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Am Hauptsitz an der Sägereistrasse 20 in Glattbrugg kam es am Dienstag zur sofortigen Trennung von Hotelplan Suisse und CEO Kurt Eberhard. Bild: TN

Kommentar Kurt Eberhards abrupter Abgang – die Analyse

Jean-Claude Raemy

Was hat der Hotelplan-Suisse-CEO falsch gemacht? Wohin führt die Strategie von Thomas Stirnimann? Mögliche Gründe für den Knall beim Branchenleader.

Die Nachricht kam am Mittwochabend um 17.00 Uhr aus heiterem Himmel: Kurt Eberhard ist per sofort nicht mehr CEO von Hotelplan Suisse. Nach einem ersten Schock, den viele Branchenteilnehmer via unterschiedlichsten Social-Media-Plattformen kundtaten, war an den abendlichen Branchenanlässen diese Trennung natürlich eines der vorrangigen Themen. Auch intern war nur kurz zuvor informiert worden und die Überraschung gross. Über die Gründe der abrupten Trennung kann man heute erst spekulieren, denn Thomas Stirnimann, CEO der Hotelplan Group, lässt sich natürlich nicht in die Karten schauen, was genau mit «unterschiedlicher Auffassung zur strategischen Ausrichtung» gemeint war.

Das sind die augenfälligsten Elemente des gestrigen Knalls in Glattbrugg:

Es gibt keinen neuen CEO

Als Nachfolger von Kurt Eberhard ist seit heute Morgen Daniel Bühlmann aktiv, ein langjähriger Weggefährte Stirnimanns – allerdings nicht als CEO, sondern als Chief Operating Officer (COO), der direkt an Stirnimann rapportiert. Es gibt momentan keinen Hinweis darauf, dass nach einem neuen CEO gesucht wird und Stirnimann lässt durchblicken, dass dies auch gar nicht nötig sei.

Letzteres lässt vermuten, dass Stirnimann eine stärkere operative Rolle einnehmen will. Er hat selber angedeutet, dass er sich wieder mehr einbringen wolle. Bei ihm laufen ohnehin alle Fäden zusammen: Stirnimann ist CEO der Gruppe, aber leitet auch persönlich die «Holiday Home Division» (und darin die Firma Interhome ebenfalls persönlich; bei Inter Chalet ist Jytte Toft an der Spitze) ebenso wie die Division «UK & Switzerland». Letzere besteht aus Hotelplan UK (Chef: Paul Carter), BTA First Travel (Chef: Robert Berger) und Hotelplan Suisse, wo nun also Daniel Bühlmann am Ruder ist. Bühlmann war zwölf Jahre lang Finanzchef bei Kuoni, ehe ihn Stirnimann im Januar 2009 als CFO zu Hotelplan holte.

Hat Kurt Eberhard etwas falsch gemacht?

Insgesamt fast vier Jahre lang war Kurt Eberhard an der Spitze von Hotelplan Suisse. Natürlich war Eberhard mit denselben Problemen wie alle klassischen Grossveranstalter konfrontiert: Schwindende Umsätze, schwierige Neuausrichtung hin zu neuen Standbeinen und Geschäftsmodellen. Trotz starken Rückgängen vor zwei Jahren konnte sich Hotelplan Suisse im letzten Jahr fangen und ein gutes Ergebnis vorlegen; für das aktuelle Jahr war Eberhard letzte Woche noch «vorsichtig optimistisch». Dass kein Glanzjahr in Aussicht ist, dürfte aber kaum ausschlaggebend gewesen sein.

