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Kommentar Der schönste Job der Welt?

Jean-Claude Raemy

Die Lehrstellen in der Reisebranche sind besetzt, die Branchenkurse werden gut besucht. Trotzdem hört man unterschwellig immer durch, dass die Reisebranchenjobs wenig attraktiv seien. Stimmt doch nicht! Ein Plädoyer.

Nach den Sommerferien werden wieder zahlreiche Junge eine Lehrstelle in der Reisebranche antreten. Laut Nadeschda Britschgi (SRV-Verantwortliche Aus- und Weiterbildung) dürften wieder rund 130 Lehrstellen angeboten – und so wie es aussieht auch ausnahmslos besetzt - werden. Eine Blitzumfrage von Travelnews.ch bei den grossen Arbeitgebern aus dem Bereich TO/Retail scheint dies zu bestätigen:

  • Die Hotelplan Group wird 35 Lehrstellen in der Schweiz in allen Berufen und Branchen bei Hotelplan Suisse, Interhome, BTA First Travel und in der IT-Abteilung anbieten. Das sind zwar 4 weniger als im Vorjahr, aber alle Lehrstellen sind besetzt.
  • TUI Suisse bietet 11 Lehrstellen, 5 am Hauptsitz und 6 in verschiedenen Filialen – auch hier sind es leicht weniger als 2017 (da waren es 13), was aber daran liegt, dass in den Filialen meist nur alle drei Jahre ein neuer Lehrling aufgenommen werden kann; am Hauptsitz werden konstant 5 Lehrstellen angeboten. Zudem liege man 2018 über dem eigentlichen Durchschnitt von 10 Lehrstellen pro Jahr. Und: Alle Lehrstellen sind besetzt.
  • DER Touristik Suisse bietet in allen Branchen insgesamt 51 Lehrstellen, also 23 mehr als noch im Vorjahr. Allerdings sind noch 7 Lehrstellen offen.
  • Knecht Reisen bietet 8 Lehrstellen; das sind zwei mehr als im Vorjahr. 5 Lehrstellen gibt’s in den Filialen (+1), 2 sind am Hauptsitz und 1 bei Kira Reisen, wo erstmals seit einiger Zeit wieder ausgebildet wird. Auch hier sind alle Lehrstellen besetzt.

Es ist müssig, sich darüber aufzuhalten, wie viele Lehrstellen es gibt und ob es mehr oder weniger sind. 2000 waren es noch 320, doch da sah die Branche noch ganz anders aus. Die wesentliche Erkenntnis ist vielmehr, dass die Anzahl sich offenbar stabilisiert und vor allem auch, dass voraussichtlich alle Lehrstellen mit motivierten Jugendlichen besetzt werden - also dass Interesse durchaus vorhanden ist und kein «Lehrlingsmangel» besteht. Auch in den Tourismus-Schulen ist von guter Nachfrage für die angebotenen Kurse die Rede.

Und wie sieht es mit Reisebranchen-Stellen generell aus? «Es ist schon schwieriger, Fachkräfte zu finden», meint Eva Salzmann (Personalassistentin, Knecht Reisen), «die Anforderungen an den Job und von Kundenseite sind auch gestiegen.» Kuoni-Sprecher Tobias Heller meint: «Der Kampf um Talente wird grundsätzlich schwieriger.» Auch bei TUI Suisse gebe es offene Stellen, wo Fachkräfte gesucht werden: «Umso wichtiger ist für uns die Lehrlingsausbildung, damit wir nach Lehrabschluss Fachkräfte aus unseren eigenen Reihen fördern können», erklärt Claudia Ackermann (Human Resources Consultant/Apprentices Coordinator, TUI Suisse). Hotelplan-Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir spricht zwar von «Schwankungen je nach Einsatzgebiet», konstatiert aber keinen Fachkräftemangel.

Das spricht für den Job in der Reisebranche

Das Phänomen ist eigentlich nicht neu: Für viele Junge oder auch für Berufstätige aus anderen Branchen ist die Reisebranche wenig «greifbar», man hört vor allem von schlechter Entlöhnung, kleinen Margen, grossem Arbeitsdruck und bescheidenen Aufstiegschancen, weil auch die Anzahl grosser Unternehmen in der Schweizer Reisebranche sehr überschaubar ist.

Nur ist das viel zu kurz gegriffen und eigentlich ist es auch nicht verständlich, dass die Reisebranche bei Berufsberatungszentren höher gewichtet wird. Zum einen ist die Reisebranche weltweit einer der am stärksten wachsenden Wirtschaftssektoren. Die Möglichkeiten, darin Fuss zu fassen, sind extrem vielfältig. Im Gegensatz zu früher gibt es bestimmt deutlich mit mehr Möglichkeiten, wo primär auf IT- und Marketingwissen gesetzt wird. Aber auch «klassisches» Wissen ist weiterhin sehr gefragt, oder sogar wieder vermehrt gefragt: Man hört ja stets von der «Rückkehr ins Reisebüro», weil das Angebot einerseits viel zu komplex ist, andererseits der Aufwand für die Zusammenstellung einer Reise hoch ist und man keinerlei Sicherheiten hat, den optimalen Preis zu bieten – was gewiefte Reiseverkäufer garantieren können. Dazu braucht es aber auch Vertrauen von Kundenseite. Und das hat man über den Aufbau von Beziehungen.

