Reiseanbieter

An der SRV-Medienkonferenz im Convention Center, The Circle, von links: Prof. Dr. Christian Laesser (IMP-HSG, Universität St. Gallen), Olaf Nink (CEO Allianz Partners), Max E. Katz (Präsident SRV) und Walter Kunz (Geschäftsführer SRV). Bild: TN)

70 Prozent weniger Umsatz, 1700 Stellen weg

Gregor Waser

An der Jahresmedien-Konferenz beziffert der Schweizer Reiseverband (SRV) das grosse Ausmass der Krise. Und die Situation bleibt schwierig: bei den Fernzielen beläuft sich die Umsatzerwartung auf bloss 10 bis 25% des Vorvorjahres.

Wie sehr die Schweizer Reisebranche im Pandemie-Jahr 2020 gelitten hat, zeigt die jährliche, zusammen mit der Universität St. Gallen durchgeführte Reisebüro-Befragung. Der Umsatz der an dieser Studie teilnehmenden 284 Reisebüros hat im Jahr 2020 gegenüber 2019 um 68,1% von durchschnittlich 3,27 auf 1,14 Millionen Franken abgenommen. Der Umsatz pro Mitarbeiter hat ebenfalls abgenommen, von 0,925 Millionen auf 0,299 Millionen Franken, ein Minus von 69,4%). Damit einher geht die Erosion der eh schon mageren Nettorendite von 1% auf -3.5%.

Die Kurve des Grauens: die Reisebüro-Umsätze implodierten im Jahr 2020. Bild: SRV

Der Umsatzzerfall führte im vergangenen Jahr zu einem noch nie gesehenen Mitarbeiterabbau. Total gingen in Schweizer Reisebüros von 7700 Vollzeitstellen im Jahr 2019 nun 1700 Vollzeitstellen verloren, wie die Hochrechnung der Universität St. Gallen zeigt. Das ist ein Minus von 22 Prozent!

«Das Licht am Ende des langen Tunnels scheint nun sichtbar zu sein», sagt Max E. Katz, der SRV-Präsident an der heutigen Medienkonferenz im «Circle» des Flughafens Zürich. Gemäss dem Sentiment-Index für die nahe Zukunft werden sich Dossiergrösse und Preise positiv entwickeln, hält er fest, doch die Margen bleiben weiterhin unter Druck.

Die Umsätze flackern also teilsweise wieder auf. Die Frage bleibt: was passiert mit den vielen Reisebüros, die sich derzeit nur dank der bald auslaufenden Kurzarbeitsentschädigung und weiterer Finanzhilfe über Wasser halten können? «Eine abschliessende Beurteilung der Schäden aus dieser Pandemie wird wohl frühestens im Jahr 2023 oder 2024 möglich sein», sagt SRV-Geschäftsführer Walter Kunz.

Weiter sagt Max E. Katz: «Weil die meisten Langstreckenziele weiterhin nicht zugänglich sind, werden auf den Fernstrecken in diesem Jahr wohl nur 10 bis 25 Prozent des 2019er-Umsatzes erzielt werden. Auch 2022 dürfte schwierig bleiben.»

Und Tourismusprofessor Christian Laesser sagt zum Schaden in der Reisebranche: «Der ist beträchtlich, die Nachfrage ist komplett eingebrochen. Pro Reisebüro stellen wir einen durchschnittlichen Umsatzverlust von 2,1 Millionen Franken fest. Ein Viertel bis ein Drittel aller Mitarbeiter blieb auf der Strecke.» Was Laesser auch feststellt: die kleineren Reisebüros hatten weniger Handlungsspielraum und leiden unter der Krise noch mehr. «Die Situation bleibt volatil.»

Kurzfristige Buchungen, Blick auf Storno-Bedingungen

Traditionell führt der SRV zusammen mit Allianz Partners eine Befragung der Reisenden durch, die in der aktuellen Phase des zögerlichen Restarts interessante Entwicklungen aufzeigt. Insgesamt wurde die Meinung von 1042 Leuten eingeholt.

Zunächst hält die Allianz-Studie fest: von 2,8 Ferienreisen pro Jahr vor der Corona-Pandemie sind Schweizerinnen und Schweizer seither nur noch 1,8 Mal in die Ferien gefahren – dazu zählen Ausflüge mit mehr als drei Übernachtungen. Zuletzt haben die vermehrten Lockerungen dazu geführt, dass man wieder vermehrt ins Ausland gereist ist. Das Auto war dabei das beliebteste Transportmittel, der Anteil jener, die ausschliesslich das Auto für die Ferienfahrt nutzten, verdoppelte sich. Zwei von drei Befragen haben in den letzten zwölf Monaten komplett auf das Flugzeug verzichtet.

Auffallend ist, dass in letzter Minute gebucht wird, bei gleichzeitig strenger Beobachtung der Storno-Bedingungen. Beim Reiseverhalten geben die befragten Frauen an, künftiger weiterhin kurzfristig zu buchen, während Männer eher davon ausgehen, wieder das alte Buchungsmuster aufzunehmen.

In der diesjährigen Reisestudie wurde zudem auch das Thema Covid-Impfung aufgenommen. Welche Gründe sprechen für eine Impfung? Für die Mehrheit der Befragten sind der Schutz vor einer Covid-Erkrankung, die Rückkehr zur Normalität und der Beitrag zur Herdenimmunität der ausschlaggebende Grund für den Piks. Immerhin für jede dritte Person, ist das unbeschwerte Reisen der Grund, sich impfen zu lassen.

Beim Versicherungsverhalten zeigt sich die Allianz insofern überrascht, dass die Attraktivität von Assistance-Leistungen, inklusive medizinischer Unterstützung, nicht wie erwartet angestiegen ist. Insgesamt habe sich das Risikobewusstsein nur sehr bedingt verändert.

Für Olaf Nink, CEO Allianz Partners, fällt das Fazit so aus: «Die Reiselust ist grundsätzlich noch da. Wir können auf einen Nachholeffekt hoffen, wenngleich ich keine Jahreszahl nennen mag. Ziele in der Nähe werden mit dem Auto angesteuert, die Buchungen finden kurzfristig statt und die Stornobedingungen werden immer wichtiger für Kundinnen und Kunden.»