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Seaworld macht nicht nur Shows, sondern setzt sich auch stark für Rettung und Pflege von Tieren ein. Bild: Seaworld

Kommentar Tierschutz: Wo zieht man die Grenze?

Jean-Claude Raemy

Grundsätzlich sind Tierschutz-Initiativen im Tourismus zu begrüssen. Allerdings ist manchmal nicht klar, wo die Linie gezogen wird. Attraktionsbezogene Audits statt generelle Boykotte wären sinnvoll.

Das Themenparkunternehmen Seaworld kämpft seit einigen Jahren mit einem Imageproblem. Der Film «Blackfish», der die Haltung grosser Meeressäuger wie Orcas in Themenparks wie eben Seaworld anprangert, schaffte eine grosse Sensibilität bei Reisenden. Die Zahlen bei Seaworld gingen klar zurück.

Was weniger bekannt ist: Seaworld bietet nicht einfach nur Tier-Shows an, sondern ist sehr stark mit Artenschutzprogrammen beschäftigt. Das Unternehmen versteht sich auch als eine Institution, welche Besucher über Vorgänge in der Natur aufklärt, diese für Artenschutzthemen sensibilisiert und selber aktiv zum Tierschutz beiträgt, etwa mittels Rettungs- und Pflegeprogrammen. Die Aufgaben und Ziele, denen sich Seaworld verpflichtet fühlt, führt jetzt das neue Leitbild «Park to Planet – See it Here, Save it There» zusammen. Norbert Simon, Senior Parks & Entertainment Manager von Seaworld Parks, erklärte es an der ITB gegenüber Travelnews.ch folgendermassen: «Wir verstehen darunter den Leitfaden unseres Tuns. Wir haben Partnerschaften geschlossen, etwa mit Ocearch oder der Humane Society of the USA, und wollen Fortschritte in der Forschung erzielen sowie unsere Besucher sensibilisieren, durch Tierbegegnungen und spezifische Themen auf Gefahren hinzuweisen, denen Tiere heute in ihrer natürlichen Umgebung ausgesetzt sind.»

Seaworld sucht aktiv Auditierungen von diversen (zoologischen) Institutionen und hat diverse auch schon erhalten. Man darf also getrost sagen, dass es Seaworld mit Tierschutz ernst meint. Das belegen auch Zahlen: Die Rescue- und Pflegeteams von Seaworld haben in den letzten Jahren 31‘500 verwaiste, kranke oder verletzte Tiere gepflegt und wieder in die Natur entlassen. Umgekehrt wurden seit 1974 keine Tiere mehr aus den Ozeanen entnommen. Wer einmal einen Seaworld-Park besucht hat, weiss, dass sehr viel Wissen zu Lebensraum und Lebensweise der Tiere vermittelt wird. Es geht nicht nur um Show, sondern auch um Aufklärung, gewissermassen ähnlich wie in Zoos.

Sind herzige Delfine schützenswerter als herkömmliche Affen oder Falken?

Natürlich verbessert dies das Leben von Orcas in Aquarien nicht. Man mag jede Form der Tierhaltung verurteilen. Die Frage ist nur, wo die Linie gezogen wird. Niemand muss Seaworld besuchen und kein Reiseveranstalter muss Seaworld anbieten. Aber welcher Logik folgt man?

Es ist nämlich schon etwas erstaunlich, wie auf Seaworld eingedroschen wird. Delfine und Orcas sind zu einer Art «Postertieren» der Tierschutzbewegung geworden. Im Tourismus wird durch das Verkaufen von Seaworld-Angeboten mancherorts ein Reputationsschaden befürchtet – und dabei verkauft man munter weiter andere Tier-Erlebnisse. Hotelplan beispielsweise hat im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Oceancare angekündigt, künftig keine Attraktionen oder Hotels mit Delfin- und Wal-Shows mehr zu verkaufen. Das mag löblich sein. Nur: Hotels mit Delfinarien sind weiterhin buchbar. Und wenn ein Kunde explizit ein Seaworld-Angebot will, wird dies auch weiterhin verkauft. Im aktuellen USA-Katalog sind Seaworld-Angebote ohnehin noch drin, werden aber wohl im nächsten Katalog rausfallen. Im Gegensatz etwa zu Disney-Angeboten. Doch Disney hat etwa im «Animal Kingdom» auch gefangene Tiere im Unterhaltungsangebot – einfach keine Wale und Delfine. Muss man weniger Erbarmen mit Giraffen oder Löwen haben?

Man hört zwar, dass vermehrt auch Elefanten-Interaktionen in Asien auf einen touristischen Index fallen. Und gewisse Delfinshows sind zugegebenermassen schwer erträglich. Was ist mit Vogelshows? Mit den Falkner-Shows in den Emiraten? Mit Walbeobachtungstouren, wo 20 Boote um einen Wal herumfahren und diesen stressen? Und: Nützt eine Broschüre, welche vom Besuch einer Seaworld-Show abrät, in irgendeiner Weise einem Tier im Ozean?

Es ist sicherlich gut, ernsthafte und grundlegende Diskussionen zum Tierschutz im Zusammenhang mit Tourismus zu führen. Initiativen wie jene von Hotelplan sind auch gewissermassen nachvollziehbar – nur eben irgendwie auch willkürlich, weil auf einzelne Angebote beschränkt, bzw. weil man einfach gewisse Angebote streicht und andere beibehält. Das sieht dann so aus, dass man jetzt PR in eigener Sache macht, weil Delfine und Wale gerade an der Front der Tierschutz-Diskussion stehen. Echter, globaler Tierschutz sieht anders aus. Wäre es nicht sinnvoll, jedes einzelne touristische Angebot, welches irgendwie mit Tieren zu tun hat, einem eigenen Audit mit klaren Richtlinien zu unterziehen? Dann würden viele Delfinarien oder auch andere Shows verschwinden. Manche Shows würden aber sicherlich auch im Angebot bleiben können – weil sie eben sensibilisieren. Jedem Reiseunternehmen steht es frei, selber zu entscheiden, was angeboten wird. Richtig konsequent wäre einzig, gar keine Tierinteraktion mehr anzubieten. Der beste Weg wird aber wohl sein, solche Interaktionen anzubieten, welche möglichst schonend und nachhaltig sind, damit sich Unternehmen, die so arbeiten, touristisch gegen billige und alles andere als tierfreundliche Show-Anbieter durchsetzen können. Das hilft letztlich den Tieren mehr - in den Weltmeeren wie an Land.