Reiseanbieter
Das Herbstgeschäft wird zur Hängepartie
Jean-Claude RaemyIm Rahmen des Artikels «Sind die Buchungen zuletzt stärker ins Internet abgewandert?» wollte Travelnews jüngst wissen, wie es den Schweizer Reisebüros derzeit in Sachen Sommerbuchungen sowie auch Herbstbuchungen geht. Dies vor dem Hintergrund, dass dieses Geschäft bei Online-Reiseanbietern offenbar sehr stark läuft - stärker als im stationären Vertrieb.
Vielleicht angesichts der Flut von Fachmedien-Umfragen blieb der Rücklauf dieses Mal relativ bescheiden (55 Teilnahmen). Und doch sind Resultate spannend. Demnach liegen bei den teilnehmenden Reisebüros in fast der Hälfte der Fälle (43%) die Buchungszahlen noch unterhalb des Werts von 2019, also dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie. Erfreulich: Bei 23% liegt man zwischen 5 und 10 Prozent über den Zahlen von 2019, in 14 Prozent der Fälle gar bei über 50 Prozent über den Zahlen von 2019. Das deutet immerhin darauf hin, dass es für viele aktuell rund läuft und man 2022 tatsächlich von einem «Sommer-Boom» sprechen kann. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Das grosse Nachholbedürfnis nach Reisen, die vielen Grenzöffnungen bzw. der Abbau von Corona-Massnahmen, die Rückkehr vieler Angebote.
Etwas mulmiger stimmt der Blick auf das Umfrageergebnis hinsichtlich dem Herbst. Dort bewegen sich 65 Prozent der Befragten noch unter dem Niveau von 2019, ein paar wenige Glückliche (27%) aber auch schon im Bereich von 10 bis über 50 Prozent mehr als 2019. Hier scheint man ableiten zu können, dass die Nachfrage für den Herbst noch bei Weitem nicht gleichauf ist wie die Nachfrage für den Sommer, welche nota bene erst richtig ab April einsetzte, also relativ kurzfristig. Wird also auch das Herbstgeschäft ein Kurzfristgeschäft?
«Kein Boom»
Travelnews wollte sichergehen und hat bei den Grossveranstaltern nachgefragt, wie es für den Herbst aussieht.
Markus Flick (Mediensprecher DER Touristik Suisse) erklärt: «Im klassischen Badeferiengeschäft verzeichnen wir für die Herbstsaison zwar regelmässige Buchungseingänge, aber vorerst keinen Boom. Aktuell fokussieren sich die Kundinnen und Kunden auf die bevorstehenden Sommerferien und den September. Die Verfügbarkeiten sind folglich noch recht gut, wobei die im Vorjahresvergleich geringeren Flugkapazitäten nach den Sommerferien schnell knapp werden können.»
Tanja Pöll (Sprecherin Hotelplan Suisse) erklärt derweil: «Hotelplan Suisse blickt äusserst optimistisch auf die kommenden Herbstmonate. Wir sind aktuell sehr zufrieden, was den Buchungsstand der Herbstferien betrifft, und gehen auch davon aus, dass die Nachfrage nach Ferien in den nächsten Wochen noch steigen wird.»
Das heisst: Das Geschäft läuft schon etwas, doch rechnen die Grossen damit, dass erst nach den Sommerferien die richtige Buchungswelle für den Herbst kommt. Oder anders ausgedrückt: Der vielzitierte Optimismus ist ein zeitlich beschränkter Optimismus. Erst mal weg in den Sommerferien und dann weiterschauen!
Es gibt auch Unsicherheiten
Ob das Herbstgeschäft zum Renner wird, hängt von diversen Faktoren ab. Die grundsätzliche Reiselust ist hierbei nicht das Problem. Das Wiederaufflammen von Corona in diversen europäischen Regionen wird wohl abwartend beobachtet. Dazu sind die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs immer noch spürbar, bei der allgemeinen Teuerung und besonders gut sichtbar bei den Treibstoffpreisen.
Und natürlich ist das Preisniveau für Reisen allgemein der wesentlichste Faktor. Dieses ist für den Herbst aktuell recht hoch, gerade im Flugbereich. Ein Blick auf die Webseiten von Airlines wie zum Beispiel Edelweiss genügt um zu sehen, dass sich die Preise zuletzt deutlich erhöht haben. Bekannt ist auch, dass die Mietwagenpreise im Schnitt und vor allem in gewissen (Trend-)Regionen sehr hoch sind, und auch Hoteliers teils die entgangenen Einkünfte der Pandemiejahre mit gesalzenen Preisen wettzumachen versuchen.
Die Frage ist nun, wie viel die Schweizer für ihre Herbstferien zu bezahlen bereit sind. Man muss davon ausgehen, dass mit der Buchung mancherorts wieder bis kurz vor Ferienbeginn zugewartet wird.