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Die Einführung der Distribution Charge im September 2015 sorgt bei den Reisebüros weiterhin für rote Köpfe. Bild: Fotolia

«Bei Problemen setzen Airlines voraus, dass man diese als Reisebüro selbst löst»

Reisebüros im Clinch mit den Airlines: So wirken sich die Airline-Zwänge auf den Buchungsprozess aus. Und das erwarten die Reisebüro-Chefs vom künftigen Verhältnis zu den Airlines. (Teil 2/2)

Gestern haben vier Reisebüro-Chefs gehörig Dampf abgelassen und sich über die Zusammenarbeit mit den Airlines beklagt – die Distribution Charge sei unverständlich und ein Ärgernis, die Tarifierung zu komplex. Diese Airline-Zwänge haben in den Reisebüros Auswirkungen auf den Buchungsprozess.

Wie werden Flugleistungen im Reisebüro überhaupt gebucht?  Dazu sagt Roly Petermann (Jet Reisen, Luzern): «Wir arbeiten mit Galileo und auch da hat die Swiss teurere Tarife als auf der Website. Wir buchen trotzdem im GDS. Da können wir zusätzliche Sachen buchen wie Golfgepäck oder spezielles Essen und sehen die Flugverspätungen und Timechanges auf einer Liste, haben also immer noch die bessere Übersicht haben.»

Auch Alex Bähler (Media Reisen/Lufthansa CityCenter, Basel) benutzt nach wie vor «aus Prozess- und Effizienzgründen» ein herkömmliches GDS: «Ich kann mir jedoch gut vorstellen, eines Tages auch andere Plattformen zu benutzen, sollten diese Plattformen dannzumal mit den Leistungen gleichauf sein.»

Die anderen Befragten, Heinz Schachtler (Travellino, Solothurn) und Gian-Reto Bauder (Reisehaus, Zürich), setzen dagegen auf einen Mix. Bei Travellino etwa wird zu 75% im Aircruiser gebucht, mit Amadeus-Anbindung und direkter Anbindung an Lufthansa/Swiss), zu 15% im GDS Worldspan («wegen anderer Klassenverfügbarkeiten, da Worldspan auf den amerikanischen Markt ausgerichtet ist, und meist sind auch Tarife und Buchungsklassen verfügbar, die in anderen Systemen fehlen», so Schachtler), und der Rest direkt auf den Airline-Homepages.

Beim Reisehaus ist das ähnlich: «80% der Flüge sind in unserem GDS gebucht, kleinere Preisunterschiede zu den anderen Kanälen nehmen wir in Kauf», gibt Gian-Reto Bauder zu Protokoll, «10-15% buchen wir über das Reservationstool unseres Brokers, denn da er mit einem anderen GDS arbeitet kann es schon mal vorkommen, dass er günstigere Preise hat als wir, zudem buchen wir die Lufthansa-Gruppe zum Teil auch via Direct Connect von unserem Broker. Schliesslich buchen wir 5-10%  direkt auf der Homepage der Fluggesellschaft, sei dies, weil es im GDS  nicht möglich ist oder die Preise extrem viel günstiger sind.»

Service wird bemängelt

Dass immer noch wenig über die Webseiten der Airlines gebucht wird, hat auch mit «endlosen Wartezeiten am Telefon oder den Gebühren für Anrufe bei den Airlines» zu tun, wie es Petermann formuliert, «Betreuung für Reisebüros gibt es ja schon länger keine mehr, ausser von den Golf-Airlines, die bemühen sich noch und die empfehlen wir denn eben den Kunden einfach öfter.»

Ein Service-Problem ortet auch Bauder: «Bei Problemen wird vorausgesetzt, dass man diese als Reisebüro selbst löst. Kunden werden, auch wenn sie die Fluggesellschaft direkt kontaktieren, für Umbuchungen und andere Prozesse zumeist an ihr Reisebüro verwiesen. Dies führt dazu, dass sich der Kunde, welcher im Reisebüro gebucht hat, sich schlechter behandelt fühlt als der Direktkunde der Airline.» Zudem wird auch die vielzitierte Verzögerungstaktik der Airlines in Zusammenhang mit Problemen genannt. Für Schachtler besonders ärgerlich sind etwa anhaltende Auseinandersetzungen mit Air Berlin und Tuifly wegen Rückerstattungen nach dem Streik-Debakel im Herbst 2016 und bei Air Berlin wegen häufiger Flugplanwechsel im Zusammenhang mit der Umstellung auf Niki.

Resignation macht sich breit

Das Verhältnis zwischen Reisebüros und Airlines ist schon länger angespannt. Die Proteste der Reisebüros verhallen aber weitgehend von den Airlines ungehört. Glaubt noch jemand daran, dass sich das Verhältnis wieder zum Besseren wendet? Alex Bähler jedenfalls gehört nicht dazu: «Es ist halt wie's ist. Immer wird wieder irgendjemand in einem so grossen Unternehmen auf eine vermeintlich glorreiche Idee kommen und meinen, er hätte das Ei des Kolumbus entdeckt. Er wird das intern gut und plausibel verkaufen, seine Followers finden und mit der Idee, wenn er Glück hat, etwas auf der Karriereleiter vorwärtskommen oder zumindest ein paar seiner Kritiker besänftigen können. Für nachhaltiges Business und/oder Partnerschaften gibt es da keine Zeit und keinen Platz.» Diese Einsicht sei keine Resignation, sondern nur eine Art zu Denken, welche hilft, damit umzugehen und seine Energien nicht in vergangenen, vermeintlich besseren Zeiten zu lassen, sondern diese aufs Wesentliche im eigenen Business zu konzentrieren – und dies ist laut Bähler klar der direkte Kontakt mit dem Kunden.

«Für nachhaltiges Business und Partnerschaften gibt es offenbar keine Zeit und keinen Platz.»

Heinz Schachtler sieht trotz allem eine Möglichkeit: «Die Schweizer Konsumentenschützer sind finanziell nicht in der Lage, gegen Swiss und andere zu klagen. Hier bräuchte es einen Privatkläger. So lange niemand klagt, wird sich nichts ändern. Diesbezüglich rechne ich nicht mit einer Besserung in den nächsten zwei Jahren.» Für Bauder haben die Themen der Konsumentenschützer ohnehin nichts mit dem Verhältnis Airline/Reisebüro zu tun: «Die Konsumentenschützer helfen höchstens dabei, dass die Airlines unlogische und verworrene Regeln aufweichen oder streichen.» Reiseprofis sollten sich bemühen, den Überblick zu behalten. Die Konsumentenorganisationen sollen das Produkt der Fluggesellschaften zu verbessern, «obwohl diese Organisationen ja auch nach noch günstigeren Preisen schreien», so Bauder.

Roly Petermann schliesslich spricht durchaus von Resignation: «Selbst der SRV hat an der GV gesagt, dass Sie mit der Swiss weiterhin arbeiten. Sicher müsste man wirklich mal zusammenstehen in der Branche, aber es bleibt so, dass in dieser Hinsicht nichts gemacht wird. Der Kunde ist sich ja nun Gebühren gewöhnt und wir verlangen auch Gebühren für alles. Wenn der Kunde nicht bereit ist zu bezahlen, dann kann er über die Website der Airlines buchen und dann auch über deren Callcenter seine Bedürfnisse anmelden, vom Ausland aus dann eben mit hohen Gebühren. Viele Leute merken erst wenn es zu spät ist, was Sie bereits ausgegeben haben und wie der direkte Service der Airlines eben war.»

(JCR)