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Diverse Schweizer sind wegen Corona schon im Ausland auf einer Quarantänestation gestrandet. Das schreckt weitere Reisende ab. Bild: Allvision/AdobeStock

Geimpft, Genesen, Gestrandet

Jean-Claude Raemy

Das neue Testregime führt zu potenziell unangenehmen Sitationen bei einer Corona-Infektion im Ausland. Die Fälle von gestrandeten Touristen häufen sich. Die Reisebranche schreit um Hilfe.

Seit dem 4. Dezember 2021 ist das neue Testregime in Kraft, welches zwar die Quarantänepflicht zur Makulatur machte, jedoch eine Testpflicht auch auf geimpfte und genesene Personen ausweitete. Neben einem PCR-Test vor der Einreise ist ein zweiter Test (PCR-Test oder Antigenschnelltest) zwischen dem vierten und dem siebten Tag nach der Einreise durchzuführen; die Testkosten müssen von den Einreisenden selber getragen werden.

Nebst dem Umstand, dass die Geimpften/Genesenen aufgrund der hinfälligen Reisevorteile mit dieser Lösung nicht zufrieden sind, und dass gerade auf Familien potenziell wieder hohe Zusatzkosten zukommen, gibt es nun vor allem das Problem, dass man im Ausland zu stranden riskiert. Da die Fluggesellschaften nur Personen mit negativem Testergebnis befördern, muss man zwingend einen Test im Ausland machen (ausser man hält sich weniger als 72 Stunden im Ausland auf, dann reicht auch der in der Schweiz durchgeführte Test). Fällt dieser positiv aus, gibt es gleich den «double whammy»: Zum einen kann man nicht mehr in die Schweiz fliegen, zum anderen muss man vor Ort in Quarantäne/Isolation, und das in der Regel auf eigene Kosten. Es drohen also «unfreiwillige Ferientage» in einem Hotelzimmer bzw. einer Quarantänestation, und deswegen möglicherweise auch Scherereien mit dem Arbeitgeber.

Genesene oder Personen mit Impfdurchbrüchen wollen das Risiko oft gar nicht mehr erst eingehen, da sie zwar in diverse Länder testfrei ausreisen können, jedoch nicht mehr in die Schweiz einreisen - und es ist bekannt, dass ein Corona-Test bei Genesenen oder auch von Corona befallenen Geimpften noch wochenlang positiv ausfallen kann, die Rede ist von bis zu sechs Monaten. Es muss nicht zwingend so sein, aber wer will sich schon dem Risiko aussetzen? Einige haben das Risiko auf sich genommen und sind nun gestrandet - und wegen der Mediatisierung hat dies nun auch stark abschreckende Wirkung auf Reisende, welche mit Neubuchungen zuwarten.

Hilfe für Gestrandete gibt's nur von der Reisebranche

Der «Tages-Anzeiger» schilderte jüngst einen konkreten Fall. Demzufolge hat sich ein Aargauer Paar während den Ferien auf den Kapverden mit Covid angesteckt. Das kam erst heraus, als sich das Paar wegen dem neuen Einreiseregime vor der Rückreise in die Schweiz testen liess. Nun sitzt das Paar schon mal in Isolation auf den Kapverden - aber wenn der PCR-Test auch nach Ablauf der Isolationsfrist weiterhin positiv zurückkommt, könnte es noch viel länger auf den Kapverden festsitzen. Dabei sind die beiden geimpft und eigenen Aussagen zufolge auch Befürworter der üblichen Hygienemassnahmen wie Maske und Distanz. Sie hatten zudem die Kapverden absichtlich wegen der dort tiefen Inzidenz gewählt. Aber die volle Sicherheit hat man nie, und nun blickt das Paar möglicherweise wochenlang an die weisse Zimmerwand und verbringt verlängerte Ferien im Bett vor dem TV auf den Kapverden. Hilfe wurde ihnen weder vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) noch vom Eidg. Department für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) oder von der jeweiligen Fluggesellschaft gewährt.

