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Andreas Bestler will den Loyalty-Programm-Markt revolutionieren.

«Ein Drittel aller Meilen verfällt jedes Jahr»

Linda von Euw

Andreas Bestler, CEO von PoshBerry, will einen einheitlichen Markt schaffen, in dem Meilen und Kreditkartenpunkte konvertierbar sind.

Andreas Bestler arbeitete 20 Jahre lang als Executive Director für die UBS. Bis er vor drei Jahren PoshBerry gründete: Eine Plattform, die Business- und First-Class-Tickets mit bis zu 40 Prozent Preisabschlag gegenüber den marktüblichen Preisen anbietet. Wie das genau funktioniert und wie er seine Vision von einem globalen Loyalty-Programm-Markt umsetzen will, verrät er im Interview mit travelnews.ch.

Herr Bestler, was ist die Idee hinter PoshBerry?

Andreas Bestler: Ursprünglich war die Idee, dass ich dem Luxus- und Business-Reisesegment Flüge in Business- und First-Class mit dem gleichen Service wie gewohnt, aber zu tieferen Preisen offerieren kann. Ausserdem wollte ich den gesamten Loyalty-Programm-Markt – also das Sammeln und Einlösen von Meilen und Punkten von Kreditkarten, Hotels usw. – besser verstehen. Ich hatte den Eindruck, dass dieser Markt nicht richtig funktioniert. Man sammelt heute zwar laufend Punkte oder Meilen, kann diese aber nicht richtig einsetzen. Wenn man mal ein Upgrade beantragen will, ist oftmals der Flug nicht verfügbar und am Schluss lässt man es einfach sein und die Meilen verfallen. 

Ist das denn nicht genau das, was die Airlines wollen?

Doch. Ein Drittel aller Meilen und Punkte verfällt jedes Jahr, das kommt einer unglaublichen Wertvernichtung gleich. Trotzdem wächst der Markt: Es werden jedes Jahr mehr neue Meilen und Punkte in das System eingegeben, als dass verfallen. Bei den Herausgebern läuft das so: sie müssen in ihren Bilanzen Rückstellungen für ausgegebene Meilen und Punkte bilden. Je weniger Meilen oder Punkte eingelöst werden, desto mehr Rückstellungen können dann wieder aus der Bilanz gelöscht werden. Airlines verkaufen ihre Meilen teils auch an Kreditkartenfirmen zu höheren Beträgen, als dass sie sie in den Rückstellungen gebucht haben, was einen zusätzlichen Gewinn bedeutet. Die Kreditkartenfirmen ihrerseits bieten diese Meilen dann zum Beispiel als Willkommensgeschenk für neue Kunden an, die sagen wir mal 50’000 Meilen erhalten, wenn sie in den ersten zwei Monaten 3000 Dollar Umsatz auf der Karte machen.

«Es gibt einen Markt für fast alles auf dieser Welt, auch für Meilen und Punkte»

Wie sieht Ihre Lösung aus?

Zurzeit sind sehr viele Menschen Member von sehr vielen Programmen. Das Problem dabei: Die Punkte oder Meilen verfallen, sind kompliziert einzulösen oder schlicht und einfach zu wenige, damit sich das Einlösen überhaupt lohnt. Man kann die Punkte und Meilen weder effizient transferieren noch kumulieren. Der Markt ist riesig: Es gibt momentan rund 90 Trillionen Meilen und Punkte in ungefähr 2 Milliarden Accounts. Der Wert dieser Meilen und Punkte beträgt mehr als 500 Milliarden Dollar. Ich will einen globalen Loyalty-Programm-Markt schaffen, in dem sämtliche Meilen und Punkte gegeneinander konvertier- und austauschbar sind.

Wie funktioniert dieser Markt genau?

Der Markt ist ein digitaler mit sogenannten Loyalty-Coins als ‚Währung’. Diese Coins können überall eingesetzt werden – bei Hotels, Mietautos und auf Flügen oder sogar im Duty-Free-Shop. Der Vorteil: Wir nutzen dieselbe Blockchain Technologie wie BitCoin auch nutzt. Die Coins können bei uns aber mit Eigenschaften programmiert werden - der Coin weiss also genau, bei welchen Partnern er eingesetzt werden darf, welchen Wert er hat und wann sein Verfall ist. Der Kunde hat damit eine neue globale ’Währung’, die er für alles brauchen kann und die Punkte erhalten somit mehr Wert. Auch die Benutzung wird einfacher und zudem real-time, da wir mit sogenannten Wallets für Smartphones arbeiten werden. 

«Airlines profitieren von einem grösseren Kundenstamm»

Was ist hier denn hierbei der Vorteil für die Programm-Anbieter?

Loyalty-Programm-Anbieter haben grundsätzlich ein Interesse daran, mit möglichst vielen Partnern zusammenzuarbeiten. Die Einbindung dieser Partner ist allerdings mit sehr hohen Kosten und viel Zeitaufwand verbunden. Können die Punkte bei mehreren Anbietern eingelöst werden, erhöht das den Wert der Meilen oder Punkte. Zudem haben Anbieter wie Miles&More heute nur einen eingeschränkten Überblick über ihre Kunden, denn viele davon sind auch Member von anderen Programmen. Machen wir den Markt global, haben die Airlines plötzlich Zugriff auf einen weltweiten Markt und damit mehr Möglichkeiten für personalisierte Marketingmassnahmen.

