Reiseanbieter

Wer stellt die Zutaten zur optimalen Reise zusammen und wie? Diese Frage stellt das Verhältnis zwischen Reisebüros und Reiseveranstaltern auf die Probe. Bild: Fotolia

Das Reisebüro mischt die Reise-Zutaten zunehmend selber

Jean-Claude Raemy

Reisen ab der Stange verkaufen geht immer weniger: Mikro-Touroperating ist deshalb längst wichtiger Bestandteil des Reisebüro-Business. Die Reisebüros vollenden die Reisewünsche mit eigenen Ingredienzen oder stellen ganz neue Reise-Gerichte zusammen. Das Verhältnis zum TO bleibt dadurch angespannt.

In Zeiten sich verändernder Wertschöpfungsketten in der Reisebranche steht auch das Verhältnis zwischen Reisebüro und Reiseveranstalter auf dem Prüfstand. Seit Jahren graben Reisebüros Geschäft der Veranstalter ab, indem sie als «Mikro-TO» agieren – dies aber in der Regel aus Gründen, denen ein Verschulden des Veranstalters zugrunde liegt. Ihrerseits versuchen die Veranstalter, mit diversen Massnahmen den Vertrieb noch enger an sich zu binden, was Diskussionen über die Unabhängigkeit bzw. Neutralität der Buchungsstellen mit sich bringt.

Was braucht es, damit Reisebüros langfristig überleben können? Sollen Sie sich enger anbinden lassen oder konsequent den Kurs der Unabhängigkeit gehen? Travelnews.ch hat bei Reisebüro-Chefs nachgefragt.

Fehlende Dienstleistungsqualität beim TO als Antriebsmotor

Wolfgang Boschung (Para Travel, Fribourg) bringt auf den Punkt, weshalb er bereits seit über zehn Jahren Mikro-Touroperating betreibt: «Die Dienstleistungsqualität der TOs hat in den letzten Jahren ziemlich nachgelassen. Bei vielen Veranstaltern hat es leider nur noch wenige gute Mitarbeiter welche die Produkte auch wirklich kennen. Dies ist nicht einmal die Schuld der Angestellten sondern eher, dass die Produktion zum Teil nach Deutschland verlegt wurde, wie bei TUI oder Kuoni.» Was für diese von den Kosten her Sinn mache, bedeute für die Reisebüros oft «längere Wartezeiten für eine Antwort und wenig Flexibilität bei Spezialwünschen». Beispiel: Beim Veranstalter müsse er bis zu eine Woche auf die Antwort auf eine Anfrage für ein Hotelzimmer warten, um dann doch ein «no go» zu kriegen. Selber angeschrieben, erhalte man oft in Minutenschnelle das gewünschte Zimmer. «Aus diesem Grunde haben wir bei gewissen Destinationen und Leistungen den Direktdeal gesucht», so Boschung.

Inzwischen hat Para Travel nur noch einen Prioritätspartner, nämlich TUI Suisse. Doch im klassischen Vertriebsverhältnis TO/Reisebüro sieht Boschung kaum mehr Zukunft, «solange die TOs von uns trotz immer sinkenden Preisen mehr Umsatz fordern». Dass die TOs versuchen, Reisebüros mit Kommissionen zu binden und gleichzeitig Reisebüros ohne Minimalumsatzschwelle ködern, lässt ihn kalt. Für ihn sei wichtig, dass der Kunde das erhält, wonach er fragt, unabhängig des TOs. Deshalb gibt es für Boschung vier «Eckpfeiler», mit denen ein unabhängiges Reisebüro bestehen kann: Kosten im Griff haben, Weiterbildung in Form von Studien- und Reko-Reisen, Herzblut und Emotionen, sowie eine klare Preisstrategie. Zu Letzterem präzisiert Boschung: «Wir haben uns schon vor Jahren auf die tieferen Kommissionen vorbereitet und eine spezielle Kalkulation der Verkaufspreise eingerichtet. Somit spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob wir 10 oder 13% vom Veranstalter kriegen.»