Bei einer nicht selber getätigten Buchung müssten sich die beiden zumindest administrativ wohl kaum selber um alles kümmern; die von Travelnews befragten Veranstalter äussern sich in Bezug auf die Hilfestellung etwas anders. Laut Sprecher Markus Flick kam es bei DER Touristik Suisse auch bereits zu Fällen, bei denen Kunden infolge positivem Coronatest vor Ort stecken blieben, doch erhielten diese Hilfe vom Veranstalter: «Solche Fälle sind für die Kundschaft sowie für Reiseveranstalter und deren Partner vor Ort herausfordernd. Wo es in unserem Einflussbereich liegt, wirken wir darauf hin, dass die Quarantäne in möglichst angenehmer Umgebung stattfinden kann. Im Zentrum unserer Bemühungen steht die Unterstützung Betroffener in administrativen Fragen und insbesondere bei der Umbuchung des Rückfluges. Machen Krankheitssymptome eine ärztliche Betreuung erforderlich – was aufgrund der hohen Impfquote unserer Gäste nur sehr selten erforderlich ist – leiten wir gemeinsam mit unseren Partneragenturen vor Ort die notwendigen Schritte ein.» Sprecherin Bianca Gähweiler von Hotelplan Suisse sagt derweil: «Leider ist es in der Vergangenheit - nicht erst seit der eingeführten Testpflicht bei Rückkehr in die Schweiz - ab und zu vorgekommen, dass Kundinnen und Kunden im Ausland in Quarantäne mussten, da sie positiv auf Corona getestet wurden. Als Reiseveranstalter unterstützen wir zusammen mit unseren Partnern vor Ort die Kundschaft in solchen Fällen selbstverständlich auf allen Ebenen, sei dies bei der Organisation einer Quarantäne-Unterkunft, erneuten Tests im Ferienland oder der Rückreise.»

Bei FTI Schweiz gab es derweil laut Geschäftsführerin Carmen Doré noch keinen solchen Fall, «jedoch  würden unsere Kunden vor Ort in solch einem bestens betreut - mit dem FTI Corona-Reiseversprechen, bei allen Flug-Pauschalreisen inklusive, übernehmen wir zudem die Unterkunftskosten und Rückflugkosten bei Quarantäne vor Ort aufgrund eines positiven Corona Tests vor Ort.» Und auch TUI Suisse hat laut Sprecherin Milica Vujcic bislang noch keinen solchen Fall zu vermelden, dafür aber auch institutionalisierte Versprechen: «TUI hat gemeinsam mit allen Agenturen und Vertretungen vor Ort eine Liste für alle Kunden aufbereitet, worin diese Informationen dazu erhalten, wo sie während den Ferien einen Test machen können, mit Testzentrum, Testergebnisdauer, Preis etc. Dazu ist unsere Kundschaft dank unserem kostenlosen Serviceversprechen ‹TUI Protect› bei anfallenden Kosten im Falle einer Corona-Erkrankung vor und während der Reise gedeckt.»

Viel Arbeit hatte jüngst auch Daniel Roduner vom Reisebüro Port-Air in Ennetbürgen. Eine Kundin, gereist mit einer Gruppe von fünf Damen, zeigte jüngst in Dubai positiv an. Eine Stunde später kam ein Telefon der Dubai Health Authority (DHA), wonach sie in zwei Stunden abgeholt würde. Die Kundin wurde in Isolation gebracht in einem Zentrum, in welchem nur Zweier- oder Viererzimmer zur Verfügung stehen. Roduner rief die DHA wiederholt an, stellte jedoch fest: «Ist eine Person mal im System, kriegt man sie nicht wieder raus. Dies, obwohl ein Nachtest mit der entsprechenden Kundin negativ war. Sie fühlt sich im Testzentrum unwohl [siehe Bild unten], kann jetzt aber dank unserem Einsatz wohl bald in ein Quarantänehotel übersiedeln.» Für Roduner ist das aktuelle Testregime «unmöglich» und es brauche dringend Alternativen.

