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Home Office kann ein Segen sein - sofern man wirklich Ruhe zum Arbeiten hat. Bild: Fotolia

Home Office: Win-Win oder No-Go?

Jean-Claude Raemy

In der Wirtschaft werden immer öfter ortsunabhängige Arbeitsmodelle gefordert. Machen diese aber auch Sinn? Wir haben bei den grossen Schweizer Reiseunternehmen nachgefragt, wie sie das handhaben.

Flexible, ortsunabhängige Arbeitsformen sind die Zukunft im Arbeitsmarkt. Dachte man bislang. Nun hat letzte Woche eine Meldung aufgeschreckt: Der Technologieriese IBM, einer der Pioniere in Sachen flexibler Arbeitsformen, krebst zurück und fordert die Mitarbeitenden auf, aus ihren «Home Offices» zurück ins Büro zu kommen. Hintergrund dabei ist die Einsicht, dass das Arbeiten im Büro die Teamzusammenarbeit verbessere und den Arbeitsrhythmus beschleunige.

Für flexible Arbeitsmodelle sprachen bislang diverse Faktoren: So bringt man Kindererziehung und Beruf besser unter einen Hut. So kann man möglicherweise produktiver arbeiten. Dagegen sprach die Angst, als «bequem» wahrgenommen zu werden. Oder die Angst, immer «on» zu sein und gar nicht mehr sauber zwischen Beruf und Privatleben zu trennen.

Wie sieht es in der Reisebranche aus? Gewähren die grossen Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden grosszügige Freiräume? Oder wird davon ausgegangen, dass «Home Office» nichts bringt?

Unterschiedliche Handhabung bei den Grossen

Bei Hotelplan Suisse werden den Mitarbeitenden keine regelmässigen Home-Office-Tage angeboten. Dazu Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir: «Direkte persönliche Kontakte sind im People’s Business auch zwischen den Mitarbeitenden unerlässlich. Bei Hotelplan Suisse verfügen deshalb alle Mitarbeitende über einen grosszügigen, mit moderner Infrastruktur ausgestatteten persönlichen Arbeitsplatz. Einzelne Home-Office-Tage können in begründeten Ausnahmen vorkommen, aber dazu liegt kein bestimmter Kriterienkatalog vor.»

Auch Globetrotter, als Arbeitgeber besonders für das Ferienregime mit 12 obligatorischen Ferienwochen bekannt, bietet Home Office nicht als Option an, sondern höchstens als Ausnahme. Sandra Studer, Sprecherin von Globetrotter Travel Service, erklärt: «Die Gründe, am Arbeitsplatz zu arbeiten, überwiegen für uns. Viele unserer Ziele sind nur als Team erreichbar. Zudem legen wir grossen Wert auf den persönlichen Austausch innerhalb der Teams. Der persönliche Kundenkontakt in den Filialen setzt die Anwesenheit vor Ort voraus.» Aus Ihrer Sicht macht Home Office allenfalls bei repetitiven Arbeiten ohne Kundenkontakt oder bei projektbezogenen Arbeiten Sinn. Bei der Mehrheit der Mitarbeitenden wird die Anwesenheit aufgrund ihres Aufgabenbereichs vorausgesetzt, Home Office wäre also nicht sinnvoll in Bezug auf den Aufgabenbereich.

Es gibt aber Ausnahmen: Mitarbeitende auf Kaderstufen haben situativ die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Dieses Angebot werde auch von Mitarbeitenden genutzt, die sporadisch unterwegs sind und für welche der Umweg an den Arbeitsplatz einen grösseren Aufwand bedeutet, oder von Teilzeitmitarbeitenden, welche die Dossierarbeiten fokussiert abgeschlossen werden können.

TUI und Kuoni sind etwas grosszügiger mit Home Office

Laut Doris Sciessere, Director Human Resources Bei TUI Suisse, ist Home Office «für vorab definierte Aufgaben und nach Rücksprache mit dem Vorgesetzten» erlaubt. Bedingung sei, dass die Arbeit für Home Office geeignet ist. So ist es etwa Sales-Mitarbeitenden mit ständigem Kundenkontakt nicht möglich, von Zuhause die Telefonanlage zu bedienen. «Geeignet für Home Office sind Aufgaben wie etwa die Vorbereitung einer Mitarbeiterqualifikation, die Ruhe und Konzentration benötigen», so Sciessere, «der Mitarbeitende muss aber stets bereit sein, bei Bedarf zurück ins Büro zu kommen, etwa für wichtige Sitzungen.»

 Grundsätzlich dürfen alle TUI-Mitarbeitenden von Home Office profitieren. Da es nicht allzu viele geeignete Aufgaben für Home Office innerhalb der TUI Suisse gebe, könne das Angebot aber nur von einzelnen Mitarbeitenden genutzt werden. Einen wichtigen Zusatz gibt es noch: «Home Office ist nicht mit gleichzeitiger Kinderbetreuung möglich», präzisiert Sciessere.

Am grosszügigsten in Sachen Home Office ist Kuoni. «Home-Office-Arbeit ist grundsätzlich möglich und erlaubt», erklärt Mediensprecherin Gordana Mrsic. Kuoni unterstütze dieses Konzept aus mehreren Gründen: «Zum einen kann durch ruhiges und konzentriertes Arbeiten zuhause eine höhere Leistung und Produktivität erzielt werden. Zum anderen kann man feststellen, dass sich Home-Office-Arbeit positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden auswirkt. Die Zufriedenheit geht vor allem mit grösserer Flexibilität sowie eine einfacherer Gestaltung von Beruf- und Privatleben einher.» Ein weiterer wichtiger Aspekt seien ökologische Vorteile, die sich durch das Home Office bzw. dem eingesparten Arbeitsweg ergeben.

Wie viele Mitarbeitende vom flexiblen Arbeitsmodell profitieren, kann Mrsic nicht genau beziffern. Sicher ist, dass durch alle Funktionsstufen hindurch vom Angebot profitiert wird. «Im Verlauf der letzten Jahre haben wir einen verstärkten Wunsch nach mehr örtlicher sowie zeitlicher Flexibilität feststellen können», so Mrsic, «Kuoni bemüht sich darum, dieser Entwicklung gerecht zu werden und ist daher Home-Office-Arbeit gegenüber aufgeschlossen.»

Grundlegende Einschränkungen gebe es keine. Jedoch dürfe Home Office nur unter vorheriger Absprache und mit Zustimmung des direkten Vorgesetzen erfolgen. Im Vorfeld werden wichtige Abmachungen getroffen, wie z.B. wie und wann ein Feedback zum Arbeitsfortschritt erfolgt, um einen reibungslosen Austausch zu ermöglichen.

Laut Mrsic bietet sich Home-Office-Arbeit bei wissensbasierten Aufgaben an, zu deren Umsetzung Informatikstrukturen ausreichen: «Bei ortsgebundenen Aufgaben, welche eine spezifische Infrastruktur erfordern, wie z.B. im Tour Operating, ist Home-Office-Arbeit nicht sinnvoll.» Dasselbe gelte für Tätigkeiten, welche Teamarbeit verlangen oder zu Beziehungsaufbau und –pflege angedacht sind.