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Michael Bötschi (l.) und Robin Engel mit dem "Gründerstein" von Go2Travel: Trotz viel Aufwand hat sich das Abenteuer als Unternehmer bislang absolut gelohnt. Bild: HO

«Aus rund 90 Prozent der Anfragen ergibt sich auch eine Buchung»

Jean-Claude Raemy

Vor fast genau einem Jahr starteten Robin Engel und Michael Bötschi das Unternehmer-Abenteuer mit ihrem Nordamerika-Spezialisten Go2Travel. Wie ist es ihnen ergangen? Was sind ihre Pläne für das zweite Existenzjahr? Travelnews hat sich mit den Jungunternehmern unterhalten.

Vor fast genau einem Jahr durfte Travelnews vermelden, dass Robin Engel und Michael Bötschi einen neuen Nordamerika-Spezialisten namens Go2Travel aus der Taufe heben (siehe hier). Das Datum der Ankündigung war nicht zufällig gewählt: Es fiel auf den 8. November, also just jenes Datum, an welchem die USA nach langen Monaten von Covid-bedingter Abschottung endlich wieder ihre Grenzen öffneten. «Mit dieser Bekanntmachung erfolgte der Startschuss in unser Abenteuer», erklärt Robin Engel, «davor waren wir primär mit Vorbereitungsarbeiten wie dem Abschluss einer Garantiefonds-Absicherung oder dem Aufsetzen von Supplier-Verträgen beschäftigt.» Die beiden hatten während der Pandemie als quasi einzige Schweizer den IPW, die wichtigste US-Incomingmesse, besucht und dort den Grundstein für ihr Unternehmen gesetzt. Aber das Geschäft ging erst los, als die Öffentlichkeit vom neuen Unternehmen erfuhr, welches die früheren Knecht-Produktmanager gegründet hatten.

Wie ist es ihnen seither ergangen? Michael Bötschi erklärt: «Wir hatten praktisch ab dem ersten Tag schon Buchungen - nicht gerade massenweise, aber es tröpfelte stetig etwas herein. Leider gab es dann schon früh eine Delle, wegen Omikron und der zwischenzeitlichen Wiedereinführung der Testpflicht bei Heimreise in die Schweiz. Als das überwunden war, begann schon bald der Krieg in der Ukraine, der die Nachfrage wieder dämpfte, aber immerhin das Nordamerika-Geschäft weniger tangierte. Wir haben die relativ ruhige Zeit zum Jahresbeginn genutzt, um uns noch besser aufzustellen. Als sich die Reaktionen wegen der Ukraine abkühlten, ging es auch schon bald wieder los mit Buchungen. Das Ostergeschäft lief OK, der Mai war schon richtig gut und das Sommergeschäft hat dann unsere Erwartungen übertroffen.»

Wer buchte überhaupt? Robin Engel hält beim Teams-Termin mit Travelnews fest, dass Go2Travel ab dem ersten Tag Unterstützung von einigen Reisebüros gehabt habe. Bereits vor dem formellen Start waren mit einzelnen Reisebüros - Go2Travel nennt weiterhin keine Namen - Vertriebspartnerschaften geschlossen worden. «Das hat gut funktioniert, und seitdem haben wir den Kreis unserer Partner-Reisebüros noch erweitern können», führt Engel aus. Profitiert habe man auch von einer gewissen Schwäche bei den Grossveranstaltern, welche ihre Nordamerika-Abteilungen während der Pandemie ausgedünnt hatten, danach mit der Personalaufstockung Mühe hatten und deren Service in den Augen vieler Reisebüros litt - wonach sich diese Reisebüros zumindest mal probeweise auf eine Buchung bei Go2Travel einliessen und danach auch weitere Buchungen dort platzierten. So kam Go2Travel ohne grosse Investitionen zu einem bereits beachtlichen Vertriebsnetz.

