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«Jetzt verbessern sich unsere Aussichten deutlich»
Gregor WaserNach 20-monatigem Coronafrust kam im vergangenen Oktober in den Schweizer Reisebüros wieder so richtig Leben in die Bude, viele Buchungen an die Sonne gingen ein, etwa für die Malediven, Emirate, Ägypten oder Costa Rica. Ende November mit dem Eintreffen von Omikron und dem auferlegten Testzwang vor der Rückreise wurde das Comeback aber abrupt gestoppt.
Travelnews hat diese Woche mit zehn Schweizer Reisebüros über den Start ins neue Jahr gesprochen. Bis am Mittwoch Morgen war noch viel Frust auszumachen und von «gespanntem Abwarten» die Rede, am Nachmittag hellte sich die Stimmung deutlich auf.
«Wir merken, dass die Reiselust sehr gross ist. Kunden holen Kataloge, informieren sich unverbindlich für den Sommer und erzählen von ihren Reiseträumen. Gebucht wird aber immer noch sehr zögerlich, entweder ganz kurzfristig oder dann weit im Voraus, zum Beispiel Kreuzfahrten für 2023», sagt Natalie Hirt von Passage Reisen in Zürich.
«Die Buchungen tröpfeln seit anfangs Jahr nur langsam rein», hält Rolf Engel vom Reisebüro Bachmann & Spitzer in Uznach SG fest. «Zwar sind darunter einige grössere Buchungen, doch ohne das normale Grundrauschen reicht es im Vergleich zum Jahr 2019 noch nirgends hin. Das Interesse ist durchaus da, etwa für Mittelmeer-Destinationen, wir haben mehr Kundenkontakte als auch schon. Solange das Testregime so ist, wie es ist», sagt Engel noch am Mittwochmorgen, «hat eine Familie noch kaum Lust, sich auf die Äste hinaus zu begeben. Sie warten mal ab.»
«Leider ist die Nachfrage seit anfangs Dezember rückläufig. Wir stellen in der Beratung fest, dass die Testpflicht ein Stolperstein ist. Für den Monat Januar, welcher normalerweise eine top Monat ist, ist es eindeutig zu ruhig», lautet das Fazit von Fabian Keller von Lilly Travel in Aadorf TG. Trübsal auch in Chur – zumindest bis gestern. «Seit Dezember und der Einführung der Testpflicht bei Rückreise herrscht bei uns absolute Flaute und es kommen praktisch keine Anfragen rein», sagt Andrea Engel, der Geschäftsführer von Engelreisen.
Good News aus Bern
Dann trafen am frühen Mittwoch Nachmittag aber Good News ein, Travelnews informierte per Eilmeldung: Der Bundesrat kippt das Testregime per 22. Januar 2022. Geimpfte und Genesene müssen sich bei der Rückreise aus dem Ausland in die Schweiz nicht mehr testen lassen.
Für Andrea Engel ändern sich die Vorzeichen damit: «Wir hoffen natürlich, dass dieser positive Entscheid unsere Kunden zu Buchungen animieren wird.» Er werde seine Kunden diesbezüglich per Newsletter gleich informieren.
«Mit dem vereinfachten Einreiseregime ab dem 22. Januar verbessern sich unsere Aussichten deutlich. Wir sind gespannt, ob sich nun der Buchungsstau lösen wird», sagt Roger Müller von der FerieInsle Oberhofen BE – nachdem er Tags zuvor noch ein negatives Fazit ziehen musste: «Die Kundennachfrage ist im Moment gleich Null, der Einbruch ist auf die Einführung des Test-Zwangs für die Rückreise zurückzuführen, was die Kunden vor einer Buchung im Moment abhält und sogar zu Annullationen geführt hat.»
Während Daniel Kiefer von Dan Tours in Schönenwerd SO am Dienstag noch davon sprach, wie ruhig es momentan sei, «ist ja eigentlich klar mit dem Test-Obligatorium bei Einreise in die Schweiz», änderten sich seine Aussichten gestern Nachmittag schlagartig: «Ich denke, dass jetzt viele ihre Zurückhaltung verlieren und Ferien buchen wollen.» Um lachend anzufügen: «Wir versuchen sofort alle Pendenzen zu erledigen, damit die Schreibtische leer sind und wir bereit sind für den Kundenansturm».
Und Fabian Keller von Lilly Travel ist nun auch zuversichtlicher: «Mit dem Bundesratsentscheid haben sich die Vorzeichen geändert. Die wegfallende Testpflicht freut uns sehr. Jetzt hoffen wir, dass in den nächsten Tagen die Buchungen deutlich anziehen».
Vor dem grossen Buchungsanstieg
Dann gibt es auch noch jene Reiseprofis, die in den letzten Wochen mit stoischer Geduld die erschwerten Rahmenbedingungen ertragen haben und den Jahresstart durchaus positiv erlebt haben. «Auch wenn wir wegen Omikron noch mit angezogener Handbremse ins 2022 starten, können viele Kunden es kaum erwarten mit tollen Reisebuchungen loszulegen. Es werden viele Ideen besprochen», sagt Nicole Blattner von My World Luxury Travel Services in Rafz ZH. Das Reisebedürfnis sei riesig, die Budgets fürs Reisen noch grösser und man möchte sich jetzt erst recht ganz spezielle Erlebnisse auf top Niveau gönnen, ist sie überzeugt. Aufgeschobene Hochzeitsreisen oder grosse Reisen in ganzen Familienbanden seien stark nachgefragt. «Gerade im Luxussegment schauen wir sehr zuversichtlich ins 2022 und rechnen ab Frühling mit einem grossen Buchungsanstieg».
Mit der Berner Oberländer Gelassenheit nimmt es Paul Gosteli von Geo Tours in Thun. « Wir dürfen uns nicht beklagen, es könnte aber mehr laufen. Ich rechne ab Frühling mit einem Reiseboom, sofern keine neue Variante auftaucht…»
Christian Granwehr vom Reisebüro Buchs in Buchs SG sagt über die ersten Januar-Wochen: «Die Nachfrage ist besser als befürchtet. Wir denken, dass es nochmals ähnlich laufen wird wie 2021: die üblicherweise starken Monate Januar, Februar und März verschieben sich auf die Folgemonate, da die Kunden weiterhin kurzfristig buchen.»
Und Raphaela Schmidig von Travelpoint Müller in Brunnen SZ sagt: «Wir sind grundsätzlich zufrieden und haben viele Anfragen und Buchungen. Natürlich aber immer noch nicht vergleichbar mit der Zeit vor Corona, vor allem weil jetzt Hochsaison wäre. Grösstenteils sind die Buchungen für das erste Halbjahr 2022. Alles darüber hinaus ist wohl einfach noch zu ‘fern’ und die Kunden sind noch unsicher. Die Reisewilligen reisen aber und bisher hat dies niemand bereut.»
Die kommenden Tage und Wochen werden nun zeigen, inwiefern sich der Buchungsstau lösen wird. Einig sind sich die Reiseprofis: der Kundenwunsch, eine baldige Ferienreise anzutreten, ist nach dem zweijährigen Chaos sehr gross. Und der Schritt ins Reisebüro dürfte nach dem Wegfall des Testregimes vielen deutlich einfacher fallen.