Reiseanbieter

Kommentar Erstmals gibt es weniger als 2000 Reisebüros

Gregor Waser

Seit 9/11 hat sich die Anzahl Schweizer Reisebüros nahezu halbiert. Das sind die Gründe für den drastischen Einbruch in den letzten 10 bis 15 Jahren.

Vor 20 Jahren ging das noch so: Im Reisebüro traf die Bestellung ein für vier Flugtickets mit der indonesischen Garuda von Zürich nach Bali à 2290 Franken. Der Ticketbroker zahlte dem Reisebüro 13 Prozent Kommission auf dem Totalpreis von 9160 Franken, macht 1190 Franken Verdienst — bei geringem Aufwand. Von solchen Dossiers können Reisebüros heute nur noch träumen, wenn es sie denn noch gibt.

Der Blick auf die aktuelle Statistik der Markus Flühmann AG zeigt für 2002 noch 3693 Schweizer Reisebüros — davon 2772 in der Deutschschweiz, 795 in der Romandie und 125 im Tessin. Im Jahr nach 9/11 erlebte die Reisebranche einen Schock, die Reiselust war deutlich gedämpft. 2003 gab es bereits 400 Reisebüros weniger. Und die Negativentwicklung hielt bis heute an.

Die Gründe sind zahlreich. Drei Jahre nach 9/11 lähmte der Tsunami das Geschäft. Am deutlichsten zugesetzt hat den Reisebüros dann der Online-Direktvertrieb. Die einst lukrativen Städtereisen-Buchungen zum Beispiel fehlen praktisch komplett. Beim Airline-Vertrieb sind die Provisionen mehrheitlich weggefallen und der Verdienst muss mit Gebühren sichergestellt werden. Und auch die Kommissionsschrauben der grossen Veranstalter sind angezogen worden, etwa mit Mindestumsatzlimiten, zumindest bis 2011.

Und die sinkenden Durchschnittspreise pro Dossier aufgrund des ruinösen Preiskampfs der Airlines zwang die Reisebüros, die jährlichen Umsätze mit mehr Kunden und mehr Dossiers zu halten. Nicht zuletzt nahmen die nur mit 5 bis 10 Prozent Kommission vergüteten Last-Minute-Angebote wegen der grossen Überkapazitäten im Markt deutlich zu.

Zur Schliessung einiger Reisebüros hat auch eine fehlende Nachfolgeregelung geführt. Hinzu kam: die schleppenden Geschäftsgänge liessen keine Investitionen in eine Modernisierung und ein neues Erscheinungsbild zu. Ein Abgesang in Raten stand an.

„Die Professionalität der heute noch existierenden Büros ist höher.“

Nach dem immer schnelleren Einzug der Online-Distribution kam 2007 die Bankenkrise hinzu. In der Reisebüro-Statistik schlägt sich diese nicht unmittelbar nieder, der Taucher von 2009 auf 2010 mit der Schliessung weiterer 180 Reisebüros dürfte damit aber zusammenhängen — neben der Schliessung von über 30 TCS-Reisebüros.

Positiv betrachtet kann man der Entwicklung abgewinnen, dass es zu einer Gesundschrumpfung kam in den letzten 15 Jahren. Konnte man in den 90er-Jahren Flugtickets noch im Thai-Shop kaufen oder daneben bei „Viaggi Cambio Crediti“, ist die Professionalität der heute noch existierenden Büros höher. Das schlägt sich in den Mitgliederzahlen des Schweizer Reise-Verbands (SRV) nieder: Im Jahr 2000 lag die Zahl bei 880, heute bei 800 — im Vergleich zur Halbierung, die im Gesamtmarkt nahezu stattgefunden hat, ist das Minus beim SRV gering.

Dass die aktuelle Zahl von 1994 Reisebüros nun stabil bleiben wird, ist aber nicht der Fall. Die delikate Währungssituation hat viele Reisebüros insbesondere in den Grenzregionen in diesem Jahr weiter stark gefordert. Und die SBB schliessen bekanntlich Ende Jahr 163 Verkaufsstellen. So dürfte die Linie von 1800 Reisebüros schon bald zum Thema werden und die Anzahl wird auf ein Niveau sinken, das es wohl anfangs der 80er-Jahre zuletzt gab.

Trotz allem: es existieren in der Schweiz weiterhin viele solide Reisebüros, die dank Know-how, Spezialisierung, Beratungskompetenz und einem grossen Stammkunden-Anteil eine gesunde Zukunft vor sich haben. Doch das Bali-Dossier bleibt ein Traum. Denn online gibts den Qatar-Airways-Flug von Zürich nach Denpasar heute für 770 Franken.