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Direkte oder zumindest NDC-fähige Buchungskanäle werden im Vertrieb immer stärker aufgezwungen. Bild: Fotolia

GDS und Reisebüros am Gängelband der Airlines

UPDATE: Die Lufthansa Group versucht verstärkt, den Vertrieb auf eigene Kanäle zu steuern. Manche freut's, andere weniger. Das sagt die SWISS.

Am letzten Mittwoch kündigte die Lufthansa Group an, dass ab April auf direkten Vertriebs- und NDC-Buchungskanälen neue «Bestpreise» angeboten werden – über die gesamte Economy-Tarifstruktur hinweg. Ob die News-Verkündung just vor der ITB absichtlich war oder nicht? Jedenfalls ging im Gegensatz zu ähnlichen früheren Aktionen keine grosse (mediale) Welle der Empörung durch die Reisebranche.

Gleichgültig scheint es den meisten dann dennoch nicht zu sein. An einer kurzen Travelnews-Online-Umfrage machten 473 Personen mit, was doch ziemlich oberhalb dem Teilnehmerdurchschnitt bei solchen freiwilligen Online-Umfragen liegt. Das Endresultat (man kann jetzt nicht mehr an der Umfrage teilnehmen) brachte hervor, dass 62 Prozent diese Massnahme der Lufthansa Group «eine Frechheit gegenüber dem Fremdvertrieb» finden, während 25 Prozent diese Massnahme begrüssten und nur 13 Prozent mit «ist mir egal» antworteten.

Unzufrieden dürften in erster Linie kleinere, unabhängige Reisebüros sein, welche sich keinen Direct-Connect-Anschluss an die Lufthansa Group leisten können und damit keinen Zugang zu den Bestpreisen erhalten. Walter Kunz, Geschäftsführer des Schweizer Reiseverbands (SRV), erklärt, dass der SRV bereits mal eine Replik an die SWISS geschrieben habe – wobei man nun in erster Linie damit beschäftigt sei, alle Fakten zu sammeln, bevor in Kürze dann eine Gesprächsrunde zwischen SRV und SWISS/Lufthansa Group stattfindet, wo dieses Thema «mit Sicherheit» aufgenommen werde.

GDS geben Gas in Sachen NDC-Kompatibilität

Unzufrieden dürften aber auch die GDS sein. Denn laut Mitteilung der Lufthansa Group wird künftig auch die «Best Offer», also der günstigste Tarif in Economy, nur noch über direkte Buchungskanäle buchbar sein, sprich über eigene Vertriebskanäle sowie über NDC-fähige Buchungkanäle. Die GDS-Buchung wird zumindest vorübergehend somit auf gewissen Strecken in Europa teurer als die Buchung via Direct Connect. Schon bisher waren gewisse Zusatzleistungen (Sitzplatzreservierung etc.) bei Europaflügen über Direct Connect und swiss.com günstiger gewesen als über GDS – und Letzteres wurde nun auch auf Langstrecken ausgeweitet. Die Strategie, Buchungen noch vermehrt weg von GDS hin zu eigenen Kanälen zu lenken, wird deutlich.

Stefan Angst (Sales & Marketing Manager, Amadeus Schweiz) sagt dazu, dass man sich mit dem Thema intensiv beschäftige: « Amadeus erkennt an, dass sich einige Fluggesellschaften für mehr Kontrolle über ihr Produkt entscheiden werden, während Reisebüros unverändert und zu den niedrigstmöglichen Kosten Zugriff auf alle relevante Buchungsangebote wünschen. Indem Amadeus NDC in die Travel Platform integriert, werden Reisebüros in der Lage sein, auf NDC-Content zuzugreifen, ohne über eine Direct-Connect-Schnittstelle arbeiten zu müssen. Gegenwärtig entwickeln wir diese Möglichkeiten und arbeiten dabei mit Airline- wie auch mit Reisevertriebs-Kunden zusammen, um eine Lösung zu entwickeln, die den jeweiligen geschäftlichen Anforderungen entspricht.»

Amadeus werde noch 2018 das NDC-Level-3-Zertifikat als Aggregator erhalten. Amadeus besitzt aktuell bereits das NDC-Level-3-Zertifikat als IT-Provider und das NDC-Level-1-Zertifikat als Aggregator. «Wir erwarten, im Jahr 2018 die Möglichkeit für Webservice-Buchungen freischalten zu können und damit eine NDC-Verbindung zu Fluggesellschaften», fährt Angst fort, «das heisst, dass wir mit den tonangebenden Partner-Airlines und -Reisebüros zusammenarbeiten, um auf Grundlage des NDC-Standards einen einfach zu bedienenden Ablauf von ‚Suchen, Buchen und Zahlen‘ zu ermöglichen. 2019 werden wir das weiterentwickeln, um Service-Funktionen einzubinden, welche Reisebüros brauchen, zum Beispiel Möglichkeiten für Umbuchungen oder die Hinzufügung von Zusatzleistungen.»

Travelport besitzt das NDC-Level-3-Zertifikat als Aggregator bereits.

