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Seit bald sechs Jahren Präsident des Schweizer Reisebüro-Verbands (SRV): Max E. Katz, hier in den Räumlichkeiten der SRV-Geschäftsstelle in Zürich-Wollishofen. Bild: TN

«Es braucht die Reisebüros heute mehr denn je»

Jean-Claude Raemy

Max E. Katz, Präsident des Schweizer Reise-Verbands (SRV), äussert sich im Interview mit travelnews.ch zu Ausbildungsthemen, zum Reisebüro der Zukunft – und ob er sich im Herbst zur Wiederwahl stellt.

Herr Katz, welches sind die wichtigsten Themen, welche der SRV in diesem Jahr angeht?

Zunächst einmal will ich festhalten, dass sich die wichtigsten Themen des SRV nicht von Jahr zu Jahr ändern. Wir haben «Standardaufgaben» in den Bereichen Ausbildung sowie Umwelt & Soziales und betreiben Interessenvertretung unserer Mitglieder an zahlreichen Orten, in der Wirtschaft wie in der Politik. Was in diesem Jahr allerdings ansteht, ist die zweijährige Überprüfung unseres Schwerpunktprogramms. Der Vorstand wird dazu im Mai tagen. Mit dabei werden dann erstmals auch die an der letzten GV gewählten neuen Vorstandsmitglieder Olivier Emch und Roger Geissberger sein. An dieser ganztägigen Strategiesitzung werden wir die wichtigsten Themen der nahen Zukunft definieren.

Aber es gibt sicher jetzt schon einige Projekte, die ausserhalb der Standardaufgaben laufen.

Ja, das gibt es jedes Jahr. Da ist einerseits das Projekt «Reisebüro der Zukunft», eine Studie, die wir mit der Universität Bern durchführen. Wir sind gespannt auf die Resultate und werden an der nächsten GV im November die Resultate präsentieren können. Im Ausbildungsbereich widmen wir uns ausserdem der Frage, wie man das Image der Reisebranche weiter verbessern und den Interessentenkreis für eine Reisebürolehre verbreitern kann.

Wie muss man sich Letzteres vorstellen?

Wir haben gute Lehrlinge. Wir haben auch kein Problem hinsichtlich der Quantität; die Lehrplätze werden in der Regel gefüllt. Es geht aber darum, eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Reisebranche abzubauen, gerade auch in den Köpfen der Eltern der potenziellen Lehrlinge. Zu oft ist eine Reisebürolehre nicht zuoberst auf der Wunschliste von Jugendlichen und deren Eltern. Wir überlegen uns deshalb, erstmals an Berufsmessen teilzunehmen, um aktiv auf die Attraktivität einer Reisebürolehre hinzuweisen.

Welche Argumente werden dann dort ins Feld geführt?

Zum einen ist eine Reisebüro-Ausbildung wertvoll und viele Abgänger finden nach der Lehre eine Stelle in der Branche, viele finden jedoch auch relativ einfach eine Stelle in anderen Branchen. Der Reiseverkauf ist komplex und vielseitig und stellt hohe Anforderungen an Wissen und Dienstleistungs-Bereitschaft. Die Qualität dieser Ausbildung müssen wir besser bekannt machen.

Es gibt schliesslich immer weniger Lehrlinge in der Reisebranche...

Das hat aber eigentlich nichts mit der Nachfrage von Seite der Jugendlichen zu tun, sondern mit dem Angebot auf Arbeitgeberseite. In den letzten fünf Jahren ist die Anzahl Lehrlinge in der Reisebranche um 15 Prozent zurückgegangen. Diese Zahl korreliert genau mit dem Mitgliederschwund im SRV; sie ist also eine Konsequenz der Konsolidierung in der Reisebranche. Wir sehen das nicht so dramatisch, quantitativ betrachtet. Aber der Stellenwert der Reisebranchen-Lehre ist wichtig. 

