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Kommentar Das BAG sollte weiterhin umsichtig agieren
Jean-Claude RaemyNoch immer belasten komplizierte Einreise- und Hygienevorschriften die Reisetätigkeit. Doch Schweizer hatten es zuletzt im Vergleich relativ gut, zumindest was die Rückreise ins eigene Land betrifft: Keine Risikoländerliste mehr, kein Ampelsystem, für Geimpfte/Genesene so gut wie keine Hürden mehr, ansonsten eine Testpflicht bei Heimreise (welche allerdings relativ lasch kontrolliert wird). Dafür wurden wir ringsum beneidet. Und das hat durchaus auch positive Konsequenzen aufs Incoming-Geschäft gehabt: Durch den Sommer hindurch wurden an wichtigen Schweizer Ferienorten durchaus auch viele ausländische Gäste aus aller Herren Länder gesehen - wohl noch lange nicht auf früheren Levels, aber immerhin.
Doch jetzt, da die Inzidenzzahlen in der Schweiz wieder steigen und das Gespenst der «4. Welle» umgeht, scheinen sich die Behörden nicht mehr wohl zu fühlen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG), welches zuletzt dank einem relativ «kühlen Kopf» für die Reise-Détente in der Schweiz sorgte, hielt an der gestrigen Medienkonferenz fest, dass Ferienrückkehrer «20 Prozent oder deutlich mehr» der derzeit positiv Getesteten ausmachen. Eine Reaktion auf - man kann es nicht anders nennen - Medienkampagnen des «Blick» und weiterer Medien gegen Ferienrückreisende?
Travelnews fragte beim BAG nach detaillierteren Zahlen hinsichtlich der infizierten Ferienrückreisenden nach, wurde jedoch an die Kantone verwiesen, welche für das Contact Tracing verantwortlich ist. Wir dachten, die Daten seien beim BAG konsolidiert und sollten auch publik sein. Interessant wäre etwa, wie viele der infizierten Ferienreisenden geimpft oder nicht waren. Dazu habe man keine Daten, hiess es vom BAG.
Inzwischen liest man aber, dass zumindest jene Covid-Fällen, welche einen schweren Verlauf haben und eine Hospitalisierung nach sich ziehen, praktisch ausschliesslich auf ungeimpfte Personen zurückzuführen sind. Das sagt jedenfalls Nicolas Müller, leitender Arzt an der Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich, im «Blick». Die Lösung wäre aus seiner Sicht einfach: Impfen. Zumal es sehr wenige Impfdurchbrüche gebe.
Die Impfung ist die einfachste Lösung
Inzwischen steht bereits die Frage im Raum, ob man die Risikoländerliste wieder aktivieren solle. Das scheint zum Glück noch nicht auf dem Tapet zu sein. Der Bund startet vorerst einmal eine Impfkampagne, welche sich an alle «Zögerer» richtet. Die Message ist klar: Wer sich noch vor dem Herbst impfen lässt, hilft mit, einer neuen Pandemiewelle entgegenzuwirken und leistet einen Beitrag, die Freiheiten des Alltags zurück zu bringen. Es gibt überall noch freie Impftermine, so dass jeder, der will, auch geimpft werden kann.
Zwar schliesst das BAG härtere Massnahmen nicht aus - allerdings nicht allein anhand von Inzidenzzahlen, sondern erst falls sich die Situation in den Spitälern zuspitzen sollte, es also zur «harten Triage» kommen sollte. Oder anders formuliert: Wird die Impfquote nicht erhöht und verläuft parallel dazu der Anstieg der Inzidenzzahlen ungebremst, sind Lockdowns wieder möglich, wenn auch verhältnismässigere Massnahmen gewünscht wären. Auch Instrumente wie Risikoländerlisten oder «Testpflicht bei Heimkehr für alle Reisenden, ob geimpft oder ungeimpft» könnten zur Anwendung kommen. Entschieden ist diesbezüglich aber noch gar nichts. Der Ball ist gewissermassen bei der Bevölkerung: Impfen ist angesagt, oder zumindest vorsichtiger Umgang und Einhalten der üblichen Hygienemassnahmen, gerade auch auf Reisen. Dass sich viele Reisende um Vorschriften aber foutieren, zeigte jüngst Deutschland: Die Bundespolizei hat seit Mitte Januar etwas mehr als 150'000 Verstösse bei Einreisen aus Corona-Risikogebieten festgestellt, wie «DW» festhält. Es geht eben auch um Eigenverantwortung...
Da sich die Staaten mit der Durchsetzung des Impfwillens schwertun und Impfzwänge juristisch nicht durchsetzbar sind, greifen nun immer mehr Unternehmen selber durch. Bei Hapag-Lloyd Cruises beispielsweise dürfen nur noch Geimpfte an Bord. Auch Saga Cruises hat dies schon so bestimmt. Es liegt in der Luft, dass auch Airlines solches fordern könnten. Auf Landesebene tun dies bereits Norwegen (zumindest wenn man nicht aus einem grünen Land kommt) und bald auch Grönland - dort sind nur noch Geimpfte/Genesene willkommen. Tests werden nicht akzeptiert.
Ist das jetzt «Diskriminierung»? Nicht ganz - es ist eine andere Priorisierung. Jene Staaten/Unternehmen, welche die Impfung als probates - wenn auch nicht zu 100% aber immerhin zu 90%+ sicheres - Mittel gegen Covid anerkennen, können so relativ simple und für grosse Bevölkerungsteile problemlos umsetzbare Richtlinien erstellen. Sie verzichten möglicherweise auf einen grossen (jedoch schrumpfenden) Anteil potenzieller, ungeimpfter Kunden, aber machen das Leben für jene, welche eben die Impfung auf sich genommen haben, einfacher. Die vermeintlichen «Schafe» können dann jedenfalls ungehindert Reisen und zahllosen anderen Tätigkeiten nachgehen.
Es wäre schön, wenn das BAG weiterhin klug agiert und nicht auf komplizierte und letztlich doch zahnlose Mittel wie Risikoländerlisten zurückgreift oder in der Praxis kaum durchsetzbare generelle Testpflichten bei Heimkehr, sondern die Situation in Bezug auf Hospitalisierungen wie angekündigt im Auge behält und bis dahin vor allem die Impfkampagne vorantreibt. Dann wird die Schweiz auch weiterhin eine gute Stellung in der Reisewelt einnehmen können - und dies mit überschaubaren Covid-Folgen. Aber man kann sich auch nicht nur aufs BAG bzw. die Behörden verlassen - wir müssen alle unseren Teil beitragen, um die Situation in den Griff zu bekommen, In welcher Form auch immer.