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Blicken nach zweijähriger Krise wieder optimistischer in die Reisezukunft: Walter Kunz (SRV-Geschäftsführer, links) und Martin Wittwer (SRV-Präsident). Bild: TN

Die zweijährige Delle im Reisegeschäft

Gregor Waser

Die jährliche Umfrage des Schweizer Reise-Verbands bei 300 Reisebüros zeigt das Ausmass der zurückliegenden Krise. Nach 2020 fehlte auch 2021 rund 70 Prozent des Umsatzes. Für das restliche Jahr und für 2023 erwartet die Reisebranche zwar wieder Normalität – wären da nicht noch einige Fragezeichen.

Nach 68 Prozent Minus im Jahr 2020 fehlten den Schweizer Reisebüros 2021 sogar 70 Prozent jenes Umsatzes, der noch im Vor-Pandemie-Jahr 2019 anfiel. Dies zeigt die jährliche, zusammen mit der Universität St. Gallen durchgeführte Reisebüro-Befragung des Schweizer Reise-Verbands. 485 Reisebüros wurden angefragt, 297 beantworteten die Fragen nach dem jährlichem Umsatz, dem Umsatz nach Mitarbeitenden, der Nettorendite und den aktuellen Aussichten.

Die nachfolgende Grafik verdeutlicht den Geschäftsrückgang seit 2012, insbesondere seit 2019. Auffallend: trotz weiterem Umsatzrückgang im Jahr 2021 stieg der Umsatz nach Mitarbeitenden wieder an – die Reisebuchungen wurden im letzten Jahr von deutlich weniger Schultern gestemmt, nachdem etliche Reiseprofis die Branche auf eigenen Wunsch verliessen oder verlassen mussten.

Der mittlere Umsatz der befragten Reisebüros sank im Jahr 2021 (1,04 Millionen Franken) gegenüber 2020 (1,06 Millionen) leicht um 1,9%. Kleinere Reisebüros haben eher noch weniger erwirtschaftet als im Vorjahr, wogegen grössere gut aufholen konnten. Der Umsatz pro Mitarbeitende hat im Mittel zugenommen: von gerundet 0,3 Millionen auf 0,36 Millionen Franken (+18.8%). Die grössten Zuwächse verzeichnen hier die mittelgrossen Reisebüros.

«Im Rückblick über die letzten 10 Jahre hat die Pandemie deutliche Spuren hinterlassen, nachdem das Reisejahr 2019 noch eines der besten Jahre war», blickte SRV-Geschäftsführer Walter Kunz an der heutigen Medienkonferenz im Hotel Schweizerhof in Zürich zurück.

Im Vergleich zum Vorjahr war die Bruttorendite mit 16% ausreichend hoch, um Personal- und Sachkosten zu decken. Die Personalkosten binden jedoch mit 89% (Vorjahr: 114%) immer noch zu hohe Anteile des Bruttoertrags. Im Mittel ist es dennoch gelungen, die Verluste im Vergleich zum Vorjahr einzudämmen. Die Nettorendite von 0% (Vorjahr -3%) konnte nur dank der Unterstützung und Finanzhilfe des Bundes erreicht werden.

«Grundsätzlich sind wir glücklich, dass die Reisebranche die Krise zumindest schadlos und kostenneutral überstanden hat», sagte Kunz und richtete dabei einen Dank an die Politik, auf deren Hilfe die Branche zählen konnte.

Deutlicher Silberstreifen

Jetzt zeichnet sich am Horizont aber ein deutlicher Silberstreifen ab. So ist der SRV-Sentiment-Index für die nahe Zukunft in Bezug auf alle Indikatoren (Dossiergrösse, Preise, Margen) so hoch wie nie zuvor. Was nicht überrascht: Die Branche erholt sich gerade von der schlimmsten Krise seit dem 2. Weltkrieg und geht davon aus, 2023 etwa ein Geschäftsvolumen von 85-90% von 2019 zu erreichen.

Auch die Ergebnisse der Allianz-Studie, die an der heutigen SRV-Medienkonferenz präsentiert wurden, zeigen einen deutlichen Aufwärtstrend: das Nachfragewachstum bei Ferien ist in diesem Jahr um 35 bis 40 Prozent höher als im Vorjahr.

Viele Reiseunternehmen planen den Personalbestand wieder wie in Zeiten vor der Pandemie und bisweilen auch darüber hinaus aufzustocken – sofern sie Mitarbeitende finden. Reisebüros stehen hier vor einem ähnlichen Wachstumshemmer wie andere touristische Dienstleister. Der Fachkräftemangel ist gross.

Die Personalsituation analysierte Prof. Dr. Christian Laesser von der Universität St. Gallen: «Mittelgrosse Reisebüros könnten eher abnehmen zugunsten der ganz kleinen und der grossen Reisebüros.»

Doch es stehen noch weitere Fragezeichen im Raum: das Ausmass und die Auswirkungen der Energiekrise, die Inflation sowie die Ungewissheit über eine mögliche Rückkehr der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Einreisehürden.