Auf der SRV-Geschäftsstelle haben wir mit Nadeshda Britschgi eine Person, die sich Vollzeit um Ausbildungsfragen kümmert, mit Schulen und Lehrlingsbeauftragten und Experten in Kontakt steht und mit unserem Fachexperten Daniel Bauer darüber nachdenkt, in welcher Form man am besten in die Jugend «investiert». Das zeigt den Stellenwert auf, den das Thema Ausbildung beim SRV geniesst.

«Viele Reisebüros haben von der Konsolidierung auch profitiert.»

Was hören Sie zum allgemeinen wirtschaftlichen Befinden Ihrer Mitglieder?

Wir sind bisher vorwiegend auf zufriedene Gesichter gestossen. Das Jahr 2018 habe sehr stark angefangen, inzwischen hat sich das zwar etwas abgekühlt, aber man liegt generell noch über Vorjahr. Auch an der ITB neulich stellte ich eine positive Grundeinstellung fest. Die «Sorgenkinder» wie Ägypten, Türkei oder Tunesien kommen zurück, womit sich die Ströme der Reisenden besser verteilen. Es findet eine gewisse Normalisierung im Geschäft statt, was die Nachfrage beflügelt. Man liest ja auch regelmässig über Erhöhungen von Sitzplatzkapazitäten seitens der Veranstalter, was ein gutes Zeichen ist.

Die aktuell gute Nachfrage steht ausser Zweifel. Doch wer profitiert davon? Man hört ja stets, dass sich die klassische Reisebranche, aber Veranstalter und Reisebüros, weiter konsolidiert.

Bezogen auf die Reisebüros bin ich überzeugt, dass wir keine rasante Konsolidierung mehr wie in vergangenen Jahren erleben. Es gibt sicher noch das Thema der Nachfolgeproblematik, wobei bestehende unabhängige Reisebüros für grosse Vertriebsketten wieder etwas attraktiver sind als auch schon. Insofern würde ich sagen, dass die Reisebürolandschaft in der Schweiz ihre «Sollgrösse» erreicht hat. Man darf auch nicht vergessen, dass viele Reisebüros von der Konsolidierung auch profitiert haben.

Bezogen auf die Reiseveranstalter gehe ich ebenfalls davon aus, dass es keine nennenswerte weitere Konsolidierung geben wird. Die 5-8 grössten Schweizer Reiseveranstalter sind gut aufgestellt und solid finanziert, entweder in der Hand finanzkräftiger Muttergesellschaften oder von vermögenden Einzelpersonen. Die meisten schreiben auch schwarze Zahlen. Vielleicht wird noch der eine oder andere Spezialist verkauft, aber viele davon gibt es ja nicht mehr.

Könnte es gar in die andere Richtung gehen? Etwa mit der Gründung neuer Reisebüros und Reiseveranstalter?

Ich sehe da keine grosse Entwicklung. In der heutigen Zeit ist es für eine Neugründung schwierig, genügend Kunden und Umsatz zu generieren, und gerade im Bereich IT ist das mit hohem Kapitalaufwand verbunden. Unternehmertum gibt es vielleicht noch in Nischen, etwa bei Luxusreisen oder bei Ausflügen, eventuell noch etwas im Online-Bereich. Aber Start-ups brauchen einen langen Atem.

Sollte der SRV nicht Unternehmertum in der Reisebranche fördern?

Grundsätzlich stellen wir sicher, dass Mitglieder mit bestehendem Betrieb gute Rahmenbedingungen vorfinden. Das ist unsere primäre Aufgabe. Wenn wir in der Ausbildung auch Unternehmer mit guten Ideen hervorbringen können, umso besser.

«Die grossen Veranstalter sind kraft ihrer Relevanz gut geschützt.»

Erfolgreiche neue Unternehmen in der Reisewelt sind in den letzten Jahren vor allem in Übersee entstanden. Expedia, Airbnb, Booking und andere verändern die Reisewelt massiv und gewinnen immer grössere Marktanteile, indem sie ihre Technologie verfeinern. Da steht auch gigantisches Kapital zur Verfügung. Macht Ihnen das keine Angst?