War es die Ausrichtung? Hotelplan holte vor vier Jahren bewusst einen ausgewiesenen «Spezialisten» an die Spitze des Generalisten. In einem Spezialistenbereich – Aktiv- und Sportreisen – war nun Eberhard mit grossem finanziellem Einsatz daran, ein neues Standbein aufzubauen. Eines mit wenig Skalierbarkeit, aber wo immerhin sehr gute Margen erwartet werden, was das Jahresresultat, welches immer noch weitgehend vom notorisch margenschwachen Badeferiengeschäft dominiert wird, entlasten soll. Der Aufbau hat allerdings erst vor einem Jahr begonnen und wird dieses Jahr vor allem auf der Kosten- und noch nicht auf der Ertragsseite zu spüren sein.

Gleichzeitig hat Eberhard mit den kaum mehr gebrauchten Handelsmarken der früheren RBM-Gruppe aufgeräumt und die Spezialisten dem Brand Travelhouse untergeordnet. Ein grosser Aufschrei blieb allerdings aus. Technologisch ist Hotelplan Suisse vergleichsweise gut aufgestellt. Auffällig war vielleicht, dass Hotelplan wieder vermehrt Charterrisiken eingeht, obwohl dies in letzten Jahren teilweise ins Auge gegangen ist. Dennoch wurde im Vergleich zu früheren Jahren, zumindest laut Eberhard, eher vorsichtig eingekauft.

Unverändert ist, dass der letzte rein schweizerische TO einen zunehmend schweren Stand hat gegen riesige ausländische Konkurrenz, die unter anderem Ableger in der Schweiz hat. Doch eigentlich hat sich Hotelplan in diesem Kontext ganz gut geschlagen.

Kurz: Eberhard kann man kaum einen gravierenden Fehler oder Ideenlosigkeit unterstellen. Eine markante Neuausrichtung von Hotelplan Suisse hat es unter seiner Ägide allerdings auch nicht gegeben. Aber hätte er eine solche alleine überhaupt durchboxen können?

Ist da was Grösseres im Schilde?

Möglicherweise sind die Zusammenhänge viel grösser. Wie die «Handelszeitung» heute berichtet, wird der Migros-Konzern, zu welchen die Hotelplan Group gehört, am kommenden 28. Juni sein Restrukturierungsprogramm «Fast Forward» präsentieren. Die Rede ist vom Abbau zahlreicher Arbeitsplätze und der Einführung eines harten Kostenmanagements. Der neue Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen, der auch VR-Präsident der Hotelplan Group ist, greift erstmals spürbar durch. Natürlich ist Hotelplan Suisse ein vergleichsweise kleines Rädchen im Migros-Konzern, aber wenn es heisst «hartes Kostenmanagement», wird vielleicht nicht mehr mit der gleichen Nachsicht wie in den vergangenen Jahren mit negativen Ergebnissen umgegangen. Sprich: Stirnimann fühlt den Druck aus dem MGB-Turm am Limmatplatz vermutlich stärker als auch schon.

Wird Hotelplan Suisse nun, unter neuer Leitung, ebenso wie der Migros-Konzern einer Radikalkur unterzogen? Die «unterschiedliche Auffassung zur Strategie» zwischen Eberhard und Stirnimann legt nahe, dass offenbar von Letzterem Massnahmen oder eine Stossrichtung gefordert werden, welche ersterer nicht tragen will. Werden einige der 104 Reisebüros geschlossen? Gibt es einen Abbau am Hauptsitz? Wird gar mit anderen Reiseunternehmen über eine Fusion oder Übernahme diskutiert? Das wäre vor kurzem noch undenkbar gewesen, ist in der «neuen Migros» der Handschrift Zumbrunnens aber nicht auszuschliessen.

Oder folgt eine Stärkung der Engagements bei zukunftsgerichteten Geschäftsfeldern? Bedfinder ist ein – vielversprechendes – Startup innerhalb der Hotelplan Group, aber eben noch ein Startup. Will man vermehrt in diesem bzw. ähnlichen Bereichen aktiv sein? Allerdings würde das ja nicht die Marke Hotelplan stärken.

Stirnimann weiss bestimmt, was er tut. Dieser hat in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass er vor radikalen und möglicherweise unpopulären Massnahmen nicht zurückschreckt.