Aber widerspricht das nicht dem, was Sie über die Rückstellungen in den Bilanzen gesagt haben?

Natürlich – das ist aber ein kleiner Nachteil: Unsere Blockchain-Lösung führt dazu, dass die Airlines mehr Leistungen erbringen müssen, weil mehr Meilen und Punkte eingelöst werden. Auf der anderen Seite können sie dadurch auch sehr viel mehr Umsatz generieren, da sie einen grösseren Markt ansprechen. Miles&More hätte dadurch zum Beispiel Zugriff auf OneWorld-Members. Ausserdem sind aus historischen Gründen die Systeme vieler Marktteilnehmer oft untereinander weder kompatibel noch effizient vernetzt: Löst jemand Meilen in einem Partnerhotel ein, dauert das manchmal Wochen, bis diese Transaktion im System des Meilenherausgebers auftaucht. Das Hin- und Herschieben dieser Transaktionsinformationen geschieht manchmal sogar manuell. Das kostet die Unternehmen nebst Zeit auch Geld und sie müssen wiederum die Rückstellungen länger in den Bilanzen stehen lassen.

Können Sie damit die Anbieter überzeugen?

Ich denke schon. Unsere Blockchain-Lösung vereinfacht alles: Die Anbieter und Member haben jederzeit einen aktuellen Einblick darüber, wo die Meilen oder Punkte gerade sind, denn bei der Blockchain handelt sich quasi um eine globale Buchhaltung. Die operativen Kosten werden gesenkt und die zusätzlichen Umsätze machen die Rückstellungskosten mehr als wett. Ebenso bleibt die volle Kontrolle über das Loyalty-Programm bei den Anbietern. Die Airlines und Hotels können für ihre herausgegebenen Meilen und Punkte über den Wert, den Verfall und den Einsatz bei Partnerunternehmen zu jedem Zeitpunkt selber entscheiden. Das ist wichtig für die Anbieter.

«Kreditkartenpunkte sind flexibler als Meilen»

Wann könnte diese Plattform Realität werden?

Bis Ende nächsten Sommer. Wir sind im Gespräch mit einem grossen Loyalty-Programm Anbieter und habe bereits zwei Investoren gefunden. Neue Interessenten sind natürlich jederzeit willkommen!

Wie profitiert PoshBerry davon?

PoshBerry verlangt eine kleine Transaktionsgebühr von drei bis vier Prozentpunkten pro Transaktion und wird weiterhin am Markt als Käufer solcher Punkte und Meilen teilnehmen, um den Flugbuchungsservice, der später auch auf Hotels und Mietautos ausgeweitet werden soll, auch für Leute ohne eigene Meilen und Punkte gewährleisten zu können.

Wie kommen Sie an die Meilen?

Es gibt einen Markt für fast alles auf dieser Welt, auch für Meilen und Punkte. Wir kaufen eher weniger Meilen, sondern viel mehr Kreditkartenpunkte. Diese sind flexibler einsetzbar und man kriegt schneller mehr. Bei den Meilen muss man immer mehr fliegen und bekommt dafür weniger als früher. Aber es gibt Firmen, die haben Millionen von Meilen, die ihre Mitarbeiter auf Geschäftsflügen generieren. Sie wollen diese aber nicht den Mitarbeitenden privat geben und verkaufen diese dann. So funktioniert auch der Markt mit Kreditkartenpunkten. Es gibt Firmen die kaufen Produkte in Asien absichtlich nur via Kreditkarte ein. Dadurch erhalten sie dann Umsatzpunkte, die sie wiederum verkaufen – so erhalten die Firmen quasi einen zusätzlichen Rabatt auf ihre Einkäufe.

«Es braucht spezifisches Wissen, um sich in diesem Markt behaupten zu können»

Wie funktioniert Ihr System mit den Flugbuchungen im Detail?

PoshBerry ist eine virtuelle Firma und beschäftigt keine festen Angestellten, um die Fixkosten minimal zu halten. Wir haben knapp zehn Travel Agents, die den operativen Teil abdecken. Sie bewirtschaften also die Fluganfragen, suchen Flüge und machen das Angebot und das Pricing bis hin zum Booking und zur Rechnungsstellung.

Haben Sie Expansionsgedanken?
Nein. Das Business sehe ich als Schnittstelle zwischen dem realen Business - wie das Reisebüros machen, und – ich sage jetzt mal den «Piraten», die sich diesen Loyalty-Programmen zu bedienen wissen. Zudem braucht es spezifisches Wissen, um sich in diesem Markt behaupten zu können. Im Grundsatz ist dieser Markt allerdings nicht nachhaltig und deshalb will PoshBerry dieses Business auch nicht weiter vorantreiben, sondern eine globale Loyalty-Markt Lösung vorstellen, die allen Beteiligten riesigen Mehrwert bieten wird. 

Wer steckt genau hinter PoshBerry?

Die Aktiengesellschaft ist zu 100 Prozent bei mir. Ich habe zwar Leute, die für IT, Marketing und Accounting zuständig sind, aber diese sind alle auf Mandatsbasis tätig. Dies erhöht die Flexibilität und erleichtert den Übergang von einem reinen Ticket-Broker zu einem Travel-Tech Unternehmen in der nahen Zukunft.