Natürlich muss man das verfolgen und sich überlegen, wo man den Kampf aufnehmen kann und was man gehen lassen soll. Das ist vor allem Sache der Grossunternehmen. Aus Schweizer Sicht denke ich, dass die wichtigsten Veranstalter kraft ihrer Relevanz im Heimmarkt bzw. im europäischen Markt gut geschützt sind. Sie versuchen auch mittels Partnerschaften ihre Geschäftsfelder und Vertriebswege auszuweiten. Manche setzen auf hochgradige Spezialisierung und hohe Service-Levels.

Haben Reisebüros und TOs ihre Position in der Reisewelt gefunden?

Natürlich bieten die OTAs sehr gute Produkte und bewegen sich immer mehr zu Full-Service-Agenturen. Aber die herkömmlichen Veranstalter, auch bei uns, verzeichnen ja steigende Zahlen in ihrem Onlinegeschäft. Das mag regional unterschiedlich sein; in Skandinavien ist es sicher viel höher als im deutschsprachigen Raum. In Deutschland nimmt ja die Reisebüro-Anzahl wieder zu.

Die Reisebuchungs-Kultur im deutschsprachigen Raum bietet also einen gewissen Schutz?

Ich denke schon. Das hat auch mit der Verfügbarkeit der Dienstleistung zu tun: Im Gegensatz zu Skandinavien findet man in der Schweiz mancherorts Reisebüros. Diese spielen lokal auch aktive Rollen. Und: Im Reisebüro ist die Buchung meist gar nicht teurer als online – dafür hat man noch Beratung und den «Human Factor». Das wird in unseren Breitengraden geschätzt.

Und die Reisebüros wissen heute, was sie zu tun haben.

Man muss Wert auf eine kompetente Beratung legen, sich möglicherweise regional oder thematisch spezialisieren, Stammkundschaft aufbauen und pflegen, und damit eben Mehrwert bieten. Das ist aber schon seit Jahren so und wird wegen Booking, Expedia und anderen nicht anders. Wer das gut macht, hat seine Daseinsberechtigung im Ökosystem der Reisewelt. Es gibt übrigens viele Reisebüros in der Schweiz, denen es sehr gut geht.

«Es gibt viele Reisebüros in der Schweiz, denen es sehr gut geht»

Man hört ja sogar von der «Rückkehr ins Reisebüro». Lässt sich diese belegen?

Die Schweizer Reisebranche ist, was konkrete Zahlen und grundlegende Studien angeht, leider sehr spärlich durchleuchtet. Es gibt kaum Marktzahlen, aber wir stützen uns da auf Beobachtungen und Feedback. Es gibt aus den USA Studien, welche belegen, dass die Millennials ins Reisebüro zurückkehren, weil sie die «Convenience» im Reisebüro schätzen und nicht stundenlang auf eigene Faust suchen wollen. Zudem stellt die alljährliche Allianz-Umfrage schön dar, wie hybrid heutige Kunden sind – sie buchen mal online, mal offline. Letzteres dann, wenn es kompliziert ist und eine gewisse Sicherheit beim Buchungsvorgang geschätzt wird. Jedes Mal, wenn irgendwo eine Naturkatastrophe geschieht, merken die Leute auch wieder, welche Vorteile Reisebüro-Buchungen mit sich bringen. Deshalb braucht es die Reisebüros auch in Zukunft mehr denn je.

Ist eigentlich mal wieder eine Werbekampagne «Pro Reisebüro» angedacht?

Wir haben das nicht im Budget. So wie das Geschäft aktuell läuft, ist eine gross angelegte Imagekampagne nicht notwendig. Wir müssten das ohnehin in Absprache mit den Grossveranstaltern machen, aber diesbezüglich laufen keine Gespräche.

Wenn wir schon bei Kampagnen sind: Was läuft gerade bei der «Motion Markwalder»?

