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Die DMCs, welche das Incominggeschäft unter anderem in Asien regelten, sind ebenso weg wie das Veranstaltergeschäft und die Bettenbank. Kuoni ist aktuell noch Gruppen-, MICE- und Visadienstleister. Bild: Fotolia

Zerfall der Kuoni-Gruppe: Scharfe Kritik von ex-Managern

Von fünf Milliarden Umsatz 2011 auf aktuell noch rund eine Milliarde Umsatz. Was ist passiert?

Vor zwei Wochen wurde Thomas Cook India – welche seit 2012 nichts mit der Thomas Cook Group in London zu tun hat – quasi über Nacht zu einem «Global Player» im Tourismus, als sie die sechs Destination Management Specialists der Kuoni Group übernahm. Es war das vorläufig letzte Kapitel in der «Filetierung» der Kuoni-Gruppe, welche mit der Abspaltung des Reiseveranstaltergeschäfts Anfang 2015 begann, mit dem Verkauf des Stammhauses an der Neuen Hard Ende 2015 weiterging und von der aktuellen schwedischen Eigentümerin EQT, welche die Kuoni Group vor rund einem Jahr übernahm, konsequent weitergeführt wird. Zur Erinnerung: Erst kurz vor dem Verkauf der DMCs war auch die Division Global Travel Distribution (GTD) mit GTA an Hotelbeds veräussert worden.

Was verbleibt, ist der Rest der Division Global Travel Services (GTS), zu welcher die DMCs gehörten, also die Kuoni Group Travel Experts (B2B-Gruppenreisen) und das ganze MICE-Geschäft (KDM, Kuoni Congress, Conference & Touring), sowie natürlich das Visa-Dienstleistungsunternehmen VFS Global. Letztere ist bekanntlich eine Ertragsperle und für viele der Grund, weshalb sich EQT überhaupt die Kuoni Group einverleibte.

Umsatz massiv verringert, EBIT aber nicht

Wies die Kuoni Group für 2016 noch einen Umsatz von 3,282 Milliarden Franken aus, und einen EBIT von 20,9 Millionen, so dürfte zumindest auf der Umsatz-Seite nun sehr viel weggefallen sein. Grob dargestellt war der Umsatz so aufgeteilt: 2 Milliarden von GTD, eine Milliarde von GTS, 300+ Millionen von VFS. Nachdem davon auszugehen ist, dass mit den DMCs rund ein Viertel des GTS-Umsatzes weg ist, dürfte sich der Umsatz der Kuoni Group aktuell noch bei rund einer Milliarde Franken bewegen. Nach dem Kuoni-Kauf von GTA anno 2011 war noch ein Gruppenumsatz von über 5 Milliarden Franken kommuniziert worden… Wobei fairerweise gesagt werden muss, dass der EBIT unter dem Umsatzschwund kaum leiden dürfte, da der Grossteil davon von VFS kommt.

Die Frage ist im Raum, wer von den Verkäufen persönlich profitiert hat und was auf Konzernebene mit dem eingestrichenen Geld gemacht wird. EQT ist ja nicht Alleinaktionär. EQT hat rund 75%, der Rest ist weiter bei der Kuoni Group und bei der Kuoni&Hugentobler-Stiftung.

Markige Kritik von Lerch, Diethelm und Matzig

Was jedenfalls auffällt: Die verkauften Einheiten sind offenbar froh, von den Kuoni-Fesseln befreit zu sein. Die DMCs rechnen unter dem Dach von Thomas Cook India wieder mit mehr unternehmerischer Freiheit. Und der frühere Kuoni-CEO Hans Lerch – welcher hinter den Zukäufen von Private Safaris 1989, Allied Tours 2000 und TPro 2003 steckte – erklärt in einem Interview mit Raini Hamdi von TTG Asia (für Skift), er gehe davon aus, dass das DMC-Geschäft weiterhin «ein ordentliches Geschäft» sei: «Die DMC-Gesellschaften sind jetzt frei von den Kuoni-Fesseln, wo in den letzten Jahren alles auf ‚compliance‘ und wenig auf ‚business‘ ausgerichtet war. Jetzt wird wieder unternehmerisch gearbeitet, weshalb sie sich erholen und für Thomas Cook India eine gute Akquisition sein werden.» Thomas Cook India könne, wenn sie die DMCs gut managen, innert den nächsten vier Jahren rund 15 Millionen Dollar Gewinn daraus einstreichen. Da stellt sich natürlich die Frage, wieso die Kuoni-Gruppe dieses Geschäft abstösst.

Lerch ist derweil nicht der einzige, der markige Worte für seinen früheren Arbeitgeber findet. Peter Diethelm, der ehemalige Chef der früher sehr erfolgreichen Einheit Kuoni UK, erklärt per Mail gegenüber Hamdi: «Die einzelnen Geschäftseinheiten sind heute vermutlich in besseren Händen. Der Kuoni-Vorstand verstand es im Zeitraum 2006 bis 2016 nicht, wie diese zu führen sind, und hatte keine Vision, wie man sie wieder an frühere Glanzzeiten anknüpfen könnte. Der Zerfall startete mit dem Verkauf ‚für ein Butterbrot‘ des gesamten Veranstaltergeschäfts vor zwei Jahren.» Diethelm setzt noch einen obendrauf, indem er sagt, dass jene Leute «in grauen Anzügen», welche «das Geschäft ruiniert« hätten, sich gleichzeitig «stetig steigende Löhne und Erfolgsboni auszahlten – dafür, dass sie das Unternehmen und dessen Mitarbeitende im Stich liessen.»

Luzi Matzig schliesslich, der Gründer und Chairman der jetzt verkauften DMC Asian Trails, haut in dieselbe Kerbe: «Kuoni schrumpfte aus unterschiedlichen Gründen zusammen, aber ein wichtiger Grund war die Abgehobenheit des Managements, welches auch oft Angst hatte, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. […] Konsens-Management ist nicht der richtige Weg, um im heutigen Geschäftsfeld zu überleben. […] Darüber hinaus hatte Kuoni mehr Häuptlinge als Indianer. Dies mussten zudem permanent Anwälte, Consultants und IT-Gurus konsultieren. Und erhielten dafür erst noch zu hohe Löhne. […] Ich bin überzeugt, dass Thomas Cook India nicht dieselben Fehler machen wird.»

Was letztlich aus der Kuoni Group noch wird, bleibt abzuwarten. 

  • Die Original-Antworten der drei Manager im Englischen sind hier nachzulesen.

(JCR)