Wobei man auch allfällige Direktbucher willkommen heisst. Doch der Fokus liegt zu Beginn ganz klar nicht auf diesen. Zum einen, weil man das Gespann Engel/Bötschi in der Reisebranche kennt und sie da punkten wollen, währenddem eine Bearbeitung der breiten Öffentlichkeit noch unrealistisch ist. Was nicht heisst, dass man kein B2C-Marketing betreiben würde. Die beiden veröffentlichen in Zusammenarbeit mit Radio-Profi Manuel Wälti regelmässig hörenswerte Podcasts und sind auch auf Sozialen Medien sehr aktiv. Gerne stellen sie hierbei Ziele vor, die etwas abseits des Bekannten liegen - damit lässt sich das Spezialistentum untermauern, und an solchem sind gerade auch Repeater interessiert, die auch mal was anderes als New York oder Florida hören wollen.

«Wir haben den Kreis unserer Partner-Reisebüros erweitern können.»

Natürlich lief es den beiden ähnlich wie dem Rest der Branche. Das heisst, sie hatten viele recht kurzfristige Buchungsanfragen und hatten zum Sommer hin enorm viel zu tun. «Wir haben seit dem Wiederbeginn der touristischen Nachfrage im Frühjahr praktisch 24/7 gearbeitet», erklärt Bötschi - mit dem Hinweis verbunden, dass beide Jungunternehmer aber ihre Freundinnen halten konnten und von diesen weiterhin viel Unterstützung erhalten.

Der Einsatz hat sich jedenfalls ausbezahlt: «Das erste Jahr verlief trotz der genannten Startschwierigkeiten sehr zufriedenstellend, umsatzmässig lagen wir zwischen unseren Szenarien ‹realistisch› und ‹best case›, womit wir also über den Erwartungen liegen», führt Engel aus. Über konkrete Umsatz- oder Paxzahlen schweigen sich die beiden aus und verweisen darauf, dass es wie bei anderen Unternehmen natürlich eine gewisse Anlaufzeit brauche, doch sei man mit dem bisher Erreichten im Plan und hochzufrieden.

Besonders erfreulich: Das Verhältnis zwischen Anfragen und Buchungen sei extrem gut. «Aus rund 90 Prozent der Anfragen ergibt sich auch eine Buchung», sagt Engel, «wir haben also nicht viel ins Leere gearbeitet, was uns sicher auch nochmals sehr entgegengekommen ist im ersten Jahr des Bestehens.» Als Grund für dieses Verhältnis, welches deutlich über dem Branchenschnitt liegt, nennen beide zum einen, dass sie keine Standard-Offerten machen, sondern sich wirklich mit den Wünschen der Kundschaft auseinandersetzen. Zum anderen hätten sie aber gewiss auch davon profitiert, dass nach der Pandemie viele «einfach mal weg» wollten, und davon viele in die USA, durchaus auch zu herkömmlichen Zielen. «Wir mussten aber diese Chance auch nutzen und ein einwandfreies Produkt mit gutem Service bieten, sonst wären viele wieder abgesprungen», bilanziert Bötschi. Man habe die Zeit in die eigene Qualität investiert und weniger in grosses Marketing oder Klinkenputzen bei potenziellen Partnern. Das habe letztlich zum Gelingen geführt, Kunden nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten. «Es kommen schon viele Anfragen fürs nächste Jahr und wir haben auch schon erste Repeater verzeichnen können», frohlockt Engel.

«Wir haben im ersten Jahr nicht viel ins Leere gearbeitet.»

Auf die Frage, ob bereits Übergabe-Angebote von grösseren Veranstaltern vorliegen, folgt eine halbherzige Verneinung - offenbar wurden schon Fühler ausgestreckt. Doch für Engel und Bötschi ist ein Verkauf noch überhaupt kein Thema: «Wir wollen uns zuerst beweisen», sagt Engel, «dazu geniessen wir die unternehmerische Freiheit. Würden wir jetzt schon verkaufen, wären wir gleich wieder da, wo wir vor einem Jahr nicht mehr sein wollten. Nein, unser Business-Plan ist langfristig angelegt, wir werden dann in fünf Jahren mal schauen, wo wir stehen. Es kann, gerade im Tourismus, sehr viel passieren, und niemand kann die Zukunft voraussehen. Fakt ist aber, dass wir zuerst mal mit unserer Firma wachsen und uns etablieren wollen.»

