Reiseanbieter

England bleibt das Sprachreise-Ziel Nummer 1. Bild: Fotolia

Der Boom bei den Sprachreisen ist vorbei

Yves Eberli

Die einst so beliebte Reisesparte ist ins Stocken geraten. Das sind die Gründe für den Rückgang. Und so wollen die Spezialisten gegen die Stagnation ankämpfen.

Die Schweizer Sprachreisen-Anbieter erleben keinen guten Jahrgang. Die Nachfrage nach Sprachaufenthalten im Ausland wächst nicht mehr in den Himmel. Wieso zeichnet sich derzeit eine Stagnation oder gar ein Rückgang ab bei der einst so beliebten Sparte? Travelnews.ch hat die Sprachreisen-Experten befragt.

Michel Jenal, Area Manager Switzerland bei ESL Education.

Wieso derzeit der Umsatz bei den Schweizer Sprachreisen-Anbieter leidet und nicht mehr das Niveau der Vorjahre erreicht, dazu sagt Michel Jenal, Area Manager Switzerland von ESL Education: «Wir stellen die Tendenz fest, dass die Kunden die Sprachschulen vermehrt online buchen, ohne Hilfe der Sprachaufenthalt-Agenturen hier in der Schweiz, obwohl die Beratung und Organisation bei uns komplett kostenlos ist».

Zudem verkürze sich die Durchschnittsdauer der Sprachschul-Aufenthalte, stellt Jenal fest, weil mehr Zeit für das Reisen im Land verwendet werden will. Als weiteren Grund nennt er teurere Preise, etwa in den USA. Dies alles habe trotz gleicher Buchungszahl zu geringerem Umsatz geführt.

Thomas Althaus, Managing Director bei Globo-Study Sprachreisen.

Die Nachfrage nach Sprachreisen sei zwar nach wie vor gross, sagt Thomas Althaus, Managing Director bei Globo-Study Sprachreisen, allerdings habe die Reisedauer in den letzten zwei Jahren abgenommen: «Ein Grund dafür ist die ausgezeichnete Schulbildung, welche unsere Studenten bereits in jungen Jahren in der Schweiz geniessen. Wurden vor einigen Jahren über 50 Prozent aller Überseebuchungen als Cambridge Examenskurs mit mindestens zwölf Wochen gebucht, so sind es heute nur noch rund 20 Prozent.»

Des Weiteren gebe es immer mehr OTAs im weltweiten Sprachreisemarkt, weshalb zahlreiche Sprachreiseanbieter Reduktionen und Rabatte anbieten, was vor wenigen Jahren noch nicht der Fall gewesen sei.

Marcel Rüfenacht, Head of Marketing bei Boa Lingua.

Marcel Rüfenacht, Head of Marketing bei Boa Lingua, ist über die diesjährige Umsatzentwicklung nicht besonders erstaunt: «Generell ist das Sprachreise-Geschäft schon länger stagnierend, dies aus mehreren Gründen: die demografische Entwicklung mit geburtenschwachen Jahrgängen gehört dazu. Zudem buchen Kunden tendenziell kürzere Aufenthalte, als noch vor fünf oder zehn Jahren.»

Dafür, fügt Rüfenacht an, habe die Repeater-Quote zugenommen. Bei Boa Lingua laufe das Jahr 2018 insgesamt durchaus gut.

Neue Kombinationen und persönliche Beratung

Doch tatenlos zuschauen, wie der Umsatz stagniert oder dahinschmelzt, wollen die Sprachreisen-Spezialisten nicht. Globo-Study kombiniert Sprachaufenthalte verstärkt mit Freizeitaufenthalten. «Mit unseren 30plus- und 50plus-Erlebnissprachreisen und den Sportcamps für Jugendliche bieten wir attraktive, ergänzende Programme», sagt Althaus. Er nennt Yoga, Surfen, Sport oder Kochen als ergänzende Kurse. Und in Ecuador, Panama und Costa Rica reisen die Studenten im «Travelling Classroom» gemeinsam mit ihrem Lehrer während drei Wochen durch das Land und werden lokal an den verschiedenen Destinationen unterrichtet.

Derzeit punktet Globo-Study auch mit Fussballcamps für Jugendliche bis 17 Jahren. Dabei lernen die Schülerinnen und Schüler während zwei Wochen Englisch und trainieren an den Fussballschulen weltbekannter Fussballclubs.

«Wir setzen auf unsere persönliche, kostenlose Beratung», erklärt Rüfenacht. «Mit zehn Filialen und erfahrenen Expertinnen und Experten sind wir schweizweit präsent», unterstreicht er die Marktpräsenz von Boa Lingua. «Wir bieten Sprachaufenthalte für jede Lebenslage und setzen auf Kooperationen mit Verbänden wie FH Schweiz oder dem Kaufmännischen Verband». Derzeit punkten kann Boa Lingua zweifellos auch mit einer attraktiven Web-Präsenz. Der Internet-Auftritt ist neu aufbereitet und auch der Boa-Lingua-Youtube-Kanal ist einen Besuch wert. «Die Videos haben wir übrigens alle selber produziert», sagt Rüfenacht. Ausgebaut hat Boa Lingua zudem die Angebote für 13- bis 15-Jährige.

Michel Jenal von ESL Education stellt fest, dass Sprachstudenten stets höhere Ansprüche haben, wie etwa bei der Gastfamilie oder der Studentenresidenz: «Der Sprachkurs sollte heute mit anderen Aktivitäten wie Art & Design, Surfen, Business Englisch oder Arbeiten kombinierbar sein». So bietet ESL Education Englischkurse an in Zusammenarbeit mit Job Club. Dabei erhalten die Studenten Unterstützung, wie sie in England neben dem Sprachkurs auch arbeiten können.

«Auch Unternehmenspraktika im Anschluss an den Sprachaufenthalt in einer bestimmten Branche sind beliebt», sagt Jenal. «Diese Produkte bauen wir in Zukunft noch stärker aus.» Gleichzeitig hält Michel Jenal fest, dass es immer wichtiger wird, die jüngeren Zielgruppen auf den richtigen Kanälen zu erreichen – Facebook etwa sei bei den 16- bis 25-Jährigen tot.

Zwar backen die Sprachreise-Anbieter kleinere Brötchen als auch schon, die Attraktivität des Marktes ist aber nach wie vor gegeben – insbesondere mit neuen, innovativen Ideen, lässt es sich bei Sprachreisen offensichtlich weiterhin punkten.