Reiseanbieter
«Die Expansion hat sich so ergeben»
Gregor WaserUnmittelbar an der Berner Stadtgrenze, an der Seftigenstrasse 201 teilen sich neuerdings Para Tours und Geo Tours das Ladenlokal. Nordamerika-Spezialist Para Tours hatte nach zweijähriger Reiseflaute eine Partnerschaft gesucht. Paul Gosteli, Inhaber der Geo-Tours-Reisebüros in Thun, Interlaken und Spiez, hat die Chance genutzt nach Bern zu expandieren, sich bei Para Tours beteiligt und im jetzt gemeinsamen Ladenlokal in Bern-Wabern mit einer vierten Geo-Tours-Filiale losgelegt.
Die Telefone laufen heiss. Reisebüro-Chefin Jasmine Rüfenacht und Paul Gosteli – jeweils am Donnerstag in der neuen Geo-Tours-Filiale Bern präsent – nehmen einen Anruf nach dem anderen entgegen. Der Firmenchef erläutert die Eigenheiten eines Hotels auf Kreta, klickt sich durch die Powersearch-Maske und tütet wenig später die Buchung ein.
Wie läufts? «Im Dezember hatten wir nochmals einen Tiefschlag mit der ganzen Testerei, die Verunsicherung war plötzlich wieder gross, nachdem es im Sommer und Herbst doch wieder einigermassen gut lief», blickt Paul Gosteli auf die letzten Monate zurück. Schon wieder läutet es, Gosteli leitet den Anruf zur Filiale Thun weiter und sagt auf den ausgebrochenen Ukraine-Konflikt angesprochen, dass nun schon eine neue Verunsicherung aufkomme und zwei, drei Offerten wegen des Konflikts noch nicht in Buchungen umgesetzt wurden.
Trumpf und Markenzeichen von Geo Tours
Nicht nur in den Schweizer Reisebüros sei die Hoffnung seit anfangs Jahr gross, dass es wieder zu einem normalen Jahr kommt, auch die Destinationen und Hotels hätten ihren Personalbestand wieder hochgefahren, «systemtechnisch kann man gar nicht mehr runterfahren, auch all die Charterplätze liegen vor», äussert sich Gosteli zur Ausgangslage dieses Ferienjahres.
Ein Trumpf und Markenzeichen von Geo Tours ist der eigens produzierte Katalog mit Badeferien-Angeboten ab dem Flughafen Bern. Integriert sind Arrangements verschiedener Veranstalter, von TUI Suisse über Universal, DER Touristik Suisse, Hotelplan Suisse bis FTI - alles auf einen Blick, kompakt und grafisch schön dargestellt, angereicht mit Inserate-Seiten der Anbieter, die die Katalogproduktion so mittragen. Welche Bedeutung hat denn das Geschäft ab dem Flughafen Bern für Geo Tours? «Das sind nur rund zehn Prozent unseres Umsatzes», sagt Gosteli, beschreibt den Gast ab Bern aber als sehr guten Kunden, der schon auch mal eine weitere Reise pro Jahr bucht, vielleicht eine Afrika-, Nordamerika- oder Golfreise.
Der Bern-Katalog hat sich jedenfalls als Türöffner und Marketingtool in der Region bewährt. Nun hat Geo Tours im letzten Herbst zusätzlich noch einen Golf-Katalog herausgebracht, die Federführung obliegt Stephanie Schipke. Die Geo-Tours-Filialleiterin von Thun golft selber und hat gute Kontakte zu den umliegenden Golf Clubs. Was im Vergleich zu handgestrickten grafischen Auftritten anderer Reisebüros auffällt: bei Geo Tours wird professionell Hand angelegt. Paul Gosteli bestätigt, dass sich eine im 30-Prozent-Pensum angestellte Mitarbeiterin ausschliesslich um Katalog- und Marketingprojekte kümmert. «Das ist mir ein grosses Anliegen und hat sich bewährt und ausbezahlt».
Wieder im Vollbetrieb
In allen vier Filialen herrscht wieder Vollbetrieb, alle 14 Angestellten sind aus der Kurzarbeit raus, neu stossen in den nächsten Wochen noch drei weitere Mitarbeitende hinzu. «Wir haben die Öffnungszeiten schon frühzeitig wieder normalisiert – auch als Zeichen an die Kunden, um zu zeigen, dass wir da sind und vorwärtsschauen möchten», sagt Paul Gosteli.
Wie steht es denn um weitere Expansionspläne? «Ich bin nicht der, der sucht und unbedingt wachsen will», sagt der 40-jährige Firmenchef. «Hätten wir plötzlich sechs oder sieben Filialen, kämen grosse Herausforderungen auf uns zu und die Frage, ob die Qualität noch stimmt. Bis alles läuft und verwurzelt ist, braucht es Zeit». Jetzt gehe es erst einmal darum den Standort Bern zu sichern. «Wenn dann alles mal gut läuft und sich eine gute Gelegenheit ergibt, kann man sich das dann mal anschauen.»
