Reiseanbieter

Partnerschaft ist, wenn man einander auf Augenhöhe begegnet und sich aufeinander verlassen kann. Bild: Chris Liverani

Kommentar «Partnerschaft» sollte mehr als nur ein Lippenbekenntnis sein

Als eine der Folgen von Covid war viel von einem «Comeback der Agenten» die Rede. An grossen Bekenntnissen betreffend der Partnerschaft mit dem stationären Retailer-Kanal hat es auch nicht gemangelt. Doch wie viel wird davon post-Covid wirklich übrig bleiben?

Reisebüros, die zu Beginn der Pandemie in Mitleidenschaft gezogen wurden, erleben einen Wiederaufschwung. Dies zumindest berichtet das «Wall Street Journal». Tatsächlich: Auch wenn die Situation weiterhin sehr angespannt ist, so verhilft der Flickenteppich von Covid-19-Beschränkungen in allen Teilen der Welt den Reisebüros zu neuer Wichtigkeit. Manche sprechen von einem «Comeback» nach Jahren, in welchen das Internet und damit die Do-it-yourself-Buchungen den Reisebüros zugesetzt haben.

Doch wie nachhaltig ist dieses Comeback wirklich? Einer der Gradmesser ist die Position der Reisebüros im «Ökosystem Reisebranche», und diese lässt sich nicht nur am Zuspruch der Endkundschaft abmessen, sondern auch am Zuspruch der Lieferanten, also der Leistungsträger, welche den Retailern das Material für den Verkauf liefern. Tatsächlich hat es jüngst nicht an aufrichtigen Erklärungen von Reiseveranstaltern, Hotelketten und Kreuzfahrtgesellschaften hinsichtlich der Rolle, welche Reisebüros auch in Zukunft spielen werden, gefehlt. Und die Worte sind gewiss gut gemeint, während einer Krise sowieso, da müssen ja alle zusammenhalten. Doch was, wenn der post-Covid-Aufschwung wirklich wieder einsetzt?

Die Menschen verreisen immer noch gerne, aber eben etwas anders. Enormes Wachstum haben zuletzt beispielsweise Ferienwohnungsvermieter verzeichnet. Ein Geschäft, das grossmehrheitlich online abgewickelt wird. Sprich: Am wachsenden Feriengeschäft im eigenen Land haben Reisebüros nur wenig partizipiert. Beim Airline-Vertrieb derweil ist die Partnerschaft schon seit Jahren angespannt: Nach der Nullkommissionierung folgte - immer öfter - eine Benachteiligung des stationären Vertriebs gegenüber proprietären Kanälen. Beispiel: Buchungsklassen für Reisebüros bereits geschlossen, im Internet aber noch geöffnet. Ganz zu schweigen von den «Distribution Cost Charges». Das Frustpotenzial ist enorm.

Und was ist mit den Reiseveranstaltern, den primären Brötchengebern der Reisebüros? Dort heisst es längst «Buchen Sie bei uns ODER in ihrem Reisebüro». Die Budgets für die B2B-Kommunikation machen noch einen Bruchteil der Endkunden-Werbebudgets aus. Sehr oft gehen die Marketingbemühungen dahin, das Geschäft direkt zum Unternehmen zu bringen. Und ja, das Gespenst der Nullkommissionierung auch von Reiseveranstalterseite ist noch nicht vertrieben.

Das Malaise hat bereits dazu geführt, dass sich die Reisebüros - ob in Sozialen Medien oder Vereinen - in «Selbsthilfegruppen» organisieren; dass sie sich von den Verbänden, welche ja längst nicht mehr «Reisebüroverbände» sondern eben «Reiseverbände» sind, nicht immer adäquat repräsentiert fühlen, wurde gerade in der Krise mehr als deutlich. Dabei ist es ja nicht so, dass die Entscheidungsträger bei den Veranstaltern die Agenturseite des Geschäfts nicht kennen oder unterschätzen. Sie wissen, warum sie für den Verkaufserfolg des Unternehmens wichtig ist, wenn auch nicht mehr so sehr wie früher. Und doch müssen sie mit der Zeit gehen und die Möglichkeiten eigener, günstigerer Verkaufskanäle ausloten. Die Digitalisierung der Reisebranche geht erst richtig los.

(Text geht unter der Umfrage weiter)

Digitalisierung und Kenntnisse müssen Hand in Hand gehen

Und dann ist da noch die Qualitäts-Problematik. Mehr als ein Geschäftsführer eines Reiseunternehmens hat mir gesagt, ich sei naiv, was die Rolle von Reisebüros/Beratern angeht. Das wurde auch mal so formuliert: «Ich glaube, Sie wissen nicht, wie viele Anrufe wir von Reisebüros erhalten. Sie sind nicht die gut informierten, umsichtigen Berater mit Produktkenntnissen, für die Sie sie zu halten scheinen.» Das trifft ins Mark: Dass das Reisebüro eine reine Vertriebsstelle ist, hat sich schon lange erledigt, doch was, wenn man diesem auch die Berater-Kenntnisse abspricht? Ist das Reisebüro wirklich nur noch die Stelle, welche die mühsame und aufwändige Aufgabe einer Reisezusammenstellung für «Faule» erledigt? So spricht man jedenfalls nicht über «geschätzte Partner».

Man kann davon ausgehen, dass viele Anbieter die «Covid-Pause» genutzt haben, um die Direktbuchungsbeziehungen zu stärken. Teils werden Technologien eingesetzt, die von den buchenden Gästen verlangen, dass diese mit dem Anbieter digital in Kontakt treten, um eine breite Palette persönlicher Informationen und Präferenzen anzugeben. Derweil hat niemand je vorgeschlagen, die ganzen Buchungsanfragen zu 100% an kompetente Reisebüropartner auszugliedern. Noch immer wird mancherorts lieber in Call-Center investiert, bei denen die Mitarbeitenden keine direkte Kenntnis von der Reisegeschichte des Gastes, seinen gesundheitlichen Problemen, den Vor- und Nachbereitungsoptionen oder sogar der bestmöglichen Reiseversicherung haben.

Letztlich wird es immer um die Frage gehen, wer die Interessen des Kunden am besten vertritt. Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, und angesichts der vielen unterschiedlichen Bedürfnisse haben die Reisebüros hier sicherlich auch weiterhin eine Rolle zu spielen. Dafür müssen sie aber auch auf Partner bauen können, welche auf sie zählen. Die Zukunft wird zeigen, wie ernsthaft die vielen Beteuerungen hinsichtlich der «wichtigen Partnerschaft mit stationären Reisebüros» wirklich waren.

(JCR)