Der Veranstalter darf nicht im Mittelpunkt stehen

Bereits etwas anders klingt es bei Roman Mattle (Mawi Reisen, Bischofszell). Für ihn ist unabdingbar, dass das Reisebüro mit zwei oder gar drei Partnern, also grossen Veranstaltern, arbeitet. Wichtig seien dabei gegenseitiges Vertrauen und persönliche Kontakte, «um bei Schwierigkeiten oder Fehlern auf der Basis vom gegenseitigen Helfen auch zu einer guten Lösung zu kommen.» Mattle arbeitet mit allen grossen Playern – Kuoni, Hotelplan, TUI, FTI – aber sei «sehr flexibel» bei seiner Fokussierung auf bestimmte Prioritätspartner.

Für Mattle ist zudem klar: «Gegenüber dem Kunden darf nicht der Reiseveranstalter im Mittelpunkt stehen, sondern das eigene Reisebüro, und dabei vor allem der Mensch.» Der Veranstalter sei nur im Hintergrund, als Lieferant. Für den Kunden müsse aber das Reisebüro mit seinen Mitarbeitern und dem Chef in jedem Fall das Zentrum sein: «Der Gast soll nicht meinen, dass wir im Reisebüro nur Händler oder Wiederverkäufer sind.»

Schliesslich wolle der Kunde vom Reisebüro wissen, was Sache ist und sich auf dieses verlassen. Dass der Kunde genau wisse, was er wolle, glaubt Mattle nicht: «Der Kunde diktiert nicht, was wir im Büro verkaufen – wir packen ihm je nach Bedürfnis und Wunsch die Leistungen zusammen und holen diese bei den entsprechenden Fachstellen ein.»

Auch deshalb räumt Mattle ein, dass Mikro-Touroperating auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil des Business bleiben werde. Die eigenen Mawi-Gruppenreisen seien ein wachsendes Segment mit vielen Repeatern. Er vergleicht den Umstand, dass Reiseprodukte nicht grundsätzlich «ab der Stange» verkauft werden, mit dem Job eines Kochs: «Dieser benutzt in der Küche auch nicht stur die Rezepte für seine Kochkünste, sondern macht diese mit eigenen Gewürzen und Spezialitäten nach seiner Idee vollkommen.»

Für den Thurgauer Fachmann sind die wichtigsten Elemente fürs Überleben die lokale Verankerung, mit Apéros, Aktionen, Kundentreffen und Destinationskursen, sowie die «Rundum-Kundebetreuung» vor der Reise bei der Beratung, während der Reise mit Mails, SMS und nach der Reise mit Kontrolltelefonen und Treffen.

Nur noch von Gebühren leben noch keine Option

Auch Simon Ammann (Royal Reisen Kloten & Bassersdorf) sieht die lokale Verankerung als wichtigstes Gut der Reisebüros: «Zugehörigkeit bei Sportclubs, im Gewerbeverein und anderen lokalen Institution ist ein Muss um erfolgreich zu sein.»

Die Frage nach Prioritätspartnern stellt sich bei Royal Reisen, als Teil der TTS-Gruppe, natürlich nicht. In dieser klaren Zugehörigkeit sieht Ammann viele Vorteile, etwa mit der persönlichen Kenntnis des Gegenübers beim TO; der einzige Nachteil liege in der Hemmschwelle, einen anderen Anbieter zu buchen, wenn dieser das passendere Angebot für den Kunden hätte. Zumal aus seiner Erfahrung dem Kunden mehrheitlich egal sei, welcher Veranstalter gebucht werde: «Allenfalls will er eine bestimme Airline und ein bestimmtes Hotel. Ob wir diese nun via TUI oder Hotelplan buchen oder gar als Mikro-TO selbst zusammenstellen, spielt dem Kunden in den meisten Fällen gar keine Rolle. Wichtig ist ihm, dass er es bei seinem Reiseberater buchen kann.»

So gesehen könne man heute auf Mikro-Touroperating nicht mehr verzichten. Abgesehen vom Preisdruck gebe es ein regelrechtes Wirrwarr von Kontingenten, wo ein TO die Flugplätze und der andere TO das Hotel habe, so dass alles zusammengestellt werden müsse. Und obwohl Ammann sehr dafür sei, für eine Beratung auch ein Honorar zu verlangen, welches bei einer Buchung dann angerechnet wird, so sieht er wenig Zukunft ganz ohne Kommissionen: «Nur noch von Gebühren zu leben sehe  ich noch nicht ganz.»

Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Reisebüro und Reiseveranstalter? Wir nehmen Ihre Ansichten gerne unter redaktion@travelnews.ch entgegen.