Als gute Gelegenheit hat sich offensichtlich die neu geschaffene Firmen-Gemeinschaft mit Para Tours gezeigt. Im Zug der Krisenbewältigung kamen innerhalb der Berner Task-Force Para-Tours-Gründer Hans-Peter Riesen und Paul Gosteli ins Gespräch und loteten Möglichkeiten der Zusammenarbeit aus und setzten diese nun um. «Die Standortteilung macht Sinn für uns», sagt Gosteli, «in Bern erfolgen die Nordamerika-Buchungen weiterhin über Para Tours, via Geo Tours kann die restliche Ferienpalette gebucht werden.» Die beiden Firmen bleiben eigenständige Unternehmen und agieren in Wabern nun sozusagen als «Firmen-WG» und teilen sich Kosten. Und diese Woche präsentierten Riesen und Gosteli zusammen an einer Quartier-Veranstaltung die neue Bürokonstellation und ihre Reise- und Ferienpalette.
So läufts bei Para Tours
Paul Gosteli nimmt einen dringenden Anruf entgegen. Zeit für einen Blick rüber durch die offene Verbindungstüre zu Para Tours – und ein Gespräch mit Wilma Stigter, verantwortlich für das Product Management und den Prospekt bei Para Tours. Sie erzählt vom aktuellen Geschäftsgang: «Seit vier Wochen läuft es wieder viel besser mit Kanada und Alaska, unseren Hauptdestinationen.» Sie räumt ein, dass es schon ein bisschen gewöhnungsbedürftig sei, nach so langer Pause plötzlich wieder eine solch grosse Anzahl Anfragen und Buchungen abzuwickeln, «endlich wieder ohne Masken und Trennwände, es macht Spass.»
Neben den Umbuchungen oder aufgestauten Buchungen kämen derzeit auch viele neue Anfragen hinzu. Para Tours zählt auf Direktbuchungen aus der ganzen Schweiz, vertreibt aber auch über Reisebüros. «Wir haben die Ferienmessen vermisst, die immer sehr wichtig für uns sind, können nun aber von der Mund-zu-Mund-Werbung profitieren, uns gibts ja schon lange». Ein Challenge seien indes die knappen Verfügbarkeiten in Nordamerika. In Banff oder Jasper finde man kein Hotelzimmer mehr in der Hochsaison, auch bei den Motorhomes sei vieles vergeben.
Auf die Konstellation der Firmen-WG angesprochen, lobt Wilma Stigter die neue Situation: «Nun können wir unsere grossen Büroräumlichkeiten teilen. Früher haben wir alles gemacht, jetzt können wir uns auf unsere Kerndestinationen konzentrieren.»
Geborener Touristiker
Zurück am Desk von Paul Gosteli sprechen wir ihn auf seine Ursprünge und seinen Einstieg in jungen Jahren bei Geo Tours an. Aufgewachsen ist Paul Gosteli im Dreisterne-Hotel Kreuz in Leissigen nahe Interlaken, das heute von seinem Bruder geführt wird und er selber sporadisch noch aushilft, etwa bei der Buchhaltung. «Die Begegnung mit unseren internationalen Gästen, die Sprachen und das Reisen hatten mir schon früh gefallen. Ich schnupperte zwar auch in einem Sportgeschäft, merkte aber, dass die Tätigkeit in einem Reisebüro mir eher entsprach.»
So absolvierte Paul Gosteli eine Reisebüro-Lehre bei Geo Tours in Thun, unter der Leitung von Hans Rudolf Burkhard. Nach der Lehre wechselte er ins Touroperating von Aaretal Reisen und absolvierte die Tourismusfachschule. 2009 mit 27 Jahren kehrte Gosteli zu Geo Tours zurück und konnte sich beteiligen an der Firma, erst mit einem geringen Anteil, den er dann kontinuierlich erhöhte bis 80 Prozent im Jahr 2016. So zog sich der heute 73-jährige Firmengründer Hans Rudolf Burkhard, der übrigens an der SRV-GV 2016 in Interlaken als Gemeinderat die Begrüssungsrede hielt, langsam aus dem operativen Geschäft zurück und übergibt nun im Frühling auch noch das Verwaltungsratspräsidium an Paul Gosteli. Die Firmenübergabe und Nachfolgelösung war jedenfalls von langer Hand geplant und offensichtlich in beispielhafter Weise erfolgt.
Gespannt sein darf man jedenfalls über die weitere Entwicklung der Berner Reisebüro-Kette. Für Inhaber Paul Gosteli, zweifacher Familienvater und Hobbyfussballer beim FC Interlaken, geht es nun darum, die vierte Filiale in Bern zu etablieren – und im Sommer mit der Familie Kanada zu bereisen. Schliesslich will er als neuer Para-Tours-Mitbesitzer die Hauptdestination des Anbieters noch besser kennenlernen, um eben nicht nur als ein vom Tagesgeschehen distanzierter Firmenchef zu amten, sondern als Praktiker mit viel Know-how mitten drin zu stehen – und den nächsten Anruf gleich selber entgegennehmen.