Reiseanbieter
Reiseberatung auf Facebook breitet sich aus
Jean-Claude RaemyWer früher eine Reiseberatung brauchte, ging ins Reisebüro. Im Zeitalter von Social Media wird dagegen sehr viel Reiseberatung über Facebook und ähnliche Kanäle ausgetauscht. Das ist als «peer-to-peer-information» ausgelegt – Reiseunternehmen mischen aber sehr wohl mit.
Gerade auf Facebook existiert auch in der Schweiz eine Art «Subkultur» der sozialen - und damit kostenlosen - Reiseberatung, welche nicht selten in Reisebuchungen mündet. Ein interessantes Beispiel: Mamalicious. Bereits seit 2010 existiert diese Gruppe, welche sich primär an Mütter richtet. Inzwischen gibt es zahlreiche, in sich geschlossene Untergruppen, etwa «Mamalicious Flohmarkt» (27‘097 Mitglieder), «Mamalicious Home» (14‘064 Mitglieder) oder eben auch «Mamalicious Travel» (6708 Mitglieder). Keine schlechten Mitgliederzahlen für eine rein (deutsch-)schweizerische Plattform.
Der Informations-Austausch zu Reisethemen auf der Plattform ist sehr rege, wie man einem Blick im Facebook entnehmen kann. Mittendrin: Nathalie Sassine vom Online-Reisebüro webook.ch. Sie ist seit der Gründung von Mamalicious mit dabei und gab schon vor der Gründung ihres Online-Reisebüros Tipps oder holte sich Ratschläge. «Als ich webook.ch gründete, war es ein logischer Schritt, dies weiterhin zu tun», erklärt Sassine und führt aus, dass es durchaus für ihr Geschäft einträglich sein kann: «Natürlich ernten wir Kunden aus dieser Gruppe, gerade wenn wir Tipps abgeben können, welche normale Reisende vielleicht nicht haben. In erster Linie ist die Gruppe jedoch dazu da, reise-erfahrene Mütter miteinander zu vernetzen und Erfahrungen aus erster Hand auszutauschen.»
Verkauf ist nicht prioritär, aber ein «schöner Nebeneffekt»
Wie viele ihre webook-Kunden direkt oder indirekt via Facebook kommen, kann Sassine nicht beziffern. Der Anteil dürfte aber nicht zu vernachlässigen sein, zumal webook.ch ein «preferred partner» von Mamalicious ist. Dazu Sassine: «Wir sind seit zwei Jahren ein ‚Mamalicious Trusted Business‘. Das ist ein Label, welches bei Schweizer Müttern ein gewisses Ansehen geniesst.» Der Austausch findet primär auf Tipps-Ebene statt; diese geben Sassine und ihr Team kostenlos ab. Es sei aber kein Verkaufsinstrument im engeren Sinne und der Aufwand sei davon abhängig, wie viel Zeit übrig sei, um sich auf Facebook zu tummeln. «Der mit Mamalicious zusammenhängende Verkauf ist natürlich ein schöner Nebeneffekt», räumt Sassine ein. Mamalicious sei aber nur einer von vielen Kundeninteraktions-Kanälen.
Doch wonach fragen die Mitglieder von Mamalicious Travel? «Zwei Drittel sind Badeferien für Familien, alles andere sind Fragen zu Flügen, Hotels, Rundreisen und Destinationen allgemein», erklärt Sassine. Die Mütter auf Mamalicious Travel tauschen sich untereinander vorwiegend über Familienferien aus. Weiter sind Weekends ohne Kids oder unter Freundinnen ein Thema. Dazu Praktisches wie Langstreckenfliegen mit Kids oder Kindersitze in Mietwagen und Motorhomes und so ähnliches.
Zwar sind nicht ausschliesslich Frauen als Mitglieder bei Mamalicious registriert, aber doch in der sehr grossen Mehrheit, wohl gegen 99%. Laut Sassine sammeln die Mütter die familiären Bedürfnisse und holen sich die Infos ab, um dann in der Familie zu entscheiden, wohin es in die Ferien geht.
Familicious: Von 0 auf 1200 in kurzer Zeit
Nadja Surutka, welche im Day-Job als Freelance-Reiseverkäuferin bei TUI Suisse angestellt ist, mischt ebenfalls seit längerem mit. Inzwischen sogar mit einer eigenen Facebook-Plattform mit dem Namen «Familicious». Wenige Wochen nach dessen Gründung hat Surutka bereits 1211 Mitglieder mit an Bord.
Für sie steht ebenfalls der Austausch und weniger das «hard selling» im Vordergrund: «Familicious ist für mich als Freelancerin sicherlich eine gute Plattform, um mich mit potenziellen Kundinnen und Kunden auszutauschen. Primär ist es aber eine Herzensangelegenheit. Auf Familicious kann sich jeder mit jedem austauschen, jeder kann seine Tipps abgeben und Ratschläge einholen.» Die Beratungsleistung wird also frei erbracht.
Beratung soll neutral sein
Surutkas Arbeitgeber TUI ist über diese Nebentätigkeit im Bild und damit einverstanden. Eine direkte Einmischung von TUI gibt es also nicht: «Als Mami und Familienmensch tausche ich mich gerne mit anderen aus und in dieser Gruppe findet man auch viele neue Inputs. Mit meiner Tätigkeit als Freelancerin bei TUI kann ich natürlich viel dazu beitragen – ich rate aber nicht nur zu TUI-Produkten, sondern tausche mich ehrlich mit anderen Gleichgesinnten aus.» Es gehe also auch hier nicht primär um den Abschluss. «Selbstverständlich bin ich für viele dann auch die Buchungsstelle», räumt Surutka ein,deren Kontaktangabe eine TUI-Mail ist. Beziffern könne sie den damit direkt generierten Umsatz aber nicht.
Auch bei Familicious geht es um Tipps rund um Familienferien oder auch mal Reisetipps für kinderlose Ferien. Und auch hier sind, obwohl Männer nicht ausgeschlossen sind, primär Frauen im Austausch. «Womöglich sind es schon die Frauen, die am Schluss über das Ferienziel entscheiden», lacht Surutka.
Sicher ist, dass nicht nur der Entschluss für die Feriendestination, sondern letztlich auch für die Buchungsstelle massgeblich über solche Plattformen beeinflusst wird. Davon könnten sich einige andere, noch sehr statische Unternehmen in der Reisebranche ein Stück abschneiden.