Die Motion wurde im National- und Ständerat angenommen und jetzt ist das Bundesamt für Justiz beauftragt, einen Gesetzesentwurf zu entwickeln. Der SRV-Vorstand hatte vor kurzem gemeinsam mit Vertretern der Kundengeldabsicherungen und dem Ombudsman der Schweizer Reisebranche eine konstruktive Sitzung mit Vertretern des Bundesamts für Justiz. Bis Ende März konnten jetzt noch schriftliche Stellungnahmen abgegeben werden, das haben wir von SRV-Seite aus erledigt. Nun wird es wohl 2-3 Jahre dauern, bevor ein Gesetz steht, so langsam ist halt der politische Prozess. Aber es war wichtig, dass die Outgoing-Branche in Bundesbern nun endlich auch einmal wahrgenommen wurde.

«Overtourism» wurde im letzten SRV-Geschäftsbericht auch angesprochen. Kann der SRV dagegen politisch etwas unternehmen?

Als SRV allein sind wir nicht in der Lage, konkret etwas auszurichten, aber wir bringen uns diesbezüglich in internationalen Gremien ein. Das Problem ist einfach, dass viele Menschen zur selben Zeit an dieselben Orte wollen. Wir empfehlen unseren Mitgliedern – im Jahresbericht, in Gesprächen, in unserem Newsletter - in der Beratung nach Möglichkeit auch einmal «Zweitstädte» anzubieten. Gute Reisebüros werden ihren Kunden sicherlich Alternativen beim Zeitpunkt und bei der Destination aufzeigen können. Das ist Dienst am Kunden, der ein Reisebüro auszeichnet.

«Die SRV-GV hat auch einen Studienreise-Aspekt.»

Noch etwas zur SRV-GV: Was dürfen die Mitglieder dort erwarten?

Wir werden die einzelnen Inhalte und Schwerpunkte wie eingangs erwähnt an der Strategietagung im Mai erörtern. Wir haben gehört, dass die Mitglieder mehr Einbezug wünschen, und überlegen hier an diversen Plattformen herum, etwa Workshops oder Foren. Wir werden zu gegebener Zeit orientieren.

Der Austragungsort der nächsten GV ist ja jeweils ein gut gehütetes Geheimnis. Was lässt sich zum Findungsprozess sagen?

Wir wollen stets etwas Neues bieten. Ich denke, mit der erstmaligen Ausführung der GV auf einem Kreuzfahrtschiff ist uns dies für 2018 gelungen. Auch die GVs in Abu Dhabi oder Tel Aviv fussten darauf, dass viele Mitglieder den Austragungsort selber noch nicht kannten. Die GV hat durchaus auch einen Studienreise-Aspekt, das ist bei den GVs anderer Verbände wie dem DRV oder dem ÖRV ja auch so. Wir werden bemüht sein, auch für 2019 wieder einen spannenden Austragungsort präsentieren zu können.

Sind denn Überraschungen noch möglich?

Natürlich. Es ist nicht so, dass wir einfach jeden Bieter akzeptieren. Es gibt Destinationen, die würden uns jedes Jahr mit offenen Armen empfangen. Aber wir versuchen auch, Wünschen der Mitglieder nach Möglichkeit nachzukommen.

Noch etwas: Sie sind offiziell bis zur GV 2018 im Präsidentenamt bestätigt. Sie nähern sich aber auch dem offiziellen Pensionsalter. Stellen Sie sich zur Wiederwahl?

Zunächst einmal will ich wissen, ob der SRV-Vorstand mich überhaupt noch als Präsidenten will. Ich werde mir danach überlegen, wie es weitergeht. Das Präsidentenamt beim SRV war ursprünglich nicht ein Karriereziel für mich – aber ich muss sagen, dass mir diese Tätigkeit mit ihren vielen unterschiedlichen Aufgaben Spass macht. Die Reisebranche ist eben eine coole Branche - sie ist intensiv, vielfältig, weltgewandt und herausfordernd. Es ist schön, wenn man sich über die Tätigkeit beim SRV für diese einsetzen kann.