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In Bern wird seit heute wieder über die Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes debattiert, wobei ein Bereich davon auch den Tourismus betrifft. Bild: AdobeStock

Weniger Mehrwertsteuerpflicht für alle Reiseunternehmen?

In der heute gestarteten Sondersession des Nationalrats geht es einmal mehr um die Frage, wie die Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes gestaltet werden soll. Der Incoming-Tourismus möchte Erleichterungen für ausländische Reiseunternehmen - davon könnten je nach Ausgestaltung auch inländische Reiseunternehmen profitieren.

Das Thema «Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes» geistert schon seit Jahren durch die Hallen des Bundeshauses in Bern. Heute Montag (9. Mai 2022) beginnt nun eine Sondersession des Nationalrats, in welchem diese Frage wieder behandelt wird. Da gibt es mehrere Aspekte: Unter anderem sollen ausländische Online-Händler, die in der Schweiz Waren verkaufen, der Mehrwertsteuer unterstellt werden. Schweizer Online-Versandplattformen liefern die Mehrwertsteuer bereits ab, weshalb die vorberatende Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK-N) die Mehrwertsteuerpflicht auf alle steuerpflichtigen Importeurinnen und Importeure ausdehnen will. Damit wären inländische Importunternehmen gegenüber ausländischen elektronischen Plattformen nicht benachteiligt.

Einen weiteren Mehrwertsteuer-Aspekt gibt es im Tourismus, und dort präsentiert sich die Lage etwas anders. Es fing an mit einer Motion des Berner SP-Ständerats und Mitglieds des Schweizer Tourismus-Verbands (STV), Hans Stöckli: Dieser verlangte im Dezember 2018 vom Bundesrat, dass dieser die Bundesgesetzgebung dahingehend anpasse, dass ausländische Tour Operators (TO) nur auf dem in der Schweiz erwirtschafteten Umsatz - nicht auf dem gesamten! - besteuert werden. Das war bis 2018 der Fall gewesen, doch eine Änderung der Mehrwertsteuerverordnung führte dazu, dass ausländische TO, die in der Schweizer touristische Leistungen einkaufen, neu steuer- und registrierungspflichtig wurden und somit administratorische Hürden auf sich nehmen mussten. Denn: Wenn ausländische Reisebüros und TOs nicht von der Mehrwertsteuer befreit sind, müssen sie sich bei der ESTV anmelden, einen Steuervertreter mit Wohnsitz in der Schweiz bestellen und eine Sicherheitsleistung von mindestens 2000 Franken erbringen - selbst wenn sie in der Schweiz die massgebende Umsatzschwelle von 100'000 Franken nicht erreichen. Das hatte zur Folge, dass sich viele ausländische KMU-Reiseunternehmen aus der Schweiz zurückzogen. Dem Schweizer Tourismus entgingen laut Stöckli so Millionen, direkt und auch an Steuereinnahmen.

Erich von Siebenthal (SVP Bern), ein Mitglied der Parlamentarischen Gruppe für Tourismus (PGT), deren Co-Präsidenten Stöckli und STV-Präsident Nicolo Paganini sind, reichte eine fast gleichlautende Motion ein. Beide Motionen waren in den Räten unbestritten und wurden deutlich angenommen - doch der daraufhin vorgelegte Umsetzungsvorschlag des Bundesrates wurde von der WAK-N abgelehnt. Der Grund: Eine Mehrheit der WAK-N möchte aufgrund einer befürchteten Wettbewerbsverzerrung zwischen inländischen und ausländischen Reiseunternehmen die einschlägigen Bestimmungen wieder streichen und beim status quo bleiben.

Eine Kommissionsminderheit nahm diese Bedenken auf und will nun auch eine Ausnahmeregelung für inländische Reiseunternehmen einführen. Diese würden also möglicherweise Ausnahmen bei der Entrichtung der Mehrwertsteuer erhalten, also weniger belastet. Interessant ist, dass die Schweiz damit einen diametral anderen Weg folgen würde als viele andere Länder. Zur Erinnerung: Deutschland will Mehrwertsteuer von ausländischen Firmen verlangen, die eine Leistung in Deutschland erbringen (Travelnews berichtete - wobei der Einführungszeitpunkt inzwischen auf Januar 2023 verschoben wurde), und Kroatien hat dies bereits umgesetzt.

Steuererleichterung für inländische Reiseunternehmen?

Der STV empfiehlt, dem Vorschlag der Kommissionsminderheit oder, sollte dieser abgelehnt werden, doch dem Bundesrat zu folgen. Die Verpflichtung der ausländischen Tour Operators zur Abgabe der Mehrwertsteuer sei stossend, weil der im Inland erzielte Umsatz durch die inländischen Leistungserbringer (Restaurants, Hotels, Seilbahnen etc.) bereits versteuert wird.

Der Bundesrat sieht als Lösung vor, dass neu der Sitz des Reiseunternehmens als Leistungsort gilt. Ausländische Reisebüros wären damit in der Schweiz nicht mehr steuerpflichtig. Aber das wäre ein Wettbewerbsnachteil für inländische Reiseunternehmen. Laut dem Vorschlag der Kommissionsminderheit würden inländische Reiseunternehmen gleich wie ausländische von der Steuer auf die eigenen Leistungen und die erwirtschaftete Marge ausgenommen. Das würde die Hürde für ausländische Reisebüros senken, Reisen in der Schweiz anzubieten, ohne dabei eine Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen Reisebüros zu verursachen.

Wird die Variante der Kommissionsmehrheit angenommen, wären die Motionen Stöckli und von Siebenthal aus Sicht des STV nicht umgesetzt. Es wäre der Incoming-Tourismus betroffen, und es gäbe auch keine Erleichterungen für den Outgoing-Tourismus. Auf den Ausgang dieser Debatte darf man gespannt sein.

(JCR)