Reiseanbieter

Zeit, Geld, Gesundheit: Silver Ager sind der Traum aller Marketingprofis – und doch werden nur wenige Prozent des Marketingbudgets für auf diese Altersgruppe zielendes Marketing ausgegeben. Bild: Fotolia

Anspruchsvoll, aber lukrativ: Das Reisegeschäft mit «Senioren» boomt

Ben West

Die so genannten «Silver Ager» sind gesund, haben Zeit und Geld. Um diesen wachsenden und lukrativen Markt kämpfen immer mehr Webportale und spezialisierte Reiseveranstalter.

Die Bevölkerung wird immer älter. Das ist anhand demographischer Statistiken bewiesen. Das bedeutet auch, dass das Reisegeschäft mit «Silver Agers», also mit Personen über 50 Jahren, schnell am wachsen ist. Bis vor wenigen Jahren wurde dieses Kundensegment noch allzu oft unterschätzt, weil man davon ausging, dass es eine Minderheit ist mit limitierten finanziellen Ressourcen und limitierter Reiselust. Inzwischen weiss man natürlich, dass dies alles andere als zutreffend ist – wobei die Begrifflichkeit der «Silver Ager» etwas schwammig ist, da ja 50-jährige mit 80-jährigen auch wenig gemeinsam haben. 

Laut Hochrechnungen der UNO jedenfalls wird die Anzahl Personen weltweit, welche über 60 Jahre alt sind, von 810 Millionen (im Jahr 2012) auf 2 Milliarden (im Jahr 2050) gewachsen sein. Jede fünfte Person weltweit wird 2050 also über 60 Jahre alt sein. Die «Alten» sind also ironischerweise ein «Zukunftsmarkt».

Nicht ein neues, aber ein wachsendes Segment

Die dramatischen demographischen Änderungen hinsichtlich der Altersverteilung beeinflussen also auch das Reisegeschäft. Schon jetzt sind die «Silver Ager» - im deutschen Sprachraum spricht man oft von «Best Agern», was aber Neudeutsch ist und im englischen Sprachraum nicht verstanden wird – eine klar definierte Zielgruppe. Manche Reiseveranstalter, klassische wie auch OTAs, haben sich sogar ausschliesslich dem Geschäft mit den Silver Agern verschrieben.

In der Schweiz konzentriert sich beispielsweise Wirz Travel in Sarnen schon seit Jahren auf das Geschäft mit Reisenden «im besten Alter». Deren Spezialität: «All-Inclusive» sowie mitreisende Ärzte.

Sehr stark im Silver-Ager-Segment unterwegs sind natürlich auch die Anbieter von Flusskreuzfahrten, wie Rivage Flussreisen (Knecht), Reisebüro Mittelthurgau (Twerenbold) oder Thurgau Travel.

Im englischsprachigen Raum gibt es nebst traditionellen Seniorenreise-Anbietern wie Saga, welche sich schon seit 60 Jahren auf das Segment der älteren Reisen spezialisert haben, auch neuere Unternehmen, gerade auch im Onlinebereich. Dazu zählen etwa Silver Travel Advisor, wo Silver Ager spezifisch altersgerechte Infos und Ratschläge hinsichtlich Reisen, Ferien und Events finden. Die Firma hat auch eine eigene Radiosendung, einen Youtube-Kanal, und führt spezielle Wettbewerbe und Award-Shows durch. Etwas genereller gehaltene Webseiten sind www.silversurfers.com, www.50plustravelclub.com.au oder www.laterlife.com, wo zusätzlich zu Infos auch Reiseteile vorhanden sind, über welche man direkt Ferien buchen kann. Beim Schweizer Portal www.50plus.ch sind Reisen zwar ein grosser Bestandteil der Webseite; eine direkte Buchungsmöglichkeit gibt es jedoch nicht.

Silver Ager reisen länger und geben mehr aus

Vor Kurzem hat Hotelplan Suisse übrigens eine umfassende statistische Analyse zu den Reisegewohnheiten der Über-50er publiziert und dabei festgestellt, dass die «Silver Ager» deutlich mehr reisen als noch vor zehn Jahren. Hotelplan stützt sich dabei auf Daten, welche sie bei ihren Tochterfirmen Migros Ferien, Hotelplan, Tourisme pour Tous, Travelhouse und Globus Reisen kompiliert hat.

«Die Nachfrage für Ferien der sogenannten ‚Golden Ager‘ ist in den letzten Jahren klar gestiegen, sie reisen auch noch mit über 80 Jahren rund um die Welt», sagt Kurt Eberhard (CEO Hotelplan Suisse, Bild links), «Best Ager sind eine wichtige Kundengruppe von Hotelplan Suisse. Sie machen vor allem einen grossen Teil der Stammkundschaft der Reisebüros aus, zumal diese Zielgruppe auch gerne und viel reist, sehr aktiv ist sowie die finanziellen Mittel fürs Reisen hat.» An erster und zweiter Stelle auf der Beliebtheitsskala der Altersgruppe 50+ stehen – wie auch für  Familien und Paare – die Spanischen und Griechischen Inseln. Dass das Klischee «Kreuzfahrten sind nur für Alte» nicht mehr stimmt, zeigt sich insofern, als Kreuzfahrten «nur» auf dem dritten Platz liegen: Die Silver Ager zieht es nicht mehr primär auf Hohe See.