Letzteres ist kein Manager-Blabla. Go2Travel sucht bereits seit Ende Sommer weiteres Personal. Engel und Bötschi merkten rasch, dass es für einen Qualitätsjob auch viel Manpower braucht, und der Geschäftsgang habe es ihnen erlaubt, bereits nach weiteren Personen zu suchen. Die Ansprüche sind aber hoch: Gesucht wird jemand, der Nordamerika schon recht gut kennt, Branchenkenntnisse mitbringt und dem Team etwas beitragen kann. «Wir suchen 1-2 gute Personen, die unser Team ergänzen», sagt Bötschi und räumt ein, dass sich diese Suche gar nicht so einfach darstellt. Es gebe aber auch keinen Zeitdruck, bis auf Weiteres komme Go2Travel auch noch als Tandem über die Runden.

Ein Tandem, das bisher gut funktioniert hat, aber auch nicht selbstverständlich ist. «Wir sind recht unterschiedlich», hält Bötschi fest, «aber wir finden immer einen Kompromiss, da wir ja dasselbe Ziel verfolgen.» Engel meint, dass er und Bötschi sich eigentlich «ideal ergänzen», da sie zwar «dasselbe Feuer» für Nordamerika verspüren, ansonsten aber die Dinge anders angehen und auch andere Stärken/Schwächen bzw. oftmals auch andere Interessen hätten, zudem sei er selber «schnell begeisterungsfähig und probierfreudig», während Bötschi «eher besonnen und hinterfragend» sei. So habe sich auch eine gewisse Arbeitsteilung eingestellt: Engel macht Buchhaltungs-Administration, kümmert sich um die Website und um externe Kommunikation, während Bötschi sich um Reiseunterlagen sowie Stammdaten/Datenerfassung kümmert. Operativ gibt es aber keine fixe Arbeitsteilung; wenn eine Anfrage hereinkommt, kümmert sich derjenige darum, der bessere Kenntnis über das gewünschte Ziel hat, oder der schlicht die Arbeitskapazität dafür hat. Natürlich sind die beiden auch Stellvertreter füreinander. Aber eben: Sie sind nicht dermassen symbiotisch, als dass es keinen Platz für weitere Personen hätte. Beide hoffen sehr, das Team mit einer oder mehreren passenden Personen bald ausbauen zu können.

«Wir suchen 1-2 gute Personen, die unser Team ergänzen.»

Was sind denn nun die Zukunftspläne von Go2Travel, mal abgesehen vom personellen Ausbau? «Das zweite Jahr ist natürlich ein Konsolidierungsjahr», holt Bötschi aus, «wir wollen unsere Marktstellung festigen und wenn möglich ausbauen. Dafür sind wir sehr zuversichtlich.»

Nachdem jüngst die erste Studienreise durchgeführt werden konnte (nach Michigan und in die Region Great Lakes, Travelnews berichtete) soll es auch im kommenden Jahr wieder eine Studienreise geben, wobei noch nichts spruchreif ist. Ebenso werde man auch im kommenden Jahr wieder einen «Travel Agent Event» auflegen - die erste Ausführung am 14. September im Zürcher Restaurant Brisket sei sehr geschätzt worden und sei ein rundum gelungener Event gewesen.

Auf die Möglichkeit einer Destinations-Erweiterung angesprochen, winken die beiden ab. «Wir wollen lieber in unserem Kerngeschäft Nordamerika wachsen, als auf allen Hochzeiten tanzen», bringt es Engel auf den Punkt. Natürlich sei ein Ergänzungs-Ausbau denkbar, etwa mit einem Programm für die Bahamas, doch das habe derzeit schlicht nicht Priorität. Es gebe genug zu tun mit Anfragen und Buchungen und Personalrekrutierung und weiteren Aktivitäten - Bötschi ist beispielsweise seit bald einem Jahr im Vorstand des Visit USA Committee aktiv. Ein KMU zu führen ist kein Zuckerschlecken - aber wenn man den beiden Jungunternehmern zuhört, merkt man, dass hier Herzblut und Wille vorhanden sind: Gute Vorzeichen für ein hoffentlich florierendes Business.