Reiseanbieter

Noch gibt es zahlreiche Fragezeichen, wie das Herbst- und Wintergeschäft ausfallen wird. Bild: TN

Welche Erwartungen haben Sie für das Winterhalbjahr?

Trotz der aktuellen hohen Nachfrage und vordergründig viel Optimismus steht die Reisebranche vor einigen Herausforderungen. Der Geschäftsgang 2023 lässt sich nur sehr schwer prognostizieren, und demzufolge lässt sich das eigene Business nur schwer budgetieren. Wie lange hält der Optimismus noch an? Machen Sie mit bei unserer Umfrage.

Auf zwei Jahre mit sehr wenigen Buchungen folgte jüngst ein Sommer, in welchem die Buchungsnachfrage extrem anzog. Das müsste eigentlich für positive Stimmung in der Reisebranche sorgen. Das tut es auch - doch die Sorgenfalten sind deswegen nicht verschwunden.

Zum einen hat der explosive Anstieg der Nachfrage für allerhand operative Probleme und damit für riesigen Aufwand bei allen Mitgliedern der touristischen Wertschöpfungskette gesorgt. Das könnte man noch akzeptieren, doch die bange Frage lautet nun, ob das Sommerhoch 2022 eine flüchtige Erscheinung war, oder ob die Nachfrage anhaltend hoch bleibt. Die Vorausbuchungen für den Herbst und für den Winter 22/23 bzw. das Reisejahr 2023 sind noch relativ verhalten. Die Hoffnung ist, dass es wiederum zu sehr vielen kurzfristigen Buchungen kommen wird. Im Markt herrscht hierfür eine insgesamt recht zuversichtliche Stimmung.

Doch die Vorzeichen bzw. Marktbedingungen sind eben nicht mehr ganz dieselben wie im Frühjahr. Was jetzt schon an Herbst-/Winter-Buchungen drin ist, stammt von zuversichtlichen Reisenden. So weit so gut. Doch inzwischen dominieren gleich mehrere Krisen die öffentliche Wahrnehmung: Die Inflation hält in vielen Ländern an, eine globale Versorgungskrise lässt darüber hinaus die Lebensmittel- und Energiepreise überdurchschnittlich stark ansteigen, der Ukraine-Konflikt hält an und schafft geopolitische Unsicherheiten, und die Pandemie hindert immer noch mancherorts den freien Personenverkehr. Viele Konsumenten haben das während der Pandemie möglicherweise angesparte Geld nun im Frühjahr und Sommer in Reisen investiert - doch wenn sie zum Winter hin mit steigenden Rechnungen konfrontiert sind, muss man davon ausgehen, dass sie dies zumindest bis auf Weiteres von Buchungen abhalten könnte.

Die Krise hat ganz klar gezeigt, dass die Menschen reisen wollen, sobald sie es können. Aber es ist nun mal so, dass Reisen ein «verzichtbares Gut» ist. Die bereits erwähnten Probleme und eine gewisse Unsicherheit dazu, ob auf die kalte Saison hin auch eine Rückkehr von mehr Krankheitsfällen und damit verbundenen staatlichen Massnahmen folgen, schafft Verunsicherung. Deutschland geht ja mit «gutem Beispiel» voran und hat bereits jetzt neue Corona-Schutzregeln für den Herbst und Winter beschlossen, darunter eine ab Oktober geltende FFP2-Maskenpflicht in Flugzeugen und Fernzügen. Das wirkt sich zumindest auf die Reisenachfrage kaum positiv aus. Manche dürfen sogar gar nicht reisen - man denke an die Chinesen, welche in der Schweiz und in vielen asiatischen Ländern normalerweise eine wichtige, aktuell aber komplett fehlende Klientel darstellen. Darüber hinaus könnten die operativen Probleme infolge des vieldiskutierten Fachkräftemangels noch etwas andauern.

Man kann es aber auch etwas positiver sehen: In der Schweiz, in Europa und auch in Nordamerika ist der Beschäftigungsgrad wieder deutlich angestiegen. Die Menschen haben Jobs und Geld, und infolge ihrer Arbeitsbelastung auch Bedarf nach Ferien. Ob das allerdings in «Reiselust und Buchungs-Zuversicht» umgewandelt werden kann, ist zumindest kurzfristig fraglich.

Die Lösung für die Branche wird sein, das Service-Niveau rasch wieder anzuheben, um Chaos wie in diesem Sommer zu vermeiden. Um Branchenjobs attraktiv zu machen, sind wohl Lohnerhöhungen notwendig - Mehrkosten, die wiederum an Konsumenten weitergegeben werden müssten. Konsumenten, die vorerst nun mancherorts wohl etwas konservativer sind in Sachen Ausgaben. Eine schwierige Situation. Doch Hand aufs Herz: Die düsteren Aussichten spiegeln sich aktuell noch direkt in der Geschäftsentwicklung wider. Um also die Konsumenten zum Buchen zu verleiten, muss man Optimismus verbreiten und wie gesagt guten Service und Zuverlässigkeit bieten. Dann könnte es trotz allem ein vernünftiges Herbst-/Wintergeschäft geben. Oder wie sehen Sie das?

(JCR)