Die Analyse zeigte auch, dass die Ferien-Buchung bei den Silver Agern langfristig und bis zu über 180 Tage vor Abreise getätigt wird. Dies zeige, dass Wert auf Planung gesetzt wird und gerne von Frühbucher-Rabatten profitiert werde. Des Weiteren wird recht «klassisch» gebucht. Laut Hotelplan wählen 87% der Silver Ager das Reisebüro als Buchungskanal und suchen vermehrt die Beratung der Reisefachpersonen. Vor allem Punkte wie Gesundheit, Sprache oder begleitete Rundreisen werden bei älteren Kunden vielfach thematisiert. Ein nicht zu unterschätzender Anteil (rund 13%) dieser Altersgruppe buche aber auch online, etwa unter migros-ferien.ch oder hotelplan.ch.

Spannend: Liegt das durchschnittliche Budget der Schweizer bei 1050 Franken pro Person und Reise, so liegen Silver Ager mit 1385 Franken klar über diesem Durchschnitt. Sie gönnen sich entsprechend mehr Luxus, Zeit und Komfort als Familien oder jüngere Paare. Hotelplan Suisse konnte 2016 sogar für drei Kunden im Alter von 100 Jahren Ferien organisieren...

Wer sich auf Silver Ager spezialisieren will, muss auf Qualität und Sicherheit setzen

Dass Hotelplan sich intensiv mit Silver Agern beschäftigt, ist insofern bemerkenswert, als dass Debbie Marshall, Managing Director von Silver Travel Advisor, davon ausgeht, dass nur rund fünf Prozent der Marketingbudgets spezifisch für die Altersgruppe der Silver Ager verwendet werden, und damit dem riesigen Potenzial dieser Altergruppe nicht gerecht werde: «Marketingverantwortliche fokussieren lieber auf Junge, obwohl diese weniger Geld und weniger Zeit zum Reisen haben.» Vielleicht habe dies mit dem Alter der Marketingverantwortlichen zu tun, welche nicht verstehen, was für die Silver Ager wichtig sei. Ihr zufolge sei aber einfach festzustellen, dass «Ältere» auch immer öfter Aktivferien buchen und deutlich exotischere Länder bereisen als noch deren Eltern. Gleichzeitig seien aber auch gesundheitsbewusste Ferien, etwa im Bereich Wellness und Fitness, immer beliebter.

Auch die britische Firma Saga hat eine Analyse gemacht und dabei herausgefunden, das sim letzten Jahrzehnt die Ausgaben der Silver Ager deutlich über dem Durchschnitt zunahmen: In der Altersgruppe 50-64 um 68 Prozent, in der Altersgruppe 65-74 gar um sagenhafte 95,3 Prozent, und in der Altersgruppe über 75 immer noch um 81,2 Prozent. Gleichzeitig hätten die durchschnittlichen Reiseausgaben pro Kopf bei der Altersgruppe 30-49 abgenommen.

Hierbei muss man anfügen, dass es durchaus möglich ist, dass wir nicht noch viele weitere Generationen mit so viel Zeit und so viel Geld sehen werden. Die Silver Ager der Gruppe 50-64 Jahre haben möglicherweise ihre Hypotheken schon abbezahlt oder genug gespart und bereits selbständige Kinder; jene in älteren Altersklassen sind derweil noch gesund genug und verfügen als Pensionierte über viel Zeit. Ob AHV-Kürzungen oder Rentenalter-Erhöhungen künftige Generationen dann noch als «Golden Generation» bezeichnen lassen, sei mal dahingestellt.

Sicher ist: Die aktuell kaufkräftigen Senioren können jederzeit reisen und somit in Destination mit hoher Saisonalität beitragen, die Nebensaison zu füllen. Sie bereisen auch gerne weniger überlaufene Orte, und meiden oft das umständliche und einengende Fliegen zugunsten von komfortableren Fortbewegungsmitteln. Wer sich auf Silver Ager fokussieren will, braucht gezielte Produkte. Es braucht aber auch gezieltes Marketing sowie Investitionen in den Bereichen Sicherheit und Service. Denn die Silver Ager haben nicht nur mehr Geld, sondern auch höhere Erwartungen: Das Toleranzniveau für schlechten Service ist tief, es wird viel verlangt und sich rasch beschwert. Wer also keinen einwandfreien Service liefert, hat im Geschäft mit den Silver Agern keine Chance.