Wie ein Gefängnis: So sieht es in der Quarantänestation in Dubai aus. Bild: zVg

Es braucht Lösungen!

Die Einsicht, dass man bei Buchung über den Veranstalter bzw. im Reisebüro im Bedarfsfall Hilfe erhält, ist zwar schön - und doch wird nun dem Vernehmen nach wieder deutlich weniger gebucht, was auch Travelnews festhielt. Die Reisebranche sähe gerne Alternativen zum aktuellen Testregime, auch das hat Travelnews schon thematisiert.

Aktuell gibt es aber noch keine vernünftige Lösung. Das EDA organisiert im Gegensatz zum Frühjahr 2020 keine Rückholaktionen und das Genesenenzertifikat reicht nicht zur Einreise. Inzwischen wird die Diskussion immer intensiver, die Notlösungen werden immer verzweifelter. Unter anderem wird der alte Trick bemüht, wonach man zu einem grenznahen Flughafen reisen soll und dann per Zug oder Auto einreist - eine simple Umgehung, welche sich daraus ergibt, dass in Grenzgebieten andere Regeln herrschen und in erdgebundenen Transportmitteln keine sinnvollen Kontrollen möglich sind. Was allerdings das ganze Testregime in Frage stellt.

Generell scheint man in der Reisebranche der Meinung zu sein, dass zumindest die Heimreise ermöglicht werden müsste, mit anschliessendem Test direkt bei Ankunft. Warum sollte dies nicht möglich sein? Norwegen testet inzwischen jede ankommende Person - umständlich, aber Einheimische sind dann immerhin schon im eigenen Land, sollte der Test positiv ausfallen. Denn die aktuelle Regelung bietet keinesfalls Sicherheit. In der «SonntagsZeitung» vom 12. Dezember steht unter dem markigen Titel «Geimpfte bekommen für das Verhalten anderer die Quittung präsentiert», dass man sich innerhalb des BAG uneinig sei, wie lange man auch als Geimpfter/Genesener nach einer Ansteckung bei einem PCR-Test noch positiv sein könne. Dabei kommt auch Franco Muff, Ombudsman der Reisebranche, zu Wort. Ihm zufolge häufen sich derzeit die Anfragen von Reisebüros bei der Ombudsstelle, da das neue Testregime offensichtlich zu vielen Diskussionen bei Buchungen führt. Muff prangert die chaotische Reaktion vieler Regierungen auf die neue Omikron-Bedrohung an und findet, dass angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit der Patienten auf Intensivstationen ungeimpft ist, es falsch sei, dass nun geimpfte Personen sich erneuten Tests aussetzen müssen.

Nun denn, die kommenden Wochen werden von entscheidender Bedeutung sein, da man immer mehr Erkenntnisse über Omikron gewinnt. Das Auftauchen und die rasche Ausbreitung von Omikron fühlt sich aktuell aber noch an wie eine Rückblende auf die düstere Weihnachtszeit des letzten Jahres. Immerhin ist die epidemiologische und politische Situation eine andere als vor einem Jahr. Und doch ist die Lage für die Reisebranche verzwickt: Ist Omikron tatsächlich «schlimm», könnte dies zu einer Normalisierung harter Eindämmungsmassnahmen führen und die Aussicht auf eine Rückkehr zur Normalität nach der Pandemie in weite Ferne rücken lassen. Sollte es dagegen «mild» sein und die ganze Testsache rückgängig gemacht werden, käme dies zum Preis von erneutem Vertrauensverlust ins Reisen, was viel Aufbauarbeit bedingt, sowie in die Politik und die Gesundheitsbehörden, was deren Umgang mit künftigen weiteren Covid-Bedrohungen erschweren dürfte.