Das sollte man mitbringen

Wesentliche Anforderungen für den Start in der Reisebranche erläutert der SRV auf seiner Webseite. Wir haben noch ein paar weitere Tipps für all jene, die in die Reisebranche wollen:

  1. Sie müssen das Reisen lieben. Klingt abgedroschen, ist aber so: Man muss einem Kunden Passion für fremde Orte und Kulturen vermitteln können. Das benötigt aufrichtiges eigenes Interesse, Neugier, Weltoffenheit und natürlich ein grosses Mass an detailliertem Wissen. Dieses kann man sich auf Reisen selber aneignen, muss sich aber permanent sonst darüber informieren, was in der (Reise-)Welt läuft. Sie werden es meist mit Reisenden und nicht mit Touristen zu tun haben – also mit solchen, die etwas erleben wollen und darüber auch einigermassen klare Vorstellungen haben. Zuhören ist wichtig!
  2. Sie müssen ihren Wert vermitteln. Eine Buchung im Reisebüro sollte viel zufriedenstellender sein als eine Online-Buchung. Der Kunde kann nachfragen, erhält sofort Feedback, vielleicht auch einen Kaffee und viel Inspiration. Sie vermitteln Träume und ermöglichen deren Erfüllung. Ihr Können und Know-how hat seinen Preis. Sie sollten ihren eigenen Wert kennen, selbstsicher auftreten und höchsten Wert auf Vertrauensbildung und Zufriedenheit – also einwandfreien Service – legen.
  3. Netzwerke aufbauen. Qualität spricht sich herum. Und da spricht man nicht nur von regionalem Bekanntsein – heute kann man auch Leute beraten, die weiter weg wohnen. Seien Sie in sozialen Medien aktiv, tauschen Sie sich aus, nehmen Sie teil am öffentlichen Leben in unterschiedlichsten Communities. Aber Vorsicht: Viele werden Sie um «einen Gefallen» beten – aber siehe Punkt 2.
  4. Schätzen Sie die Verantwortung. Sie sind für die wichtigsten Wochen im Jahr Ihres Kunden verantwortlich. Das sollte nicht Druck, sondern Ansporn sein. Übrigens: Kundenwünsche sind extrem vielfältig – das heisst auch, dass der Job nie eintönig ist, sondern man immer neue Wege finden muss, um den Wunsch des Kunden zu ermöglichen.
  5. Fremdsprachen sind wichtig. Zum einen kann man damit natürlich gewisse Kunden in deren Sprache ansprechen. Man hat aber auch mit Partnern und Unternehmen weltweit zu tun, und muss Informationen einholen – je einfacher man damit klar kommt, desto einfacher wird der Job.
  6. Seien Sie sich klar über den Inhalt Ihres Jobs. Branchenfremde beneiden Leute aus der Reisebranche, «weil diese die ganze Zeit rumreisen und dafür bezahlt werden». Das stimmt natürlich so nicht. Reisen ist ein Teil des Jobs, gewissermassen Ausbildung, und als Mitglied der Reisebranche wird man sehr oft Dinge erleben können, welche normale Reisende nicht erleben. Gewiss kann es manchmal sogar «glamourös» sein, doch meistens ist es das nicht, wie die meisten anderen Jobs auch. Es geht um Service, Verkauf, Dienstleistung – allerdings in einem wunderbaren, vielfältigen Feld.
  7. Es gibt durchaus Chancen. Der Lohn mag zu Beginn tiefer liegen als bei Banken und Versicherungen. Doch es gibt durchaus die Möglichkeit, gut zu verdienen und auch aufzusteigen, oder falls hierbei die Möglichkeiten beschränkt sind, warum nicht den Schritt in die Selbständigkeit wagen? Wie in vielen anderen Jobs hängt der (finanzielle) Erfolg letztlich vom eigenen Engagement und der eigenen Weitsicht ab.

Wer all dies mitbringt, wird sich in der Reisebranche garantiert wohlfühlen. Und auch wenn manchmal gern über die Mühen eines Dienstleistungsjobs gelästert wird, gibt es in unserer Branche doch sehr viele Mitarbeitende, welche unter keinen Umständen etwas anderes machen möchten. Denn meistens ist das Vermitteln von Reisen doch ein Traumjob. Und an Jobmöglichkeiten fehlt es nicht.