Reiseanbieter

Um an das Geld der Swiss zu kommen, braucht es nochmals erhebliche Arbeit. Bild: AdobeStock

Kommentar Noch mehr Aufwand für die Aufwandsentschädigung

Jean-Claude Raemy

Die Swiss zahlt den Reisebüros 10 Franken Dankesprämie und nimmt damit einen sechsstelligen in die Hand. Wer letztlich wie viel bekommt, ist aber noch unklar - und braucht wohl aufwändige Abklärungen. [UPDATE 14 Uhr: Die ursprünglich genannte Zahl der Gesamtauszahlung ist zu hoch gegriffen und liegt laut Swiss deutlich tiefer]

Der Schweizer Reise-Verband (SRV) hat lange gekämpft. Die SRV-Vorstandsmitglieder aus den Reihen der Grossveranstalter wie auch Geschäftsführer Walter Kunz prangerten die Swiss medienwirksam an: Es ging um den Mehraufwand, den die vielen Flugannullationen im Frühjahr und Sommer den Reisebüros verursacht hatten. Verlangt wurde eine Entschädigung; im Raum stand die Forderung nach einer Teilentschädigung pro annulliertem Flug und pro Passagier in der Höhe von 30 Euro. Nach anfänglicher Abwehr von Swiss mit dem Hinweis, dass Reisebüro-Aufwand durch frei wählbare Service-Gebühren abgegolten werden könne - was für Aufruhr bei den Reisevermittlern sorgte - folgte am 26. September endlich eine Einigung (Travelnews berichtete): Nachdem am 9. September die Swiss-Verantwortlichen mit der SRV-Spitze zusammengekommen waren und ein Vorschlag unterbreitet worden war, konnte man einen gemeinsamen Nenner ausarbeiten.

Diesem zufolge zahlt die Swiss im Rahmen einer «Branchenlösung» 10 Franken pro Coupon. Ausbezahlt wird für Flüge, die im Zeitraum April bis Juni 2022 annulliert wurden. Die Swiss hält fest, dass von 190'000 durchgeführten Flügen lediglich 994 von Streichungen oder massiven Verspätungen betroffen waren. Das ist prozentual ausgedrückt effektiv wenig, bloss 3%, doch mussten eben in 994 Fällen für Dutzende Passagiere neue Arrangements - Flug, Hotel, Mietwagen, you name it - getroffen werden. Swiss hat diesen Mehraufwand nun immerhin anerkannt und im Rahmen einer Einmalzahlung eine «Dankesprämie» ausbezahlt.

So wie das Wording der SRV-Mitteilung fast schon von der Swiss diktiert klingt, so ist auch dieser Dankesbeitrag zwar für die Reisebüros eine Art Genugtuung, aber letztlich eben auch ein Euphemismus und kein Deal, der automatisch zum Tragen kommt, sollte sich eine ähnliche Situation wieder ereignen. Es ist eigentlich ein Goodie, mit welchem der aufmüpfige stationäre Vertriebskanal ruhiggestellt wird, ohne dass eine wirkliche Verantwortung eingestanden wird.

Über die Höhe der Entschädigung wird nicht informiert, aber rechnen wir mal grosso modo aus: 994 Flüge mal (als Durchschnittswert angenommene) 100 Passagiere, multipliziert mit dem kommunizierten Faktor 1.66 (Anzahl der Coupons pro Fall). Damit kommt man auf 165'004, und dies mal 10 Franken, macht in Summe eine Entschädigung, pardon ein Dankesbeitrag, von rund 1,65 Millionen Franken. Rechnet man für die angenommenen 99'400 Fälle eine durchschnittliche Nachbearbeitungszeit von 1 Stunde, kommt man auf einen «Dankesbeitrag» von 16.60 Franken pro Arbeitsstunde.

[UPDATE SWISS]: Swiss-Sprecher Michael Pelzer hält im Nachgang zur Publikation dieses Artikels fest: «Die Rechnung ist im Grundsatz korrekt, die angenommene Passagierzahl pro betroffenen Flug ist aber deutlich tiefer.» Der Denkfehler liegt klar bei Travelnews: Während die angenommene Paxzahl pro Flug ungefähr der Realität entspricht, werden natürlich nur jene Passagiere gezählt, deren Ticket über den Reisebürokanal ausbezahlt wurde. Die Swiss gibt keine näheren Zahlen bekannt, doch statt mit 100 zu multiplizieren, wird man in obiger Rechnung eher mit einer Zahl in der Nähe von 15 multiplizieren müssen (davon ausgehend, dass rund ein Sechstel der Swiss-Tickets über Reisebüros generiert werden]. Damit käme man auf eine Gesamtsumme der Dankesprämie in Höhe von weniger als 250'000 Franken.

Arbeiten für das Geld

So weit, so gut. Das Problem am Ganzen ist, dass die Auszahlung nun einmal mehr auf Seiten der Reisevermittler zu Aufwand führen wird. Die Swiss hat ganz klar festgehalten, dass die Auszahlung automatisch über die IATA-Agenturen erfolgt, also über die «Ticket-Fulfiller». Was ist mit all den Reisebüros, welche via Consolidators/IATA-Agenturen gebucht haben? Diese Buchungsstellen müssen sich nun mit den «Ticket-Fulfillers» einig werden.

Travelnews hat bei einigen grossen Consolidators nachgefragt. Nick Gerber (Globetrotter/Aerticket) bejaht, dass nun ein Verteil-Aufwand auf ihn und seine Mitarbeitenden zukommt: «Wir haben den Verteilschlüssel für die 10 Franken noch nicht abschliessend definiert, weil wir zuerst die betroffenen Tickets auswerten müssen. Wir werden das individuell mit unseren Kunden anschauen. Weil die Auswertungen komplex sind, werden wir dafür etwas Zeit brauchen.» Gleich klingt es bei Markus Flick, Sprecher DER Touristik Suisse: «Zu diesem frühen Zeitpunkt nach der Bekanntgabe gilt unsere Aufmerksamkeit der Klärung von Rahmenbedingungen der getroffenen Vereinbarung. Selbstverständlich dürfen unsere Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner darauf vertrauen, dass wir anschliessend auch diese Fragen sorgfältig und möglichst zeitnah klären werden.» Und Tanja Pöll, Sprecherin von Hotelplan, sagt ihrerseits: «Hotelplan Suisse schätzt das Entgegenkommen der Swiss in Form einer Dankesprämie und wird diese selbstverständlich an die Reisebüro-Partner weitergeben. Über den genauen Betrag werden die Reisebüro-Partner direkt von Hotelplan Suisse informiert.»

Die Swiss kommt also im Rahmen der Branchenlösung drum herum, sich überlegen zu müssen, wer wie viel erhält. Es gibt einfach Pauschalauszahlungen an die IATA-Agenturen; der grösste Teil entfällt auf die grossen Ticket-Offices/Consolidators. Diese müssen nun schauen, wem Geld weitergegeben wird und wie viel. Das Problem war von Anfang an bekannt und kann natürlich nicht von der Swiss auf direktere Weise gelöst werden. Aber unter dem Strich heisst es, dass nach dem Kampf um finanzielle Anerkennung der Leistung nun nochmals Aufwand folgen muss, um diese fein zu verteilen.