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Ist Reisen in Zeiten, in denen Krieg in Europa herrscht, frivoles Vergnügen oder eher Toleranzlehre? Bild: Skadar See, Montenegro / (c) AdobeStock

Einwurf Ist das Reisen in diesen Zeiten pietätlos?

Nathalie Sassine

Nach zwei Jahren Pandemie nun der Angriffskrieg auf die Ukraine: Es gab bessere Zeiten für den Tourismus. Damit es wieder losgehen kann, muss man nun dafür werben. Aber wie kommt es rüber, in einer schwierigen Zeit wie jetzt Reisen und Genuss zu propagieren?

«Nach zwei Jahren Pandemie nun der Angriffskrieg auf die Ukraine. Es gab bessere Zeiten für den Tourismus. Aber ich will mich hier nicht beklagen: Reisen ist nun mal Luxus und wir müssen mit den Entwicklungen mitgehen.

Neulich habe ich eine schöne Social Media Kampagne geplant für unser Online-Reisebüro. Denn ein Land nach dem anderen macht es uns einfacher, zu reisen. Es werden jeden Tag weniger Tests verlangt, die Massnahmen vor Ort fallen grösstenteils weg und die Lust von Schweizerinnen und Schweizern nach Ferne, Wärme und Meer ist ungebrochen. Viele nehmen sogar Preiserhöhungen in Kauf, schliesslich waren sie zwei Jahre nicht im Ausland. Alles Bestens also?

Mitnichten. Denn ich tu mich schwer. Nicht mit meinem Job, den liebe ich immer noch, unser Team steht ihre Frau (wir sind nur Frauen) und wir sind motivierter denn je, unsere Kunden an die Sonne und ins Abenteuer zu schicken.

Aber dürfen wir das? Darf man Ferien bewerben und sich (vor)freuen, wieder zu reisen, wenn in Europa Krieg herrscht? Natürlich kenne ich das Argument «es ist immer irgendwo Krieg». Trotzdem. Ist es nicht pietätlos, von Ferien überhaupt zu reden, wenn nicht weit von uns Kinder getötet werden und Millionen flüchten müssen? Ja, ich kann nichts dafür, dass Herr Putin entschieden hat, ein souveränes Land anzugreifen und dort nicht nur die Armee, sondern auch Zivilisten zu bombardieren. So wie ich nie was dafür konnte, dass ein Virus die Welt lahm gelegt hat.

Aber als Unternehmerin ist man auch immer um sein Image besorgt. Schade ich meiner Firma letztlich mit Werbung für ein solch frivoles Thema wie Ferien? Vielleicht. Andererseits verkaufe ich ja keine Waffen an die Russen. Oder chemische Substanzen. Ich verkaufe Träume. Ein wenig Erholung. Und wenn unsere Kunden offen dafür sind, verkaufe ich Verständigung. Denn jede Reise sollte doch auch mehr Verständnis für eine andere Kulturen bringen. Eine Kollegin schrieb letztens, ihr Vater habe immer gesagt: «Wenn jeder einen Freund in einem anderen Land hätte, gäbe es nie mehr Krieg.» Als Tochter eines weit gereisten Vaters kann ich das nur bestätigen. Er hat Freunde und Bekannte in der ganzen Welt, ist mit über 60 Jahren nochmal ausgewandert und reiste vor Corona immer noch gerne! Fremde Menschen und Kulturen kennenlernen, öffnet den Horizont. Das ist wohl einer der Gründe, wieso wir alle unseren Job so lieben und viele immer wieder in die Branche zurückkommen.

Wenn ich meinen Kunden und Kundinnen also ein wenig Weltoffenheit und demzufolge Toleranz mitgeben kann, dann ist das sicherlich nicht pietätlos, oder? Reisen für den Weltfrieden? Soweit würde ich nicht gehen, aber ich werde meine Social-Media-Kampagne dennoch starten. Um den Menschen Hoffnung zu geben, sie ein wenig abzulenken von den täglichen News, aber vor allem: um ihnen eine wohlverdiente Erholung zu versprechen. Die haben sie sich nämlich verdient, gerade in diesen Zeiten.»