 Tage dauerte ihre letzte Weitwanderung, über 14 Alpenpässe auf der Via Alpina von Vaduz nach Montreux. Auf ihrer Website The Walking Dom erzählt Domi, 32, von ihren Trips.

Ultraleichtes Reisegepäck: Im Kampf gegen die Kilo-Hexe

Wer so lange unterwegs ist, muss das, was man mitschleppt, möglichst knapp und leicht halten. Die Devise lautet: Ultraleichtes Reisegepäck. «Am Anfang», erzählt Domi, war ich noch mit einem Gepäck von zehn Kilo unterwegs. Schockierend viel!»

Seither arbeitet die Art Directorin an der Masse, ohne Unterlass. In einer munteren Mischung aus fiebrigem Spass und heiligem Ernst kämpft Domi um jedes Gramm: «Aktuell bin ich bei 5,5 Kilogramm», erzählt die Fernwandererin, «mein Fernziel ist 4.3 Kilo.» Man könnte auch sagen: Extrameile gehen: Ja. Möglichst viele Fernwander-Kilometer: Ja. Gepäck-Kilos: Nein.

Stay ultra light, baby! Eine Devise von Domi Magnusson, auch am Strand in Neuseeland.

«Alles, was zählt, ist Gewichtsverlust», sagt Domi. In Abwandlung von «Reduce to the Max», des ikonischen Werbeclaims für das Knutschkugel-Autos Smart, heisst es also hier: «Reduce to the Min.». Oder: «Stay ultra light, baby!»

Sparen kann man überall, sagt Domi, nur bei einem Gewichtsfaktor muss man vorsichtig sein: Beim Wasser. Aber auch hier gibt es Potenzial, wie wir gleich noch sehen werden. Hier kommen Domis sieben Tipps für ultraleichtes Reisegepäck.

Zelten ohne Zeltstangen

Auf ihren Trips fernab der Zivilisation ist Domi mit dem Zelt unterwegs. Zeltstangen wären da ein brutaler Gewichtsfaktor. Das Wort «wären» macht schon klar: Zeltstangen braucht es nicht, sagt Domi:

«Dafür kann man auch die Wanderstöcke benutzen.»

Der Mensch schläft. Der Wanderstock hält die Stellung. Beziehungsweise: das Zelt.

Wenn wir noch ein Momentli bei den Wanderstöcken bleiben dürfen. Diese in der Regel brutal unterschätzten Gerätschaften haben nämlich noch mehr drauf.

Bei Domi jedenfalls funktioniert der gemeine «Trekking Pole» auch als eine Art kleines Warenlager. Will heissen: Um die Wanderstöcke kleben stets ein paar Lagen Duck Tape. Domi: «Klebt alles. Klebt dauerhaft.»

Im Falle eines Falles – klebt Duck Tape einfach alles.

Nähen? Natürlich mit Zahnseide

Auf einer langen Wanderung geht immer mal wieder was in die Brüche. Bei den Schuhen etwa, so Domis Erfahrung, passiert das oft beim Aussenrist.

Wo andere für ständige Reparaturarbeiten ein ganzes Nähset mitschleppen, machts Domi in ultraleicht: «Zahnseide ist perfekt zum Nähen. Ist nicht schwer, hält lange und riecht erst noch gut.»

Dieser Schuh wäre schon fast im Off gelandet. Dank Zahnseide-Einsatz ist er wieder fit.

Wobei: Guter Geruch kann auch Fernwanderung nicht immer allerallererste Priorität haben. Zum Beispiel, wenn es um die ultraleichte Garderobe geht.

Bist Du stark genug? Okay, weiter unten kommt mehr zu diesem Thema.

Trinkflasche: PET macht den Job

Umwelttechnisch hat die PET-Flasche nicht das allerbeste Image. Aber Domi schwört aus Gewichtsgründen darauf. Der Grund ist klar: «Herkömmliche Trinkflaschen aus Alu sind viel zu schwer.» Auf Domis Fernwanderungen benutzt sie eine PET-Flasche über Monate.  Wobei es in der Regel zwei verschiedene PET-Flaschen sind: «Eine für Wasser. Die andere für Rum oder Rotwein.»

Essbesteck: Ein Löffel, ein Messer. Fertig

Der Internaut schwört zwar auf sein Megalö-Gerät, die in einem Teil verbaute Mischung aus Messer, Gabel und Löffel Aber für die Extended-Version-Wanderung ist das nichts, sagt Domi:

«Ein Alu-Löffel und ein Single-Blade-Messer – fertig.»

Die Regel: Stay ultra light, baby. Der Brotaufstrich, der hier per Alu-Löffel erfolgt: Die berühmte Ausnahme von der Regel.

Von den weltweit bekannten Messern mit einer Unzahl an Klingen und Instrumenten hält Domi für die Long-Distance-Strecke herzlich wenig.

Und fragt: «Wer braucht schon einen Korkenzieher?»

Zahnbürste: Ja. Ganze Zahnbürste? Nein.

Domi hat eine herrliche Art, Bestehendes zu hinterfragen. «Eine Zahnbürste brauchen alle», sagt der Fernwander-Fan, «aber wer braucht denn schon eine ganze Zahnbürste?» Domi sicher nicht.

Sie bricht den Stiel ab, so dass bei der Mundhygiene nur noch den Borstenteil zwischen die Finger nehmen kann. Schon wieder ein paar Gramm gespart.

Ultraleichtes Reisegpäck: Ein T-Shirt für vier Monate

Kleider: ein hervorragendes Feld, um Gewicht einzusparen. Domi machts in voller Konsequenz: «Ein einziges T-Shirt reicht». Du stinkst beim Wandern sowieso, egal wie oft Du das Oberteil wechselst.»

Und in der Wildnis draussen interessiere es sowieso keine und keinen, wie man riecht.

Neuseeländisches Nebelmeer: Riecht gut. Wahrscheinlich besser als Domis T-Shirt. Aber hey: who cares?

Verpackung? Weg damit!

Wenn Domi ihr Essen einkauft, lässt sie die Verpackung im Laden. Was mit auf Wanderung darf, wird separat in Zip-Lock-Bags abgepackt. Was Domi hierzu sagt, ahnen wir schon.

Wir wollen es trotzdem noch einmal hören: «Spart brutal Gewicht».

Ultraleichtes Reisegepäck: Eine kleine Sünde

Wenn man diese Tipps so liest, könnte man das Gefühl kriegen, dass Domi die pure Askese lebt und sich selber auf Fernwanderung nichts, aber auch rein gar nichts, gönnt. Was in dieser Härte so aber nicht stimmt. Einen einzigen Luxus erlaubt sich die Long-Distance-Hikerin: «Ich nehme jeweils ein aufblasbares Kissen mit.»

Da mag die pure Unvernunft sein, ein paar harte Gramm zu viel. Aber halt auch schön. Ein kleines bisschen Komfort in der abgeschiedenen Zone dort draussen, die für Domi die pure Freiheit ist.

Will am Morgen vieles wissen. Aber nicht, wo sie am Abend übernachten wird: Domi Magnusson alias Walking Dom.

Das Allerletzte. Und das Allerallerletzte

Was für Domi dabei der Inbegriff der Freiheit ist: «Das Allerletzte, was ich will: Am Morgen schon wissen, wo ich am Abend übernachte.»

Und das Allerallerletzte: Zu viel Gepäck dabei zu haben.