Consolidators mit Direct Connect im Vorteil

Bei den Consolidators ist die Gemütslage unterschiedlich. Patrick Stomeo, Product Director Flights Hotelplan Suisse, erklärt etwa: «Uns hat bis zum jetzigen Zeitpunkt keine offizielle Kommunikation der Lufthansa-Gruppe erreicht, weshalb wir die genannte Information noch nicht kommentieren können. Sobald die Einzelheiten bekannt sind, werden wir unser Bestes geben, um unseren Kunden die bestmöglichste Lösung anbieten zu können.»

Etwas konkreter wird Andreas Cossalter, Director Flight Broker & Dynamic Production bei TUI Suisse: «Wir haben gehört, dass ab April die ‚Best Offers‘ der Lufthansa Group nur noch über die direkten Buchungskanäle buchbar sein werden. Welche Strecken das sind und wie gross die Preisdifferenz ist, wissen wir noch nicht, deshalb haben wir auch noch nicht offiziell diesbezüglich kommuniziert. Für uns ist das aber grundsätzlich kein Ärgernis. Wir haben Direct Connect in unseren B2B -Kanälen bereits im Betrieb, das heisst unsere Kunden können ebenfalls von den tieferen Preisen profitieren, vorausgesetzt sie buchen die Flüge über AirCruiser oder über die TO Buchungssysteme im Paket.» Seit fast zwei Jahren verfügt TUI Suisse mit dem AirCruiser über eine Direktanbindung an die Lufthansa Group. Bei Buchungen über AirCruiser verrechnet TUI Suisse eine Ticketgebühr von 6 Franken; für Zusatzleistungen gibt es eine BG von 5 Franken pro EMD.

So wie es also aussieht, schaffen es die Airlines, gemeinsam mit ihrem Dachorgan IATA, den Vertrieb auf NDC-fähige sowie proprietäre Kanäle zu lenken. Die Benachteiligung einzelner Vertriebskanäle, welche ab April 2018 de facto existiert, dürfte nur vorübergehender Natur sein - so lange nämlich, bis auch in allen GDS alles abbildbar ist, was mit dem neuen NDC-Standard eingeführt wird. In der Übergangszeit werden Consolidator, welche bereits Direct-Connect-Anschlüsse an die LH Group haben, im Vorteil sein. An der ITB wurde zum Teil auf Agentenseite auch schon gemunkelt, dass Consolidators durchaus eine Rolle gespielt hätten im Vorfeld der Ankündigung der Lufthansa Group.

Das sagt die SWISS

Welches Feedback hat SWISS in der Schweiz denn von Seiten der Branche zu dieser Initiative erhalten? Dazu SWISS-Sprecherin Sonja Ptassek: «Die Ankündigung einer erweiterten Angebotsdifferenzierung über die unterschiedlichen Buchungskanäle hat die Erwartungshaltung unserer angebundenen Vertriebspartner gestärkt. Der Forderung nach neuem Content seitens der angebundenen Vertriebspartnern konnte entsprochen werden und hat gleichzeitig konstruktive Gespräche mit Vertriebspartnern ohne eine entsprechende Direct Connect Lösung intensiviert, wie sie künftig auch den NDC-Standard in ihre Systemumgebung einbinden können.»

Ptassek präzisiert, dass die «Best Offer» nicht nur über die direkten Buchungskanäle buchbar sein wird, also GDS auf gewissen Strecken in Europa teurer als Direct Connect sein werden - zu diesem Punkt gab es im Anschluss an die Mitteilung der Lufthansa Group etwas Konfusion. «Da wir unseren Vertriebspartnern ebenfalls Zugriff auf diese Bestpreise ermöglichen möchten, haben wir diese Tarife auch auf unsere NDC-fähigen Distributionslösungen für Vertriebspartner erweitert», sagt Ptassek, «diese Lösungen umfassen sowohl Direktanbindungen als auch die Nutzung unserer Direktschnittstelle über einen NDC-Aggregator.»

Zur Klärung: Es gibt unterschiedliche Arten von Zertifizierungen. Diese werden von der IATA festgelegt und sind dort auch einsehbar. Die Zertifizierung alleine sagt nur aus, dass ein Aggregator aus IATA Sicht die für ein bestimmtes Level notwendigen technischen Voraussetzungen und Funktionen geschaffen hat. Auf dieser Basis kann sich ein Aggregator auch für die Lufthansa Group NDC-Schnittstelle zertifizieren - dabei stellt die LH Group technisch sicher, dass alle Transaktionen korrekt interpretiert werden - und somit von den aktuellen Angeboten über diese Schnittstelle profitieren.

Was die zu erwartenden Preisdifferenzen bei diesen neuen, restriktiv gehandhabten «Best Offers» (gegenüber den aktuellen Bestpreisen) angeht, schliesst Ptassek mit folgendem Statement: «Die Preisgestaltung wird kontinuierlich an die sich ständig ändernden Marktverhältnisse angepasst.» Genauere Details würden keine genannt.

(JCR)