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Erst Buffetschlacht, dann Gerangel am Strand: In der Hochsaison an der Costa Brava. Bild: TN

Einwurf Pauschaltourismus, die saisonale Völkerwanderung

André Lüthi

Wollen wir das wirklich, fragt sich André Lüthi in einer selbstkritischen Betrachtung der Reisebranche.

1861 erfand Thomas Cook die All Inclusive Reise für Gruppen. Bis dahin war das Reisen ein Abenteuer – selbstentdecken, lernen, erfahren und nicht einfach möglichst weit weg vom Alltag und Last Minute Ferien. Thomas Cook machte aus vielen Reisen nichts anderes als eine saisonale Völkerwanderung.

Nicht mehr das Fremde und Unbekannte wurde gesucht, sondern das Daheim in der Fremde. Und heute?

Am Ferienort angekommen, gibt oft der All Inclusive Modus den Takt an – Buffetschlacht, Liegestuhlbalgerei, vollgepferchter Bus und in den lokalen Restaurants trifft der Gast zum Glück auf Landsleute. Die Vielfalt der Kulturen, die Auseinandersetzung mit lokalen Gegebenheiten und das Offensein für Neues wird meist ausgeblendet und möglichst durch das Gewohnte ersetzt. Ein Teller Schnippo bleibt ein Teller Schnippo, sei es in der Karibik oder auf den Balearen.

«Das Offensein für Neues wird meist ausgeblendet»

Mir ist bewusst, dass ich mit diesen Zeilen provoziere und alles vielschichtiger und komplexer ist – und auch ich ein Teil dieser Entwicklung bin. Doch ich wünsche mir, dass wir (die Reiseveranstalter) den Reisenden wieder vermehrt das Entdecken der Welt näherbringen – sie sollen mit offenen Augen, selbstbewusst, wach und neugierig durch die Welt gehen. Das Reisen ist ein guter Einstieg, nicht fremd-, sondern selbstbestimmt durch das Leben zu gehen.

Das Privileg, dass wir unseren Kunden (die uns vertrauen) die Welt erschliessen und das Reisen ermöglichen können, sollten wir, wenn irgendwie möglich, nicht mit Last Minute- und All Inclusive-Ferien ausfüllen. Dieser Verantwortung müssen wir uns als Reiseveranstalter vermehrt bewusst sein, wenn es bloss noch darum geht, möglichst viele Charter-Flüge zu «füllen» – und vielleicht gelingt es ja, den einen oder anderen Kunden davon zu überzeugen, dass es noch etwas anderes gibt. Sorry Thomas Cook.