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Martin Wittwer als neuer SRV-Präsident? Er wäre nicht abgeneigt, viele andere Kandidat/innen gibt es nicht. Doch welches Signal würde seine Wahl aussenden? Bild: TN

Kommentar Das richtige Signal für Umbruch und Aufbruch?

Jean-Claude Raemy

Zu Präsidentschafts-Kandidaten gibt sich der Schweizer Reise-Verband (SRV) noch bedeckt - doch ein altbekannter Name macht die Runde. Einer, der viel Diskussionsstoff birgt.

Der Schweizer Reise-Verband (SRV) befindet sich mitten in einem Umbruch. Aufgrund der pandemiebedingten Herausforderungen für die Reisebranche ist der grösste und wichtigste Reiseverband des Landes in der jüngeren Vergangenheit öfters in die Kritik geraten. Ob zu Recht oder Unrecht, tut hier nichts zur Sache: Es wurde lautstark und erfolgreich gefordert, dass der Verband seine «verkrusteten Strukturen» aufbrechen solle. Woraufhin der SRV zu Jahresbeginn erklärte, dass eine interne Arbeitsgruppe bis zur Generalversammlung 2021 hin einen Massnahmenkatalog unter dem Obertitel «SRV 2022» erarbeiten soll, mit Vorschlägen zu einem Umbau des SRV. Die Vorschläge liegen vor; daraus bekannt ist bislang wenig, doch immerhin wurde vor wenigen Tagen ja eine Absichtserklärung hinsichtlich der Gründung eines «Gesamtverbands» unterzeichnet.

Ein wesentliches Element des zukünftigen SRV ist derweil auch der oder die Präsidentin. Denn seit langem ist klar: Der langjährige Präsident Max E. Katz hört nach der GV 2021 auf. Viele Namen machten bereits die Runde, der SRV hielt sich bislang stets bedeckt. Und doch scheint es im Verband - einmal mehr - ein Leck zu geben. Auch wenn nicht formell bestätigt, scheint der frühere TUI-Manager Martin Wittwer der einzige verbliebene Kandidat im Rennen zu sein. Ja genau, derjenige Martin Wittwer, welcher bereits im Februar 2021 gegenüber Travelnews bestätigte, dass er sich durchaus für dieses Amt interessiert. Derjenige Martin Wittwer, der auch schon von Personen aus dem Dunstkreis der Aktion Mayday auf den Schild gehievt und als möglicher neuer Präsident portiert wurde.

Nationalratspräsident Andreas Aebi, noch vor wenigen Monaten als Kronfavorit gehandelt, scheint keine Option mehr zu sein. Vielleicht hatte er schlicht keine Zeit oder Lust, zumal ihm nicht gerade viel Sympathie entgegenschwang und das Fehlen einer Kundengeldabsicherung bei seinem kleinen Reiseunternehmen angeprangert wurde. Vielleicht war die ursprüngliche Idee, mit einem hochkarätigen Politiker sich noch besser Gehör in Bern verschaffen zu können, schlicht auch überholt: Der SRV hat in der Krise mit der bestehenden Taskforce bzw. dem Ressortleiter Politik genügend Gehör in Bern gefunden und die gesteckten Ziele soweit erreicht. Ob es «post Corona» weiterhin so viel Lobby-Arbeit in Bern brauchen wird? Und könnte man einen Politiker an der Spitze haben, der in seinem offiziellen politischen Amt eine Meinung vertritt, die in der Reisebranche durchaus unpopulär ist?

Bei anderen Namen ging es nie über das hinaus, was sie waren: «Name Droppings», also theoretisch mögliche Kandidatinnen und Kandidaten, die jedoch kaum je öffentlich verlauten liessen, dass sie überhaupt Zeit oder Lust hätten - im Gegensatz eben zu Wittwer. Wir hielten uns bislang mit Name Dropping zurück, doch die Zeichen haben sich verdichtet, dass Wittwer zum Zug kommt. Mal angenommen, Wittwer ist tatsächlich der einzige Kandidat und somit seine Wahl reine Formalität, zumal nicht mit Last-Minute-Kandidaturen zu rechnen ist: Was würde die Branche hier erhalten?

Sie erhielte einen erfahrenen Topmanager, der die Branche sehr gut kennt. Sie erhielte jemanden, der auch den SRV aus dem Effeff kennt, ist er doch erst im Frühjahr 2020, nach seinem Ausscheiden bei TUI Suisse, nach insgesamt 20 Jahren aus dem SRV-Vorstand ausgetreten. Aber genau darin liegt ja auch die Krux: Beim SRV ist von Umbruch oder gar Aufbruch die Rede, doch von «Bruch» kann keine Rede sein, denn mit Wittwer an der Spitze würde ein Signal ausgesendet, wonach nun «more of the same» kommt. Das wirkt doch wie ein «Bisheriger», der bestehende Seilschaften weiterpflegt, die letzten Jahre vor der Pensionierung eine komfortable Stelle besetzt und in der vielbeschworenen «Basis» wohl gemocht, aber kaum als Fahnenträger einer radikalen Umwandlung wahrgenommen wird.

Vielleicht tut man Wittwer damit Unrecht und er kann tatsächlich, nach einer Art Sabbatical, den SRV in komplett neue Bahnen lenken. Er bringt jedenfalls, nebst einer gewissen Beliebtheit bei der Basis, zweifellos auch viel mit in Sachen Digitalisierung und Vertrieb. Vielleicht wird er den SRV aus Kosten- oder anderen Gründen verschlanken (natürlich ohne die eigene Position abzuschaffen). Und zu seiner Verteidigung ist auch zu sagen: Hier ist immerhin einer, der will. Wo sind denn die anderen valablen Kandidaten? Wo sind jene, die sich mit Kritik und Vorschlägen nie zurückhalten, aber operativ nie eine Rolle übernehmen wollen? Es kann übrigens auch sein, dass die ganze Umbruch-Chose gar nicht als zwingend nötig angesehen wird und lediglich in etwas Resultatkosmetik mündet. Der Dachverband ist alles andere als beschlossene Sache, derweil die grundlegenden Tätigkeiten des SRV in Sachen Politik, Ausbildung etc. sich auch mit Corona nicht wesentlich verändert haben. Kann sein, dass der Verband, sind die Corona-Wirren einmal ausgestanden, wieder auf herkömmliche Weise dem herkömmlichen Geschäft nachgehen kann.

Allgemein wird anerkannt, dass der SRV in der Krise gute Arbeit geleistet hat und lediglich das Altherrenklub-Image für Kritik sorgte. Ein Image, das mit der Aufnahme dreier junger Frauen im Vorstand bereits verändert wurde. Die Veränderung ist in Gang und es ist nicht zwingend, dass diese völlig radikal erfolgen muss. Wittwer wäre zweifellos eine gute Wahl. Wie viel Wichtigkeit ist der Signalwirkung also beizumessen?

So oder so ist klar: Wittwer bzw. der/die zukünftige Präsident/in wird es nicht nur schaffen müssen, den SRV aus der - teilweise sicherlich unberechtigten - Kritik zu nehmen, sondern auch die losen Zungen aus dem Verband zu verbannen. Da dringt viel zu viel nach aussen.